Von Kirchschletten ans Ende der Welt

Globetrotter Reinhold Bayer aus Zapfendorf / Kirchschletten ist viel in der Welt herumgekommen. Amerika, Kanada, Russland, Afrika, Australien, kreuz und quer durch Europa. Von Dezember 2016 bis März 2017 führte ihn der Weg nach Down Under, auf die gegenüberliegende Seite der Erde – Antipodia. Ein Reisebericht …

Nach einem Flug über zwölf Zeitzonen ist Auckland, mit 1,4 Millionen Einwohnern die größte Stadt Neuseelands, erste Station der Reise.  Zwei Gepäckstücke – ein großer Radkarton und ein Seesack mit den restlichen Utensilien müssen reichen. Fahrradlenker gerade gestellt, Pedale angeschraubt, sechs Packtaschen ans Rad gehängt – nichts gebucht – und schon geht sie los die Fahrt ins Ungewisse – Abenteuer pur.

Der Radweg vom Flughafen führt direkt in die pulsierende Metropole Auckland hinein. Der Linksverkehr ist gewöhnungsbedürftig und bedarf äußerster Wachsamkeit. An einer roten Ampel bietet ein Motorradfahrer seine Hilfe an. Diese Offenheit und Hilfsbereitschaft der Neuseeländer wird nun in den nächsten Wochen ständiger Begleiter sein. Langsam voraus fahrend zeigt er den Weg zu einem Backpackers-Hotel, der klassischen Übernachtungsmöglichkeit für Rucksacktouristen und Abenteurern aus aller Welt. Man kann zwischen Einzelzimmer und Mehrbettschlafräumen wählen. Treffpunkt ist die Gemeinschaftsküche, wo meist gemeinsam gekocht wird. Vor allem bekommt man hier die besten Reisetipps, welche die Pflichtlektüre für Reisende -„Lonely Planet“ – nicht bieten kann. Ein buntes Vielvölkergemisch gibt Einblick und Verständnis für andere Kulturen.

An Heiligabend zeigt das Thermometer 25 Grad Hitze um Mitternacht. Ein Besuch der Christmette in der größten Kathedrale des Landes darf dennoch nicht fehlen. „Stille Nacht, Heilige Nacht“ – „silent night, holy night“ – in der dunklen Kirche aus 1.000 Kehlen gesungen, da bekommt selbst der härteste Globetrotter weiche Knie.

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Schwere Erdbeben haben wir längst vergessen

Am Feiertag werden gemeinsam Plätzchen gebacken. Wildfremde Menschen aus Argentinien, Uruquay, Kanada, China, Japan, Malaysia und Deutschland versammeln sich an einem Tisch. Verschiedenste Religionen von Christen über Sikhs, Moslems und Atheisten – Weihnachten nicht hinter Kirchentüren, sondern im Umgang miteinander und im Herzen.

Am zweiten Feiertag, dem Boxing day, der hier verkaufsoffen ist, geht es richtig los. 1.000 Kilometer auf Landstraßen immer Richtung Süden. Vorbei an erloschenen Vulkanen und herrlichen Kraterseen. Vulkanismus ist auf der Nordinsel Neuseelands das vorherrschende geologische Phänomen. Das Wetter ist anfangs traumhaft – trocken und heiß. Ein neuseeländischer Sommer, der das Übernachten im Zelt erlaubt. Silvester und Neujahr werden auf einem Campingplatz mit Einheimischen gefeiert. Nach zehn Tagen ist Wellington, die Hauptstadt, erreicht. Herrlich an mehreren Buchten gelegen und mit 600.000 Einwohnern recht überschaubar. Sraßencafés und Outdoorläden prägen das Bild, Neuseeland ist das Land des Outdoorsportes. Die Stadt kann sehr gut mit dem Rad erkundet werden, es gibt viele Radwege. Ein Besuch des Parlamentes ist ein weiterer Höhepunkt.

Nach drei Tagen geht es mit der Fähre in vier Stunden Fahrt hinüber nach Pikton auf die Südinsel, weiter immer auf der Küstenstraße im Westen Richtung Süden. Das Wetter schlägt um. Der kälteste und regenreichste Sommer seit der Wetteraufzeichnung steht bevor. Vom Tasmanischen Meer ziehen Unwetter herauf. An Camping  ist nicht mehr zu denken. Also wieder Backpacker-Hostels. Dann in Greymouth – um dem Wetter zu entkommen – Flucht über den 1.000 Meter hohen Arthers Pass hinüber an die Ostküste nach Christchurch. Das Wetter bessert sich. In Europa hat man vergessen, dass diese Stadt  2010 und 2011 von zwei schweren Erdbeben heimgesucht wurde. Die Innenstadt wirkt noch wie eine Geisterstadt, der Wiederaufbau dauert an. Aber die Stadt versprüht einen Optimismus und Lebensfreude – die Menschen lachen wieder.

Die Südinsel liegt in einer Erdbeben-gefährdeten Zone. Hier prallen die asiatische und pazifische Erdplatte aufeinander- man erwartet in den nächsten Jahren den ganz großen Crash. Nach zwei „Sightseeing“-Tagen geht die Fahrt diesmal an der Ostküste entlang Richtung Süden. Dunedin – eine schottisch geprägten Stadt. An einem steilen Anstieg hält ein Pick-up an. Fahrrad und Biker werden aufgeladen. Die Fahrt geht zum Privathaus der neuseeländischen Familie, deren Tochter in Berlin studierte. Von der Straße weg eine Einladung an einen Fremden, zwei Tage zu bleiben – grenzenloses Vertrauen und Gastfreundschaft. Nach solchen Erlebnissen ist es schwer zu gehen, anderswo werden Menschen weggeschickt oder sind nicht willkommen! Hier Willkommenskultur pur!

Zwölf Wochen unterwegs

Auf der Südroute – der „South Scenic Route“, geht es die letzten 300 Kilometer Richtung der Südspitze des Landes. Das Wetter ist wieder schlecht – peitschender Regen, Kälte, Gegenwind. Endlich – nach fünf harten Tagen ist Bluff erreicht, die südlichste Stadt Neuseelands, nur noch 3.000 Kilometer von der Antarktis entfernt.

Dann geht es mit der Fähre über die Foveaux Street hinüber zur dritten großen Insel, Stewart Island. Ein Paradies auf Erden – Natur pur, denn 90 Prozent der Insel sind Nationalpark. Auf  mehrtägigen Touren in absoluter Wildnis und nahezu völliger Einsamkeit wird der Regenwald mit seiner phantastischen Fauna erkundet. Übernachtet wird in einfachen Hütten mit Matratzenlagern oder im Zelt. Kiwis, Pinguine und Seelöwen können an vielen Stellen beobachtet werden. Man trifft immer wieder auf Spuren der Ureinwohner, der Maori, die ab dem 15. Jahrhundert aus Polynesien eingewandert sind. Die spätere Besiedelung erfolgte durch schottische Einwanderer erst im 19 Jahrhundert. Von Stewart Island aus erfolgte dann erst die weitere Besiedelung der beiden Hauptinseln.

Ein weiterer Höhepunkt der Fahrt war das Arbeiten in einer Lachsfarm. Die bis zu einen Meter langen Wildlachse aus dem Südpolarmeer wurden filetiert, entgrätet, mariniert und dann über Manuka-Holz geräuchert, abgepackt und versandfertig für den Binnenmarkt gemacht.

Nach zwölf Wochen hieß es leider sehr schweren Herzens, Abschied zu nehmen von einem besonderen Land am anderen Ende der Erde. Neuseeland, ein sehr junges Land mit wenig Traditionen. Aber dies muss kein Nachteil sein. Ansteckend ist der Optimismus der Menschen, deren Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit gerade Fremden gegenüber. Positives Denken und ein nach vorne gerichtetes Leben – kein langes Nachtrauern von verpassten Möglichkeiten! Ja – morgen ist ein neuer Tag, eine neue Chance!

 

Reinhold Bayer ist 63 Jahre alt und hat drei erwachsene Kinder. Geboren ist er in Zapfendorf, heute wohnt er in Kirchschletten. Nach seinem Lehramtsstudium in Würzburg, München und Erlangen arbeitete er als Lehrer in Nürnberg und Heilsbronn. Als politischer Aktivist war er für Amnestie International (weltweite Ächtung der Todesstrafe), Greenpeace (Wackersdorf, Gorleben) und Pro Asyl (Fremdes ist keine Gefahr sondern eine Chance) tätig. Außerdem engagiert er sich mit einem eigenen Entwicklungsprojekt im Senegal/Afrika. Auch als Autor war er schon unterwegs (Sachbuch „Auf dem Weg nach Gossas“). In den letzten Jahren unternahm er vermehrt Touren auf allen Kontinenten und Pilgertouren nach Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela (Jakobsweg) und Trondheim (Olavsweg). Darüber hält er auch Vorträge. Als Pilgerbegleiter ist er für die ökumenischen Kur- und Urlauberseelsorge Bad Staffelstein tätig. Sein Lebensmotto: „Erst als einer merkte, dass man Geld nicht essen kann, war es leider zu spät.“

 

Fotos von Reinhold Bayer und seiner Neuseelandreise finden Sie in unserer großen Bildergalerie (zum Öffnen einfach ein beliebiges Foto anklicken, zum Beenden der Anzeige das X in der Ecke oben wählen).

Reinhold Bayer
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