„Nicht Franken, sondern München ist die Peripherie“

Franken und Bayern – ein gespanntes Verhältnis. Während angehende Ministerpräsidenten-Kandidaten aus München nicht wissen, in welchem Teil Frankens Aschaffenburg liegt (Oberfranken, stimmt‘s?!?), beklagen sich die Franken über konzentrierte Investitionen in der bayerischen Landeshauptstadt und erheben Anspruch auf Gegenstände wie die Kaiserkrone. Was stimmt nicht zwischen Bayern und Franken? Welchen Anteil hat Franken daran, dass es Bayern in seiner heutigen Form überhaupt gibt? Und: Was sollten die Franken unternehmen, um sich in ein besseres Licht zu rücken? Solchen Fragen ging Kultur- und Heimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold bei einem Vortrag in Baunach nach.

Politischer Aschermittwoch, Zeit zum Poltern und Angreifen des politischen Gegners. Oder wie wäre es damit, sich einfach ein bisschen mit sich selbst zu beschäftigen? Was im ersten Moment noch negativ klingt, entwickelt sich auf den zweiten Blick positiv, denn es ist „viel Platz für ruhiges, selbstverständliches Selbstbewusstsein“. Die Baunacher CSU hatte Prof. Dr. Günter Dippold in den Obleyhof eingeladen und er streichelte nicht nur die fränkische Seele, sondern ging auch der Frage nach, warum viele Politiker und auch große Teile der Öffentlichkeit Franken nicht auf der Rechnung haben.

Dabei hätten die Fragen viel zum heutigen Bayern beigetragen. Während der Revolution 1848/49 fochten Franken für die Ideale von Demokratie und Reichseinheit, 1946 entstand die Bayerische Verfassung unter dem Vorsitz des Bamberger Oberlandesgerichts-Präsidenten Dr. Lorenz Krapp. „Viel von dem, was gute Tradition ist im Freistaat Bayern, das geht auf Franken, auf Menschen aus Franken zurück“, erklärte Dippold.


Prof. Dr. Günter Dippold am 22. Februar 2012 in Baunach.

„Was helfen tote Dinge? Menschen sind das Kapital eines Landes.“

Von den Forderungen, die so genannte „Beutekunst“ den Münchner Museen zu entreißen und zurück nach Franken zu bringen, hält Dippold allerdings wenig. Darum gehe es in der heutigen Diskussion gar nicht. Im Fokus müssten wichtigere Dinge stehen: „Was helfen tote Dinge? Menschen sind das Kapital eines Landes. Menschen brauchen wir in Franken, Menschen, die hier Arbeit finden und die, ob von hier stammend oder von anderswo, unser Franken bereichern durch ihr Engagement und durch ihr Wissen und Können. Aber wir gewinnen nicht Menschen. Wir verlieren sie – und das in manchen Landstrichen schon erschreckend lange und erschütternd schnell“, so Dippold.

Den Grund für dieses Ausbluten in Franken erkennt Dippold in der öffentlichen Meinung und der Einstellung der Politik: Dem Land werde nichts mehr zugetraut. „Die Großstadt allein gilt als Motor des Fortschritts, nur von dort, so meinen viele, könne Neues, könne Modernes, könne Innovation kommen. Das Land hingegen gilt als Provinz, bestenfalls kann sich hier der gestresste Großstädter erholen.“ Die Folge davon sei, dass wissenschaftliche und kulturelle Einrichtungen selten außerhalb der Landeshauptstadt München angesiedelt würden. „Warum gibt es in Oberfranken kaum außeruniversitäre Forschungseinrichtungen? Warum hat Franken keine technische Universität? Warum sind die Staatstheater, Staatssammlungen und die meisten Landesbehörden bevorzugt in der Landeshauptstadt? Warum sitzt des Landesamt für Denkmalpflege im München und nicht inmitten des Weltkulturerbes Bamberg?“


Dippolds Vortrag war gut besucht. 

Zeit für mehr Selbstbewusstsein

Aber auch die Franken selbst müssten etwas tun, um besser wahrgenommen zu werden: selbstbewusster und geschlossener sollten sie auftreten, nicht prahlerisch oder chauvinistisch. Auch mangle es an Einmütigkeit. „Wenn es Bayreuth gut geht, dann ist das für Hof und Bamberg kein Grund zur Klage, sondern zur Freude. Solange diese Erkenntnis nicht das Denken prägt, solange man stattdessen dem Nachbarn sein Gedeihen missgönnt, solange ist für die Region als Ganzen Hopfen und Malz verloren. Fränkisch darf sich nicht länger auf zänkisch reimen.“

Und: „Warum ist es den Franken nicht gelungen, ein Gegengewicht aufzubauen?“ Die Frage aus dem Publikum beantwortete Dippold folgendermaßen: „Die Tendenz in der bayerischen Politik war und ist es, München zur Hauptstadt auszubauen. Andere Bundesländer sind erst nach dem Zweiten Weltkrieg zusammengefügt worden, dort gibt es kein über viele Jahre aufgebautes Zentrum wie München, sondern Mehrpolarität. Außerdem: Beschäftigte in den Ministerien haben oft zu geringe Kenntnisse der Regionen – und nur mit Statistiken lässt sich nicht erfolgreich arbeiten.“


CSU-Ortsvorsitzender Reinhold Schweda (im Hintergrund) eröffnete den Politischen Aschermittwoch 2012.

Johannes Michel

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