Hallstadts Marktplatz neu entdeckt

Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an den Marktplatz in Hallstadt denken? Viel Verkehr, großer Parkplatz, schnell noch was fürs Abendessen besorgen? – Doch der historische Mittelpunkt von Hallstadt hat einiges mehr zu bieten. Mit offenen Augen ließen sich zahlreiche Hallstadter bei einer Marktplatzführung von Claudia Büttner über den Platz um die Kirche führen und sahen so vieles, woran sie bislang achtlos vorbeigelaufen sind.

„Eine Hallstadt-Führung in 30 Minuten, das ist lediglich ein Appetitanreger.“ So begrüßte Claudia Büttner die vielen Interessierten, die sich zum Start im Areal der Fischergasse versammelt hatten. Unter dem Motto Gestern – heute – morgen bot der Bürgerblock Hallstadt eine Informationsveranstaltung an. Mehr als 60 Gäste hatten sich in zwei großen Gruppen zur Führung über den Marktplatz eingefunden. Die versierte Stadtführerin freute sich über die Neugier und hatte auch gleich zu Beginn ein Schmankerl zu bieten: den sonst hinter Buchsbaumhecken versteckten Barocken Garten des Vogteihauses.

2014-Hallstadt-MarktplatzführungHoch interessiert lauscht die große Gruppe zwischen Himbeersträuchern für Limonade und dem Apotheker-Kräutergarten den Erklärungen Claudia Büttners.

„Auch wenn der Vogt kein Adeliger war, wusste er, wie man angenehm lebt.“ Natürlich macht der Garten Anfang Februar weniger her als wenn die alten Obstbäume blühen und die Kräuter ihren Duft verströmen. Dennoch ist die ehemalige Pracht der Anlage zu erahnen. So flaniert die Gruppe kurz durch den Garten. Eine kleine Brücke führt aus dem Garten über den inzwischen trockenen Seelagraben in den Hinterhof des Vogteihauses, und durch die Tordurchfahrt des Gebäudes gelangt die Gruppe auf den Martkplatz. Seit dem Mittelalter ist Hallstadt ein Straßenort, in dem immer viel Verkehr herrschte. An gleich zwei Handelsstraßen gelegen, wurde regelmäßig direkt an der Straße auch Markt gehalten. Der Platz entspricht auch heute noch etwa dem Gebiet des ehemaligen Königshofes – ist also das historische Zentrum Hallstadts.

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Rund um St. Kilian

Die spätgotische Hallenkirche St. Kilian wurde in mehreren Schritten ge- und umgebaut. So wurde das Obergeschoss des Turmes im 14. Jahrhundert aufgestockt wie auch der Chor eingezogen. Das Langhaus ersetzt erst seit dem 15. Jahrhundert das vorherige Kirchenschiff. Der Turm wurde als höchster Turm im Ort natürlich als Wachturm genutzt.

Natürlich dürfen bei einer Führung auch Anekdoten nicht fehlen: So erzählt Claudia Büttner nicht nur lebendig mittelalterliche Rechtsgebaren sondern auch, warum es auf der Nordseite der Kirche (leider zugeparkt von einem Auto) eine zugemauerte Tür gibt. Bis 1710 kamen die Kemmerner über die Flur in die Kirche nach Hallstadt, durch die Pfarrgasse und betraten durch das Nordportal die Kirche. Sobald Kemmern eine eigene Pfarrei hatte, haben die Hallstadter die Tür zugemauert. Das Außenareal war früher durch eine Akazienallee und viel Grün würdiger genutzt als heute als trister Parkplatz. Schließlich befindet sich unterhalb des heutigen Kriegerdenkmals auch der ehemalige Nordfriedhof. Der Kirchenpranger wurde bereits von der ursprünglichen Stelle auf dem Friedhof beim Bau des Langhauses umgesetzt und in die Mauer integriert.

2014-Hallstadt-MarktplatzführungHätten Sie gewusst, wohin die Treppe führt?

Auf der Chorseite der Kirche geht Claudia Büttner auf die Bedeutung des dreistöckigen Kirchturmes ein. Sie zeigt nicht nur die unterschiedlichen Bauweisen der nachträglich aufgetragenen Stockwerke, sondern weißt auch auf die noch Sichtbaren Spuren der Treppe und der zugemauerten Tür zum Wachturm hin, der ab ca. 1566 hauptsächlich für die nächtliche Feuerwache genutzt worden sei. – Ein Detail an dem vertrauten Gemäuer, das bislang wenige zur Kenntnis genommen hatten. Auch die Mauernische mit dem Dach, oft Abstellplatz für Fahrzeuge, lüftet sein Geheimnis. Auf der Fassade ist ein Fresko aufgebracht – in augenscheinlich schlechtem Zustand zeigt es die sieben Sakramente, wo sich einst das Sakramentshäuschen befand. Im Inneren ist dies durch den Einbau des Chores nicht mehr zu sehen.

Lebendiger Marktplatz

Das Rathaus, ein Prachtbau, zeigte früher, wie gut es der Stadt finanziell ging. Früher war es ein Multifunktionsbau ersten Ranges und beherbergte nicht nur Geräte zur Brandbekämpfung und des Bauhofes, sondern auch  Metzger und Bäcker in den Gewölbehallen. Dort war es schön kühl und die geeichten Maßeinheiten waren nicht weit. Noch heute hängt am Rathaus die Hallstadter Elle, direkt neben dem Pranger, falls doch einer versuchte zu betrügen. Im 1. Obergeschoß befand sich die Gerichtsstube des Bürgermeisters, eine Küche und ein Abtritt. Der Saal wurde auch für Feste genutzt. Im 2. Obergeschoss tagten die Ratsherren im kleinen Gerichtssaal und im Dach wurde Heu und Getreide gelagert. Für die Beförderung gab es ein extra Fenster, um die Säcke mit einem „Aufzug“ an der Fassade nach oben zu ziehen. Auch das ist heute noch erhalten. Eingebettet wurden Kirche und Rathaus nicht nur durch den Markt und die Handelsstraßen, sondern auch durch vornehmlich dem leiblichen Wohl dienlichen Etablissements. Neben Badestuben, mehreren Mühlen, Metzger und Bäcker befanden sich mehrere Gasthäuser und Brauereien in direkter Nachbarschaft, denn zumindest mit letzterem ließ sich damals noch Geld verdienen.

Viele neue Einblicke gab die Marktplatzführung, die dann doch länger als eine halbe Stunde dauerte, aber durch die Anekdoten und das Wissen von Claudia Büttner auch sehr kurzweilig war. Wie die halbstündige Führung kann und möchte dieser kleine Bericht gar keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Er soll vielmehr Anreiz bieten, mit offenen Augen durch Hallstadt – und auch andere Gemeinden zu gehen – Altbekanntes neu zu entdecken. Vielleicht gibt es auch in Ihrer Gemeinde Personen, die sich mit der Geschichte des Ortes auskennen. Vielleicht gibt es in der Geschichte unserer Heimatgemeinden auch Anregungen, wie man diese Orte wieder neu, besser oder würdiger nutzen kann.

 

Weitere Fotos von der Marktplatzführung in unserer großen Bildergalerie  (zum Öffnen einfach ein beliebiges Foto anklicken, zum Beenden der Anzeige das X in der linken Ecke oben wählen).

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