„faces for the names“ in Reckendorf

Im Titelbild: Das Gesicht von Moses Schloss exemplarisch für alle ehemaligen Juden aus Reckendorf an der Fassade der ehemaligen Synagoge

Moses Schloss aus Reckendorf, einst zweiter Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Temple-Emanu-El in New York, war das Gesicht, das der Aktionskünstler Terry Swartzberg (München) für die Gedenkveranstaltung „faces for the names – Jüdisches Leben und Leiden“ für Reckendorf ausgewählt hatte.

Zwar gab es etwas Irritation wegen unterschiedlich bekannt gegebener Startzeiten und -orte, doch nutzte Bürgermeister Manfred Deinlein diese, um auf die in der „Ehemaligen Synagoge – Haus der Kultur“ stattfindende Ausstellung „Vergissmeinnicht“ des Friedrich-Rückert-Gymnasiums Ebern einzugehen. „Das Verbrechen bekomme einen Namen, es ist unter uns passiert“, erklärte er das Unfassbare. Von den 1,5 Millionen umgebrachten Kindern stammten 22 aus dem Landkreis Ebern, und einer aus Reckendorf (sein Name: Ludwig Schmitt).

Terry Swartzberg stellt sich und sein Projekt in der Ehemaligen Synagoge vor. Im Hintergrund die Ausstellung „Vergissmeinnicht“

Deinlein freute und bedankte sich, dass nach der überwiegend in Bamberg stattgefundenen Gedenkaktion im Landkreis sein Ort Reckendorf ausgewählt worden war. Der aus Manhattan stammende Reformjude Swartzberg erklärte seine Beweggründe, warum er sich unter anderem um die Stolpersteinverlegungen, der größten Gedenkprojektion der Welt, kümmere. Er selbst habe noch keine Erfahrungen mit Antisemitismus in Deutschland gemacht und hätte auch keine Angst während der Aktionen, denn „Ihr seid ja hier als Schutz“ richtet er seine Worte an die beachtliche Zahl der Zuhörer. Seine Geschichten und seine Gebete, darunter auch ein Kaddisch (Erinnerungsgebet an die Toten) zogen alle Anwesenden in den Bann.

Geschichte per Lichtprojektion

Als es ausreichend Dunkel war, begann der Rundweg im Ort, der an die früher in Reckendorf lebenden Juden erinnern sollte. Neben Moses Schloss wurden Jahreszahlen mit Kurzereignissen mittels Lichtprojektion an die Häuserwand der ehemaligen Synagoge geworfen. Helfer waren hier Christoph Nitschke und Beate Schutzmann. So wurden im Jahr 1501 erstmals Juden schriftlich fassbar, die in Reckendorf gelebt hatten. Terry Swartzberg forderte die Teilnehmer auf, während der Präsentation Wissenswertes dazu beizutragen, was die Veranstaltung überaus bereicherte.

Es ging weiter in die Bahnhofstraße und der Bürgermeister wählte das Haus der Nathan-und-Rosa-Walther’schen Kinderheimstiftung, Nr. 16, neben dem Rathaus aus. Der Stiftungswille Emanuel Walthers sah die Gründung einer Kinderbewahranstalt vor, in der Kinder gleich welcher Religion ein Zuhause finden sollten. Das wurde am 6. Juni 1905 konstatiert. Da die Stiftung der christlichen Allgemeinheit diente, überstand sie auch die Zeit des NS-Regimes. Als besonderer Höhepunkt darf das jiddische Partisanenlied gesehen werden, das Jochen Lupprian in Erinnerung an die für Deutschland im Ersten Weltkrieg kämpfenden Juden interpretierte.

Jochen Lupprian singt das jiddische Partisanenlied eines Frontkämpfers des Ersten Weltkriegs im Gedenken an alle jüdischen Teilnehmer, rechts daneben: Aktivist Terry Swartzberg, München.

Etwas irritierend war die Tatsache, dass der Erste Bürgermeister die Installation vor einer früheren Brauereigaststätte am Dorfplatz aufstellen ließ, die nichts mit der jüdischen Geschichte von Reckendorf zu tun hatte. Auch nach Umschwenken auf das Nachbarhaus verwechselte er die Biografie des früheren Besitzers Isidor Schmitt, designiert als Deportierter und Ermordeter, mit der seines Bruders Josef. Hier sprang der heutige Hauseigentümer Franz Kuhn ein und erzählte über die noch rechtzeitig ausgewanderte Familie, die in Amerika ein neues Zuhause gefunden hatte. Zum Abschluss wurde unter dem Angesicht von Moses Schloss vor der Kirche ein gemeinsames Gebet gehalten. Da gleichzeitig in der Kirche ein Gottesdienst stattfand, verspürten die Anwesenden ein Zeichen der Verbundenheit und Gemeinschaft. Lange nach Ende der Veranstaltung standen die Reckendorfer noch an diesem Ort und diskutierten in Betroffenheit, wie das Gedächtnis an die früheren Mitbürger auch in Zukunft wachgehalten werden könne.

Wer die Gesichter der 1933 in Schutzhaft genommenen Isidor und Josef Schmitt kennenlernen möchte, muss auf den zweiten Band der Chronik von Prof. Andreas Dornheim warten. Zu wünschen wäre es gewesen, dass das bekannte Bild der Gemahlin von Moses Schloss, Amalie, die 1819 als Mitglied der Familie Walther in Reckendorf geboren worden war, ebenfalls in der Projektion erschienen wäre.

Finanziert wurde das Projekt unter anderem von „Demokratie leben“, Zusammen für Demokratie in Stadt und Landkreis Bamberg, iSo (innovative Sozialarbeit) und dem Landkreis Bamberg

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