Im Titelbild: Dr. Sebastian Schmidt vor seiner Apotheke in Breitengüßbach mit den Hinweisen auf den Aktionstag.
Viele Apothekerinnen und Apotheker fühlen sich von der Politik missverstanden – und prangern mit einem bundesweiten Protesttag die aktuelle Situation an. Auch in Breitengüßbach.
Über 2.500 Apotheken sind in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland verschwunden, zurzeit schließt eine pro Tag. Für immer. In immer Regionen tun sich damit Versorgungslücken auf. In der Nachrichten-am-Ort-Region sieht es glücklicherweise noch gut aus. Das muss aber nicht so bleiben. Für Apotheker Dr. Sebastian Schmidt, der seit bald zwei Jahren die Sankt-Nikolaus-Apotheke in Breitengüßbach führt, war klar, dass er am bundesweiten Aktionstag mitmacht. Und so bleibt auch seine Apotheke am 14. Juni 2023 geschlossen.
„Wir sind an einem Punkt, wo es kippt!“ Sebastian Schmidt, mit Herzblut Apotheker, hat eigentlich seinen Traumberuf gefunden – und ist glücklich, wie vieles in Breitengüßbach bisher gelaufen ist. Ein super Team, nette Kundinnen und Kunden. „Jeden Tag schließe ich die Apotheke morgens gerne auf“, erzählt er. Dennoch hat auch ihn ein Alltag eingeholt, der viele unnötige Schwierigkeiten mit sich bringt.
Insbesondere die Lieferengpässe bei Medikamenten sind es, die seinen Mitarbeiterinnen und ihm täglich viel Zeit kosten. Schmidt zeigt auf den Bildschirm an der Kasse: Fast 450 Medikamente sind gerade nicht lieferbar. Verschreibt ein Arzt nun ein solches Präparat oder wird dieses explizit gewünscht, setzt sich eine ganze Kette an Aktionen in Bewegung: Rücksprache mit dem Arzt, Suche nach einer Alternative, Dokumentation, meist das Anfordern eines neuen Rezeptes – und natürlich die Beratung von Kundin oder Kunde. „Viele haben Angst, ihre Medikamente nicht mehr zu bekommen“, so Schmidt. Rund zehn bis 15 Minuten Zeit gehen leicht drauf – pro fehlendem Medikament. Zurzeit ist in etwa jedes dritte Rezept betroffen.
Heute sind es rund 450, es waren auch schon über 500. Im System sieht Schmidt, welche Medikamente aktuell nicht lieferbar sind.
Wie leergefegt …
Längst sind nicht mehr fehlende Rohstoffe der Grund für die Engpässe, vielmehr liegt bei der Verteilung der Produkte manches im Argen. Leergeräumt wird der Markt beispielsweise aus den Niederlanden: Große Versandapotheken sichern sich hohe Stückzahlen, für kleine Marktteilnehmer wie Schmidt bleibt nicht mehr viel oder nichts übrig. Ganz zu schweigen davon, dass Großabnehmer auch niedrigere Preise zahlen, mit denen eine Apotheke vor Ort nicht mithalten kann. „Der Wettbewerb ist hier hochgradig unfair, da in den Niederlanden auch ein geringerer Mehrwertsteuersatz auf solche Produkte existiert. Hier fehlen europaweit einheitliche Regeln.“
Schmidt erklärt auch, dass es immer unattraktiver werde, überhaupt eine Apotheke zu führen. 25 Cent Zwangsrabatt pro Packung seit 1. Februar 2023, was pro Jahr den Betriebsumsatz prozentual in zweistelliger Höhe verringert, seit 20 Jahren nicht mehr erhöhte Fixbeträge für die Abgabe von Medikamenten, personelle Engpässe – eine Apothekerin oder ein Apotheker schwankt stets zwischen den Rollen als Heilmittelerbringer und Kauffrau/-mann. Und ist Unternehmerin/Unternehmer. Hier fallen viele Kosten an, die natürlich aus den Einnahmen gedeckt werden müssen.
Apotheken gerade heute wichtig
In den vergangenen beiden Jahren hat Sebastian Schmidt zudem in seine Breitengüßbacher Apotheke einiges investiert, um den Standort fit für die Zukunft zu machen. Was fehlt, sind Parkplätze vor der Tür. Die wären einiges Wert, meint Schmidt – und befindet sich daher in Diskussion mit der Gemeinde. Platztechnisch wäre das wohl kein Problem, sowohl direkt vor der Apotheke als auch gegenüber auf Höhe der Tankstelle. Und: Den Wegfall der Praxis Muckelbauer merke er an seinen Umsätzen, da nicht alle Patientinnen und Patienten von den verbliebenen Praxen am Ort aufgenommen werden können und daher auch Arztpraxen anderswo aufsuchen.
Die Forderungen der Apothekerinnen und Apotheker. Zum Vergrößern antippen oder anklicken.
Klar ist für Schmidt: Der Standort Breitengüßbach soll erhalten bleiben. Nicht jeder wolle oder könne seine Medikamente online bestellen, der Beratungsaspekt sei gerade heute wichtig. Einer in kauf genommenen oder vielleicht sogar bewusst forcierten Ausdünnung der Apothekenlandschaft erteilt er eine klare Absage und kritisiert hierbei insbesondere Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Insbesondere auf dem Land bräuchte es Anreize für Etablierung und Erhalt von Apotheken. „Wichtig sind zudem die Abschaffung des Zwangsrabatts, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Medikamente, die Honorierung des Mehraufwands bei Lieferengpässen und insgesamt eine Anpassung der Fixbeträge von 8,35 auf 12 Euro“, so Schmidt.
Auch seine Apotheke wird am 14. Juni also geschlossen bleiben. Verständnisvoll hätten seine Kundinnen und Kunden bisher reagiert, wenn sie die Plakate und Infos gelesen hätten. „Viele nehmen wahr, dass immer mehr Apotheken schließen und dass die Vor-Ort-Versorgung in Gefahr ist“. Und darauf will der Aktionstag aufmerksam machen.
Information: Notdienst am 14. Juni übernehmen die Marien-Apotheke in Bamberg sowie die Sonnen-Apotheke in Zapfendorf.