Von Überwerfungsbauwerken, Lärmschutzwänden und Umweltkonzepten

Update am 1. Juli 2013 mit neuen Fotos!
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„Wir wollen die Wünsche und Bedenken der Bürger sammeln und erörtern und werden daher eine ICE-Konferenz einrichten.“ Dazu wird Breitengüßbachs Bürgermeisterin Sigrid Reinfelder in Kürze interessierte Bürgerinnen und Bürger einladen. „Es soll aber nicht um eine Grundsatzdiskussion gehen“, sagte sie im Rahmen einer Informationsveranstaltung mit Vertretern der Deutschen Bahn am 27. Juni 2013. Dieter Thormann, Projektleiter der DB Projektbau, stellte zusammen mit den Planern, den aktuellen Stand vor.

Als „prägend für Generationen“ bezeichnete Bürgermeisterin Sigrid Reinfelder die Veränderungen, die für die Gemeinde Breitengüßbach durch den Ausbau der ICE-Strecke entstehen. Wie genau die aktuellen Planungen aussehen, verrieten Dieter Thormann und Martin Eckert (Schüßler Plan) in der Gemeindeturnhalle, die fast bis auf den letzten Platz besetzt war.

Beginnen wir im Süden, noch im Gemeindebereich von Kemmern. Der beschrankte Bahnübergang wird entfallen und durch eine Überführung ersetzt, die an den vorhandenen Breitengüßbacher Kreisverkehr anschließen wird. Ausgelegt ist diese als Wirtschaftsweg, der wieder nach Süden in Richtung Kemmern führt. Im Rahmen der Baumaßnahmen muss auch die Autobahnbrücke der A73 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden (wir berichteten darüber bereits im September 2012), da sie für eine darunter verlaufende viergleisige Bahnstrecke nicht ausgelegt ist. Weiter geht es im Bahnhofsbereich. Dort wird ein Mittelbahnsteig entstehen, die beiden Regionalgleise verlaufen also in der Mitte, außen jeweils die ICE-Gleise. Durch eine Fußgängerunterführung mit Treppen und Rampen wird der Bahnsteig angebunden, die Mehrkosten der behindertengerechten Ausführung muss die Gemeinde bezahlen.

Infoveranstaltung ICE Bahnausbau Breitengüßbach 2013
Martin Eckert (am Mikrofon) stellte die Details der Planung vor.

Überwurfbauwerk bei Unteroberndorf mit Gleis auf Autobahnhöhe

Ebenfalls ersetzt werden muss die kleine Unterführung, durch die der Güßbach läuft. Sie soll künftig etwas größer und damit auch für Radfahrer passierbar sein. Auch hier ist die Gemeinde bei den Kosten mit im Boot. Neu gebaut wird die Brücke der BA16 in Richtung Zückshut, genauso wie die Brücke der Staatsstraße 2197 bei Unteroberndorf. Das Gleis nach Baunach wird die ICE-Strecke per Weiche überqueren.

Anstoß für Diskussionen war schon immer das geplante Überwurfbauwerk bei Unteroberndorf. Um nach Ebensfeld auf die Neubaustrecke abzweigen zu können, muss das rechte ICE-Gleis über die beiden Mittelgleise geführt werden. Damit liegt es zeitweise auf der Höhe der Autobahn. Auch die Staatsstraße selbst muss versetzt werden, da die Platzverhältnisse am Ortsausgang Unteroberndorf in Richtung Zapfendorf sehr beengt sind. Ebenfalls eng wird es nach der Durchführung der Gleise unter der Autobahn: Die Ebinger Mainschleife wird daher verlegt und zugleich renaturiert.

Infoveranstaltung ICE Bahnausbau Breitengüßbach 2013
Großes Interesse: Die Gemeindeturnhalle war gut besucht.

Durch Breitengüßbach werden auch drei bis vier Meter hohe Lärmschutzwände verlaufen, um die Grenzwerte (59 Dezibel am Tag, 49 in der Nacht in Wohngebieten) einhalten zu können. Wie genau die Wände ausgeführt werden, steht noch nicht fest. Thormann: „Wir arbeiten an Gestaltungskonzepten. Auch Transparenz oder Begrünung ist in Teilbereichen denkbar.“ Manche Gebäude werden zudem Anspruch auf passiven Schallschutz haben, also etwa auf den Austausch der Fenster und Rollladenkästen oder den Einbau von Schalldämpflüftern in Schlaf- und Kinderzimmern. Dies soll im konkreten Fall durch eine Begehung mit einem Sachverständigen festgestellt werden.

Umweltkonzept nahm einen Großteil der Redezeit ein

Die Gemeinde Breitengüßbach muss durch den Bahnausbau knapp 1,8 Millionen Euro aus eigener Tasche zahlen. Allein die Unterführung des Bahnhofs mit den behindertengerechten Rampen schlägt mit über 800.000 Euro zu Buche. Thormann bat um Verständnis, dass die Bahn auch wirtschaftlich denken müsse und nicht für städtebauliche Aspekte zuständig sei. In Sachen Radwegeverbindung nach Zapfendorf verwies Thormann auf die Straßenbaubehörden. „Meine Aufgabe ist der Bau einer Eisenbahnstrecke.“ Er sicherte aber zu, den Platz für einen möglichen Radweg nicht zu „verbauen“. Für vom Bau direkt betroffene Anwohner werde es ein Beweissicherungsgutachten geben, um eventuell entstehende Schäden ausgleichen zu können. Ab Herbst will die Bahn zudem in Breitengüßbach einen Informationspunkt am Bahnhof einrichten, der zu festen Zeiten besetzt sein soll.

Infoveranstaltung ICE Bahnausbau Breitengüßbach 2013
Dieter Thormann lauscht dem Vortrag von Martin Eckert.

Für Verstimmung im Veranstaltungssaal, der Gemeindeturnhalle, sorgte die Gewichtung des Vortrags. Für den genauen Streckenverlauf und die Lärmschutzplanung nahmen sich die Redner deutlich weniger Zeit als für die Umweltplanung und landschaftsgestalterische Maßnahmen. Kritisiert wurde auch, dass am Bahnhof keine Parkplätze mit eingeplant wurden. Ein Bürger regte an, im Rahmen des ICE-Ausbaus auch eine Ostumfahrung von Breitengüßbach vorzusehen, die Bahnhofstraße an den Brückenweg anzuschließen und damit eine durchgehende Verbindung zwischen Bahnhof und Friedhof herzustellen.

ICE-Ausbau Breitengüßbach Bahnhof
So soll es nach dem Ausbau am Breitengüßbacher Bahnhof aussehen.

ICE-Ausbau Breitengüßbach Zückshut
Auch die Brücke nach Zückshut wird neu gebaut.

ICE-Ausbau Breitengüßbach Bahnhof Luftbild
Luftbild: Neben der Mainschleife Ebing (links) wird es auch in Unteroberndorf zu Veränderungen kommen. Dort entsteht ein Überwerfungsbauwerk für den ICE (Bildmitte). Das Bild können Sie durch anklicken vergrößern.

 

Logo 260Kommentar: Zwischen Realität und Utopie

Stellen Sie sich vor, sie wären ein kleines Tier, ob Reptil, Schmetterling – sei’s drum. Plötzlich rücken Baumaschinen an, nehmen ihren Lebensbereich in Beschlag. Aber die netten Bauarbeiter denken mit und legen, hundert Meter neben Ihrem bisherigen Lebensraum, eine Ersatzwiese an – extra für Sie! Nach Abschluss der Baustelle dürfen Sie dann, wenn die Bahngleise verlegt, die Hänge begrünt und die großen Maschinen verschwunden sind, wieder zurück an Ihren ursprünglichen Wohnort. Schön und gut, super Idee eigentlich. Bleibt nur eine Frage: Wissen Sie als kleine Echse Bescheid, wo sie wann und wie leben dürfen?

Aber, Spaß beiseite. Nach Stillstand in den 1990er Jahren kommt gerade mehr als nur ein bisschen Bewegung in den ICE-Ausbau. Und das ist gut. Viele Zugfahrer werden von den um zwei Stunden verkürzten Reisezeiten zwischen München und Berlin profitieren. Die Anwohner, die während der Bauzeit erhöhtem Lärm ausgesetzt sind, dürfen auf ein ordentliches Schallschutzkonzept hoffen und leben, so die Theorie, nach 2017 ruhiger als bisher. Dazu ist es aber nötig, dass die Studien und Untersuchungen auch öffentlich gemacht werden. Nicht zu Unrecht kam in Breitengüßbach die Frage auf: Von welchen Geschwindigkeiten, Taktzeiten und Zügen geht das Schallschutzkonzept überhaupt aus? Ja, die Natur müssen wir schützen und die Folgen durch den Bahnausbau möglichst gering halten. Aber ein wichtiger Bestandteil der Natur sind auch wir Menschen – die gerne in den Planungen zu kurz kommen. Während die Naturschutzgesetze und -Verordnungen, ob FFH, Natura2000 und wie sie alle heißen, sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verschärft wurden, stammen die Lärmschutzverordnungen noch aus den 1970er Jahren. Hier gilt es also, für Gemeinden und Bürger, genau hinzuschauen, wenn die Pläne innerhalb des Planfeststellungsverfahrens in den Rathäusern ausgelegt werden.

Zugleich ist aber auch festzustellen: Die Bahn baut eine Bahnstrecke. Die in der Versammlung aufgekommenen Wünsche von Ostumgehung (um den Verkehr in Richtung Zückshut und zu den neuen Wohngebieten an der Muna aus dem Ort herauszuhalten) und Radweg sollten im Auge behalten, müssen aber von der Gemeinde noch stärker fokussiert und bei den zuständigen Behörden gefordert werden. Gleichzeitig bleibt zu hoffen, dass die Neubaustrecke in den kommenden Jahren auch endlich gebaut wird, mit den aktuell tätigen Planern. Denn Wechsel im Planungsstab und Verschiebungen hat es in den letzten Jahren genügend gegeben.

Johannes Michel. Grafiken: Deutsche Bahn.

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