Im Titelbild: Erster Bürgermeister Hans-Jürgen Scheerbaum mit Ehrenbürger Gerhard Jäger und Ehefrau Sonngard Jäger
Außergewöhnlich war das Ereignis im Markt Rattelsdorf: die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Altbürgermeister Gerhard Jäger. Denn nach den Verstorbenen, Pfarrer Hans Kormann und dem ehemaligen Rektor Joseph Babo, ist er der Dritte, dem diese Ehre zu Teil wird. Noch außergewöhnlicher war jedoch der Ort der Urkundenübergabe: die katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul.
„Es war der Wunsch des zu Ehrenden“, so begann Erster Bürgermeister Jürgen Scheerbaum die Laudatio, „diesen Festakt am Epitaph des Pfarrers Johann Jakob Christoph Jägers abzuhalten“. Jener war von 1739 bis 1784 Pfarrer im hiesigen Kirchensprengel und ein Mann, dessen Verdienste großen Einfluss auf Altbürgermeister Jäger ausgeübt haben. Das Lebenswerk des Kirchenmannes solle noch von Professor Dr. Thomas Gunzelmann beleuchtet werden.
Erster Bürgermeister Hans-Jürgen Scheerbaum bei der Verlesung der Laudatio.
Doch zunächst richtete das Gemeindeoberhaupt die Aufmerksamkeit auf die Leistungen von Gerhard Jäger. Dabei war es ihm wichtig, diese nicht einfach aufzuzählen, denn das würde einem Nachruf gleichkommen. Scheerbaum erinnerte hingegen daran, dass es hier um einen Menschen ginge, und um das, was ihn ausmache. Die Ehrenbürgerwürde dürfe man nicht an die Anzahl von Jahren knüpfen, an Aufgaben, die jemand in einem Verein erfüllt hat. Wichtig sei es, dass die Ehrung ein Gesamtbild ergibt: „Ist dieser Mensch ein besonderer Mensch? Jemand, der zum Gesamtbild der Gemeinde, deren Reputation und Entwicklung beigetragen hat?“ – Und nachdem im Sommer 2023 der Antrag gestellt wurde, kam der Marktgemeinderat zu dem Ergebnis: „Ja, Gerhard Jäger hat die Ehrenbürgerwürde verdient!“
Jäger als Impulsgeber
Der frühere Volksschullehrer und SPD-Gemeinderat (1978 bis 1990) setzte in seiner Amtszeit als Bürgermeister von 1990 bis 2005 herausragende Meilensteine: den Neubau der Aussegnungshalle und Abtenberghalle, mehrerer Feuerwehrgeräte- und Dorfgemeinschaftshäuser sowie der Kläranlage und der Brücke über die B4. In der SpVgg Rattelsdorf (Alte Herren) und ihm Gesangsverein Liederkranz trat er als Impulsgeber und Stütze auf. Auch sein langjähriges Engagement als Organist in der Kirche prägte das kulturelle Leben. Mit historisch fundierten Vorträgen und Veröffentlichungen bereicherte Gerhard Jäger die Ortsgeschichte wie kein anderer. Ein wichtiges Werk war die Übersetzung der Chronik von Pfarrer Johann Jakob Christoph Jäger.
Festredner, Professor Dr. Thomas Gunzelmann (vormals BLfD), war Mitherausgeber des Sonderheftes über Rattelsdorf im Arbeitskreis „Heimat Bamberger Land“, welches vor 20 Jahren erschienen war. Jener signalisierte, dass es die Bescheidenheit des Geehrten auszeichne, dass er lieber den historischen Namensvetter in den Vordergrund stelle, der vor genau 240 Jahren verstorben war.
Prof. Dr. Thomas Gunzelmann neben der Gedenktafel für Pfarrer Johann Jakob Christoph Jäger (1739-1784) bei der Festrede über ihn.
Geboren wurde Johann Jakob Christoph Jäger im Jahr 1706 in Ebern, und sein Lerneifer fiel einem Gönner auf, der dessen Studium finanzierte. Am 3. Juni 1730 erfolgte die Priesterweihe und Jäger diente als Kaplan in mehreren Pfarrgemeinden der Diözese Würzburg, zu der seinerzeit auch Ebing und Rattelsdorf gehörten. In Döringstadt hatte er u.a. die Aufgabe, sich um die 1710 erbaute Kuratie- und Wallfahrtskirche Eggenbach zu kümmern. Jene stand unter dem Schutz des Klosters Michelsberg. Und dessen Abt Anselm Geisendörfer schlug Jäger 1739 für den Pfarrsprengel Rattelsdorf vor, wo er bis zum Lebensende blieb.
Gunzelmann schilderte ausführlich die Schwierigkeiten, mit denen die damalige Bevölkerung konfrontiert wurde. Die „Kleine Eiszeit“ hatte großen Einfluss auf die landwirtschaftlichen Erträge, was zu krisenhaften Erscheinungen, wie schwere Hungernöte führte. Auch die Wirren des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) waren in der hiesigen Gegend zu spüren.
Pfarrer Jäger lebte und wirkte nach dem Motto „Ut vincam, cum judicabor“ (= Damit ich siegreich bestehen kann, wenn ich gerichtet werde). Kulturelle und karitative Werke sind für ihn verbürgt. Darüber hinaus setzte sich der Geistliche für eine bessere Schulausbildung der Kinder ein und tätigte in seinem Testament mehrere Stiftungen, u.a. für die Bedürftigen der Pfarrei.
Namensvetter ließ die Marienfigur aufstellen
Um den katholischen Glauben in der Gemeinde zu manifestieren, ließ Jäger die Maria-mit-Kind-Skulptur auf dem Marktplatz aufstellen, die wohl als Relikt der neu errichteten Seesbrücke in Bamberg gedeutet werden darf. Ein überflüssiger Steinblock stand im Bamberger Burgershof, dem damaligen Bauhof der Stadt. Jäger ließ ihn nach Rattelsdorf bringen und wohl vom Hofbildhauer Ferdinand Tietz fertigstellen. Die Weihe der Figurengruppe fand im Jahr 1765, am Vorabend von Maria Himmelfahrt (15. August) statt. In der damaligen Festrede wurde der Gottesmutter „die Bekehrung des Itzgrundes“ ans Herz gelegt.
Am Ende seiner Ausführungen zeigte Professor Gunzelmann auf die sich neben ihm befindliche Gedenktafel. Sie erinnert an den „Jubel Priester Seelsorger und Vater der Armen …“. Der Kulturhistoriker schloss mit den Worten, dass es wert sei, sich auch heute noch mit dessen Leben und Wirken zu beschäftigen, – wozu der zu ehrende Altbürgermeister kräftig beigetragen habe.
Hans-Jürgen Scheerbaum gratuliert dem neuen Ehrenbürger Gerhard Jäger.
Sichtlich gerührt nahm der neue Ehrenbürger Gerhard Jäger im Anschluss eine Medaille und die Ehrenbürgerurkunde „in Anerkennung und Würdigung seiner großen Verdienste um den Markt Rattelsdorf“ vom Ersten Bürgermeister Hans-Jürgen Scheerbaum entgegen.
Orgelmusik gibt’s nur in der Kirche
Als Jäger schließlich seine Dankesworte an die Versammelten richtete, löste er das Rätsel um den außerordentlichen Veranstaltungsort auf. Er selbst durfte den angemessenen, feierlichen Rahmen mitbestimmen. Und da bereits seit seiner kirchenmusikalischen Prüfung im Jahr 1969 die Orgel ein wesentlicher Bestandteil seines Lebens war, habe er sich Orgelmusik gewünscht. Und die könne in Rattelsdorf nur in der Kirche stattfinden. Doch anstatt in der Rede das eigene Leben Revue passieren zu lassen, wie es bei einem solchen Anlass üblich ist, erklärte er die Musikauswahl aus dem Werkverzeichnis von Johann Sebastian Bach, und was sie für sein Leben bedeutet. Außerdem erklärte der frisch gekürte Ehrenbürger, dass er sich stets aus der aktuellen Kommunalpolitik herausgehalten habe. Allerdings bewege ihn das Ergebnis der letzten Europawahl, in denen eine Partei in der Gemeinde Rattelsdorf 24,1 Prozent Stimmen erhalten hat, und er warnte vor der Umsetzung ihrer Gedanken. Man dürfe nicht darauf warten, dass es sich legt, appellierte er, jeder einzelne sei gefordert!
Festredner Professor Dr. Thomas Gunzelmann, der langjähriger politischer Weggefährte Altlandrat Dr. Günther Denzler, Ehrenbürger Gerhard Jäger, Gattin Sonngard Jäger und Erster Bürgermeister Hans-Jürgen Scheerbaum.
Regionalkantor und Organist Karl-Heinz Böhm beim Orgelspiel.
Umrahmt wurden die Abschnitte des Festaktes vom Spiel des Organisten Karl-Heinz Böhm auf der 1980 eingebauten Orgel des Nürnberger Orgelbaumeister Volkmar Krätzer. Virtuos beherrschte der Regionalkantor die festlichen Musikstücke aus der Feder von Johann Sebastian Bach (Toccata – Adagio – Fuge/BWV 564) sowie das Choralvorspiel „Schmücke dich, o liebe Seele“ (BWV 654), und verlieh damit der Feier eine außergewöhnliche Würde. Die zahlreichen Gäste wurden zudem aufgefordert, bei dem Lieblingslied des Geehrten „Wenn ich, o Schöpfer, deine Macht“, nach dem Text von Christian Fürchtegott Gellert (1757) in voller Leidenschaft mitzusingen. Die Worte der Zweiten Strophe: „Mein Auge sieht, wohin es blickt, die Wunder deiner Werke; der Himmel, prächtig ausgeschmückt, preis dich, du Gott der Stärke“, hätten nach den Worten des neuen Ehrenbürgers als Motto ihre Gültigkeit in der heutigen Zeit nicht verloren.