Das Grauen beginnt im Vorgarten – Problemfall Schotterwüste

Im Titelbild: Schwarze Steinschüttung im Vorgarten – Was im Winter düster und trostlos wirkt, heizt sich im Sommer extrem auf.

„Über Geschmack lässt sich streiten. Über Ökologie nicht.“ So formuliert es Bayerns Umweltminister Thomas Glauber, wenn es um die sogenannten Schottergärten geht. Im Rahmen des „Blühpakt Bayern“ ist die Ökologie vor der eigenen Haustür Thema. Es geht um den Schutz unserer Lebensgrundlage angesichts des Klimawandels – und darum, wie jeder und jede einzelne mit dieser Verantwortung umgeht.

Was Fachleute bis vor wenigen Jahren noch als Witz äußerten – „Na, dann betoniert euren Garten am besten zu…“ – heute ist es traurige Wirklichkeit. Während sich ein wachsender Teil der Bevölkerung zu Recht Gedanken um den Verlust des Artenreichtums in unserer Umwelt macht, ist ein spezielles Segment begeisterter Häuslebauer munter dabei, auch noch den letzten Zipfel ihres teuer erworbenen Grundstücks hermetisch zu versiegeln. Doch warum das?

Die Umgebung, in der wir aufwachsen, prägt unsere Sicht der Welt. Der private Garten ist ein Stück Natur vor der Haustür, eine grüne Oase, ein Rückzugsraum in hektischen Zeiten, der uns im wahrsten Sinn des Wortes „erdet“ und gesundes Obst und Gemüse produziert. Der Kontakt zur Natur hat Einfluss auf unser Wohlbefinden, unsere Zufriedenheit und sogar unsere Gesundheit. Allein der bloße Anblick von Grün kann Heilungsprozesse beschleunigen, wirkt beruhigend und hilft beim Abbau von Stress.

Der häufig unterschätzte Wert von Grün in Wohnsiedlungen liegt darüber hinaus in der positiven Wirkung auf das Kleinklima. Bäume werfen Schatten und kühlen die heiße Sommerluft durch Verdunstung von Wasser. Auf begrünten Flächen wird der Abfluss von Regenwasser gebremst; ein Teil des Wassers versickert schon vor Ort. Alle Pflanzen filtern Verunreinigungen und Feinstaub aus der Luft und produzieren Sauerstoff. Nicht zuletzt bietet das Ortsgrün Lebensraum für heimische Tiere.

Eigentum verpflichtet

Wer einen Garten besitzt, darf ihn nach eigenen Vorstellungen gestalten. Wie in jedem Bereich unseres Lebens ist auch die Gartengestaltung Moden und Trends unterworfen. Ein Freibrief ist das allerdings nicht. Denn auch für den Garten gilt, was das Grundgesetz über privates Eigentum sagt: „Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Minimalistische Schotterwüsten, dekoriert mit einem vereinsamten Buchsbaum, versiegelt mit Wurzelschutzfolie und aufgeschüttet mit allem an Gestein, was der Baustoffhändler eben liefern konnte, widersprechen nicht nur der grundsätzlichen Definition eines Gartens, sondern auch der Bayerischen Bauordnung. Dort ist in Artikel 7(1) festgehalten, dass Grundstücksflächen, die nicht anderweitig genutzt werden, einzugrünen sind.

Ein artenreicher, pflegeleichter Saumstreifen am Gebäude bietet Lebensraum und Blütenpracht zugleich

Es gibt keinen pflegelosen Garten

Ein Dialog mit Schottergarten-Fans läuft häufig auf die Aussage hinaus, der Garten solle möglichst pflegeleicht sein. Dabei wird allzu oft „pflegeleicht“ gesagt und „pflegelos“ gemeint. Der Wunsch, sich die Pflege des Gartens zu erleichtern, ist sicher nachvollziehbar. Doch wer Folie und Gesteinsmassen einbaut und sich vorstellt, damit sei Bewuchs ab sofort ausgeschlossen, dem unterläuft ein kapitaler Irrtum. Denn diese Rechnung geht nicht auf.

Ein Blick in die freie Natur genügt, um den Denkfehler zu erkennen: In Mitteleuropa sind Schotter- oder Kiesflächen ohne Bewuchs extrem selten zu finden. Es gibt sie nur da, wo Naturgewalten ständig Material bewegen. Beispiele sind Schotterhalden unterhalb von Felsköpfen, die durch Verwitterungsprozesse entstehen und ständig nachrutschen, oder Kiesbänke an Flüssen, die bei Niedrigwasser sichtbar sind und bei Hochwasser wieder überschwemmt werden. Kommt diese Dynamik aus irgendeinem Grund zur Ruhe, grünt sich eine offene Fläche aus Lockergestein innerhalb weniger Jahre von selbst ein. Zahlreiche Pioniergewächse haben sich darauf spezialisiert, nackte Stellen in der Landschaft möglichst effektiv mit einem grünen Mantel zu bedecken.

Das passiert auch im Vorgarten, Wurzelschutzfolie hin oder her! Zwischen den Steinen lagert sich durch Luftbewegung Staub und organische Substanz an. Erste Kräuter keimen, Moose kommen dazu, abgestorbene Pflanzenmasse wird zu Humus – und schon hat das nächste Samenkorn bessere Überlebenschancen. Dass die Wurzeln von einer Folie gebremst werden, stört die robusten Alleskönner unter den Pflanzen wenig. Sie wurzeln einfach flacher. Wie gut dichte natürliche Vegetation mit geringer Bodenauflage leben kann, wissen alle, die schon einmal in den Alpen oder der Fränkischen Schweiz wandern waren. Nur da, wo Füße ständig einen Trampelpfad benutzen oder Maschinen einen Feldweg befahren, wächst wirklich nichts im Schotter.

Ein ehrgeiziger Schotter-Purist wird also wohl oder übel gezwungen sein, spätestens im dritten oder vierten Jahr nach der Neuanlage seiner Lava-Wüste ans Unkraut-Zupfen und Blätter-Lesen zu gehen. Das dürfte alles andere als arbeitssparend sein.

Finger weg von der chemischen Keule!

Laut Pflanzenschutzgesetz ist der Einsatz von Unkrautvernichtern jeder Art auf befestigten Flächen streng verboten. Dazu zählt auch Gartenfläche, die mit Folie abgedeckt und mit Schotter aufgefüllt wurde!

Grund für das Verbot: Befestigte Flächen haben keinen Puffer oder Filter für schädliche Stoffe. Sie werden durch Regen abgespült, gelangen in die Bäche, töten Wasserlebewesen und verseuchen das Grundwasser. Das ist kein Kavaliersdelikt. Deshalb Finger weg von Chemie im Hausgarten!

Willkommen im Backofen

Bereits jetzt berechnen Klimamodelle die durchschnittliche Temperatur von Innenstädten als 5 bis 10 Grad höher im Vergleich zum Umland. Im Zug der Klimaveränderung steigt die Häufigkeit von Hitzewellen. Kein Wunder, dass Fotos von geschotterten Vorgärten ohne Baum und Strauch mit schöner Regelmäßigkeit heruntergelassene Rollläden an den dazu gehörigen Wohnhäusern zeigen. Stein heizt sich in praller Sonne auf wie ein Ofen und gibt diese Wärme auch lange nach Sonnenuntergang noch an die Umgebung zurück. Von Abkühlung an heißen Sommertagen ist in solchen Hitze-Fallen nur hinter verschlossenen Läden zu träumen.

Ökologie ist keine Frage des Stils

„Geschmacksache“ sind ausgeräumte Gärten, in denen flächig auf vegetationslose Steinschüttungen gesetzt wird, also tatsächlich nicht. Sie sind ein ökologischer Totalausfall, der nicht einen einzelnen Grundstücksbesitzer, sondern die Allgemeinheit trifft.

Die gute Nachricht am Schluss: Egal ob schlichte Gestaltung mit klaren Linien oder romantischer Rosengarten – jeder Gartenstil lässt sich im Einklang mit der Natur umsetzen. Selbst für Menschen ohne grünen Daumen gibt es ökologisch vertretbare, pflegeleichte Gartenlösungen. Alle, die sich am Ende eingestehen, dass sie – vielleicht falsch beraten – mit ihrem „modernen“ Schotter-Entrée eine Fehlentscheidung getroffen haben, können das Ruder herumreißen. Grünen Sie die Wüste einfach wieder ein, mit bunten Blumen, wenn’s geht! Passende Tipps finden Sie in den Veröffentlichungen des „Blühpakt Bayern“. Außerdem gibt die Kreisfachberatung für Gartenkultur und Landespflege im Landratsamt Bamberg Hilfestellung bei der Gestaltung pflegeleichter Gärten.

Landratsamt Bamberg. Fotos: LRA Bamberg / Alexandra Klemisch

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