Im Titelbild: In diesem Bereich im geplanten Gewerbegebiet auf der Westseite der Bahn war eine Wohncontaineranlage für Flüchtlinge angedacht.
Ziel: Kontrolle behalten. Ergebnis: Kontrolle abgegeben. Die Sitzung des Gemeinderats zum Thema „Unterbringung von Flüchtlingen im Markt Zapfendorf“ verlief anders als geplant. Nun stellt sich die Frage: Wie geht es weiter?
Vor sieben Jahren waren die Zeitungen voll mit Meldungen zur damaligen Flüchtlingsthematik. Aktuell wird recht wenig darüber berichtet, obwohl die Zahlen immer weiter steigen und selbst die von 2015 übertreffen. Auch die Landkreise trifft dies momentan stark – nach dem Königsteiner Schlüssel werden Flüchtlinge bundesweit verteilt. Bereits im Juli wurden die Landkreis-Bürgermeister informiert, dass bestehende Leerstände gemeldet werden sollen. Häuser und Wohnungen reichen aber nicht aus, auch Container-Wohnanlagen sind angedacht [6]. Diese sollen zunächst in größeren Landkreisgemeinden aufgestellt werden, die über eine gute Infrastruktur verfügen. Dazu gehören eine ÖPNV-Anbindung, Schule, Kindergärten und Einkaufsmöglichkeiten.
„Im November haben wir zusammen mit dem Landratsamt und einem Betreiber solcher Anlagen mögliche Flächen in Zapfendorf besichtigt“, erklärte Bürgermeister Michael Senger am 12. Dezember 2022 den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten sowie den zahlreichen Besucherinnen und Besuchern der Gemeinderatssitzung. Von mehreren Grundstücken wurde abgeraten, als Favorit stellte sich eine gemeindeeigene Fläche auf der Westseite der Bahngleise, westlich des Edeka-Einkaufsmarktes, heraus. Rund 2.500 Quadratmeter ist sie groß, ca. 50 Container könnte sie fassen – um maximal 66 Personen unterzubringen. Der Gemeinderat sprach sich in nichtöffentlicher Sitzung damals dafür aus, dies weiterzuverfolgen. „Uns ist klar, dass eine solche Unterbringung alles andere als optimal ist, aber wir müssen als Markt Zapfendorf unseren Beitrag leisten, wir können uns nicht einfach wegducken“, so Senger. Weiter erklärte der Bürgermeister, dass im Falle der Wohnanlage der Markt mitgestalten könne – bei privaten Grundstücken, die sich das Landratsamt alternativ suchen könnte, wäre das nicht der Fall. Außerdem bestünde das Risiko, dass als Notunterkunft die Schulturnhallen genutzt werden müssten.
Die markierte Fläche im zukünftigen Gewerbegebiet auf der Westseite der Bahnstrecke war vorgesehen. Bild: Google Earth
Flüchtlingsbewegung reißt nicht ab
Uta von Plettenberg, im Landratsamt Bamberg zuständig für den Bereich Soziales, Familie, Jugend, Gesundheit, hatte weiterführende Informationen mitgebracht. Aktuell kämen jede Woche um die 30 Flüchtlinge neu in den Landkreis – vorwiegend aus Syrien, Georgien, Moldawien und Afghanistan, vereinzelt aus Russland. Die Bewegung ebbe voraussichtlich auch im neuen Jahr nicht ab. Im Falle der Errichtung einer Wohncontaineranlage in Zapfendorf versprach sie umfangreiche Unterstützung durch das Landratsamt, die VHS Bamberg Land habe zugesagt, Integrations- und Deutschkurse anzubieten. Bisher habe es in vergleichbaren Einrichtungen nur wenige Probleme gegeben, das Straftatenniveau sei sehr gering. Problematisch sei aber, dass die Flüchtlinge zunächst nicht arbeiten dürfen, da sie sich im Anerkennungsverfahren befänden. Wer genau nach Zapfendorf komme, wisse man noch nicht, Ziel sei aber, eine Durchmischung zu erreichen und beispielsweise nicht nur alleinstehende junge Männer unterzubringen.
„Es ist immer besser, etwas kontrolliert in der Hand zu haben als unkontrolliert reinzulaufen“, ergänzte Serkan Özcan, der den Betreiber der Wohncontaineranlage, die Steinwinkel Management GmbH, vertrat. Containerlösungen seien leichter zu handhaben als Häuser und Wohnungen mitten in Wohngebieten. Eine Security brauche es bei der recht überschaubaren Größe mit maximal 66 Personen nicht, sie könnte im Fall der Fälle aber gestellt werden. Diese Kosten übernehme dann ebenfalls die Regierung, so von Plettenberg.
Unterleiterbach prägt noch immer
Von Plettenbergs und Özcans Vorträge wurden mehrfach von Rufen aus dem Zuschauerraum unterbrochen. Die Stimmung war aufgeladen, auch Beleidigungen und Drohungen waren zu hören. Bürgermeister Michael Senger kündigte an, vom Hausrecht Gebrauch zu machen und Zwischenrufer des Saals zu verweisen – dazu kam es allerdings nicht. Auch im Gremium kochte die Stimmung hoch. Den Anfang machte David Saridžić (Zukunft Zapfendorf, ZuZ). Er griff von Plettenberg und Özcan scharf an. „Haben Sie sich die Situation in Zapfendorf wirklich mal angeschaut? Wir sind keine Stadt, wir haben keine freien Kapazitäten bei ehrenamtlichen Helfern oder bei den Ärzten. Unsere Bücherei und unsere Feuerwehr funktionieren nicht mehr, wir sind an der Grenze, auch bei der Schule.“ Bürgermeister Senger konnte den Einwand nicht verstehen – ihm sei nicht bekannt, dass es Probleme bei der Feuerwehr oder der Bücherei gebe. Von Plettenberg meinte, dass niemand erwarte, dass Zapfendorf eine städtische Infrastruktur wie Bamberg anbieten könne, dennoch sei eine ärztliche Versorgung vorhanden, es gebe ein reges Vereinsleben.
Auch dritter Bürgermeister Andreas Schonath (Wählergemeinschaft Oberleiterbach, WOB) äußerte Bauchschmerzen – und erinnerte an den Mord in der Flüchtlingsunterkunft in Unterleiterbach [8] vor bald sechs Jahren. „Die Leute sind beschäftigungslos und kommen dann auf falsche Gedanken.“ Auch Volker Dittrich (CSU) brachte das Thema Unterleiterbach ins Spiel – und fragte, wie lange die Einrichtung in Zapfendorf vorgesehen sei. Von Plettenberg sprach von einem zunächst dreijährigen Vertrag. Die Zahl der untergebrachten Personen könne man deckeln und dem Markt Zapfendorf damit zusichern, dass keine weiteren Unterbringungen im Gemeindegebiet erfolgen würden.
Fragende Blicke zum Schluss
Zweite Bürgermeisterin Sabine Köhlerschmidt stellte die wohl entscheidende Frage. „Was ist, wenn wir sagen, wir können das nicht stemmen oder wollen nicht mitmachen?“ Hier verwies von Plettenberg auf die Einführung durch Bürgermeister Senger – dann käme es womöglich zu Zwangseinweisungen wie in der Obdachlosenhilfe, etwa in leerstehende Gebäude oder Turnhallen.
Senger formulierte nach längerer Diskussion einen Beschlussvorschlag. Inhalt: Mit dem Landratsamt soll ein Vertrag für 36 Monate über die gemeindliche Fläche im geplanten Gewerbegebiet abgeschlossen, eine solche Wohncontaineranlage errichtet und die Personenanzahl im Markt auf gesamt 66 Personen begrenzt werden. Der Mietvertrag an sich mit den Details zur Ausgestaltung der Anlage wäre Teil einer nichtöffentlichen Sitzung. Hier gäbe es, so Senger, ebenfalls Gestaltungsmöglichkeiten. Nachdem sich Volker Dittrich mit einem Antrag auf namentliche Abstimmung durchgesetzt hatte, kam es zur Entscheidung. Und die endete mit einem Patt: Neun Gremiumsmitglieder votierten dafür, neun dagegen. Damit war der Beschlussvorschlag abgelehnt. Die Gemeinderäte Mona Bahr und Andreas Hofmann (beide ZuZ) sahen den Grund für die Ablehnung in der Formulierung des Beschlusses – er gehe zu weit, lege bereits den Partner fest, mit dem die Gemeinde arbeite. Es gebe hier keine vergleichenden Informationen. Auf jeden Fall zeigten sich teilweise lange Gesichter im Gremium.
„Ich verstehe den Beschluss nicht“, so Senger. „Wir haben damit die Kontrolle aus der Hand gegeben.“

