Weinbau, Frondienst und Seelenheil

Chronisten schreiben das Jahr des Herrn 1221. Franz von Assisi stellt die (zweite) Ordensregel der Franziskaner auf. Nach einen Großfeuer lässt Bischof Ekbert Graf von Andechs-Meranien gerade den zweiten Bamberger Dom errichten. Und Heinrich von Schletten fürchtet um sein Seelenheil, verzichtet zugunsten des Klosters Michelsberg auf die Vogtei „Leiterbach“, mit der er einst vom Abt gelehnt wurde. Er ist die erste gesicherte Quelle, in der das Dörfchen Oberleiterbach einen Platz in der Geschichte findet.

„Man darf jedoch davon ausgehen, dass der Ort noch viel älter ist“, erläuterte Dr. Thomas Gunzelmann, stellvertretender Referatsleiter Siedlungs- und Kulturlandschaftsdokumentation am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, im voll besetzten großen Saal des Gemeinschaftshauses seinen interessierten Zuhörern. Wie alt genau, das sei schwierig zu sagen, sei doch die Unterscheidung Unterleiterbach und Oberleiterbach erst eine aus der jüngeren Zeit. Früher habe man schlicht von „Leiterbach“ gesprochen, bereits um 800 sei ein solches erwähnt – jedoch sei davon auszugehen, dass es sich um Unterleiterbach handelte. „Ich vermute, dass es den Ort schon in karolingischer Zeit gab, wohl um 900 oder 1000.“ Schriftliche Nachweise aber gibt es keine. Dafür gibt es selbst aus der Eisenzeit menschliche Spuren rund um Oberleiterbach: Im Flurstück Hagenbüchlein Richtung Kleukheim und am Kohlanger Richtung Unterleiterbach sind Hügelgräber zu finden, die aus der Hallstadt- und frühen Latène-Zeit stammen dürften.


Historische Aufnahmen …


… zeigen das Leben in Oberleiterbach vergangener Jahre.

Name wohl von „Leite“

Doch was bedeutet er, der Ortsname Oberleiterbach? – Gunzelmann fußte diesbezüglich auf den Forschungsergebnissen von Dr. Dorothea Fastnacht zurück. Die wahrscheinlichste Deutung sei, dass es er von „Leite“, also dem fränkischen Begriff eines steilen Hangs, stamme. Oberleiterbach sei schließlich von fast allen Seiten von Anstiegen umgeben.

Im Mittelalter war die Geschichte Oberleiterbachs untrennbar mit der des Klosters Michelsberg in Bamberg verbunden, das der erste Bamberger Bischof Eberhardt 1015 gründen ließ. In Oberleiterbach stand einer der 13 Haupthöfe (principalia curtis). Dieser war so wichtig, dass sogar, wie im Mittelalter üblich, Urkunden gefälscht, also zurückdatiert wurden. Die bäuerlichen Untertanen hatten Abgaben und Frondienste an den Grundherren. Geleitet wurde das System vom auf dem Klosterhof ansässigen Meier, der im Obermainraum meist Hofmann genannt wurde. Ab 1366 wurde der Klosterhof (heute Laurentiusring 4 und 8) verpachtet und später auf Erbrecht verliehen. Abgaben an den Grundherrn waren aber natürlich weiter zu leisten: Bischof, Kloster und die Kirche selbst wollten entlohnt sein. Damit das auch klappte und notfalls Recht durchgesetzt werden konnte, wurden Vögte eingesetzt. Und über dieses Amt kamen auch die Marschalke von Kunstat (später Ebneth) zu Jahrhunderte währenden Besitzungen in Oberleiterbach.


Dank für die Ausführungen: Kirchenpfleger Ludwig Hennemann (re.) überreichte Dr. Thomas Gunzelmann eine Jubiläumskerze „500 Jahre Sankt-Laurentius-Kirche“.

Vier Käse zu Pfingsten

Dank einer vorzüglichen klösterlichen Buchführung lässt sich nachvollziehen, dass in „Obernleiterpach“ 1323/28 neun Bauern Zinsen von einer Hube (mansum) und drei weitere von einem Lehen (feudum) entrichteten. Die Abgaben waren nicht wenig, aber doch erträglich, wie Dr. Gunzelmann am konkreten Beispiel aufzeigte. In den Quellen heißt es: „Heinrich Hornung von einer Hube steuert an Walpurgis (1. Mai) und an Martini (11. November) jeweils ein Pfund Denare (Pfennige), außerdem 2 Sümmer Korn (ca. 600 l), an nativitas (Weihnachten) 2 Hühner; an carnisprivum (Fassnacht) 1 Huhn, an pascha (Ostern) 60 Eier, an pentecoste (Pfingsten) 4 Käse.“ Elf Huben – große Ackerflächen –  ließ das Kloster bewirtschaften, die später in immer kleinere Teile zerbrochen wurde. Das Dorf wuchs – und die Oberleiterbacher brauchten Broterwerb. Die Selden (Sölden) entstanden.

Bedeutend war nicht nur der Klosterhof: Oberleiterbach war mit seinen 25 Weingärten nördlich des Dorfes im Spätmittelalter auch ein bedeutsamer Weinbauort für das Kloster (montis monachorum). Der Rückgang des Weinbaus setzte um 1560 mit der sogenannten kleinen Eiszeit ein, der 30-jährige Krieg tat sein übrigens. Jedoch lasse sich noch 1801 ein Lätterbocher Weinberg in Oberleiterbach nachweisen, der damals dem Kloster Banz lehenbar war, so der Fachmann.

Bis zur Säkularisation

„Am Ende des Alten Reichs gehörte Obereiterbach zum Hochstift Bamberg, dessen Amt Lichtenfels die hohe und niedrige Gerichtsbarkeit ausübte und Steuern, also Abgaben an den Landesherrn, einzog“, erklärte Dr. Thomas Gunzelmann. Das Kloster Michelsberg prägte noch immer, als mit Abstand größter Grundherr, die Geschehnisse im Ort. Und Lätterbach war ein vergleichsweise wohlhabendes Bauerndorf. „Handwerker gab es nur, soweit sie der Versorgung der Landwirtschaft dienten.“ Ein Zimmermeister, ein Schuhmacher, zwei Weber und ein Schmied gingen ihrer Arbeit nach, außerdem gab es zwei Wirte – und einige Einwohner betrieben gemeinsam ein Brauhaus. Bereits im 18. Jahrhundert gab es eine Schule. „Mit dem Übergang des Hochstifts Bamberg an Bayern im Jahr 1802 und damit auch der Aufhebung des Klosters Michelsberg ging die jahrhundertealte wesentliche Einflussnahme des Klosters auf das Dorf zu Ende“, führte der Fachmann aus.

Während sich die Bevölkerungsentwicklung in den zurückliegenden Jahrhunderten kaum veränderte, von den Auswirkungen des Krieges einmal abgesehen, so gebe es erst in jüngerer Zeit eine leichte siedlungsmäßige Aufwärtsentwicklung. Einher ging die Stagnation der Landwirtschaft, Oberleiterbach wurde Wohnstandort. „Bei den erheblichen Qualitäten des Ortsbildes und des Landschaftsbildes muss man sich allerdings für die Zukunft eine sehr sensible Planung wünschen“, schloss Dr. Thomas Gunzelmann seine Ausführungen.

Martina Drossel
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