Breitengüßbach gehört gemessen an der Einwohnerzahl zweifelsohne zu den sportlichsten Gemeinden in Deutschland. Das Spektrum der Angebote ist vielfältig, reicht vom Bogenschießen, Segeln und Angeln bis zu Sportschützen und drei Fußballvereinen.
Die größten Erfolge heimst der größte Verein im Gemeindegebiet ein: der TSV ist in zwei unterschiedlichen Sportarten in Bundesligen vertreten. Eine bemerkenswerte Konstellation für einen „Dorfverein“: die Nachwuchs-Basketballer in der NBBL und die Kegler in der Bundesliga und sogar auf internationalem Parkett aktiv. Der Verein, der im nächsten Jahr sein 100. Jubiläum groß feiern will und trotz einiger Abgänge in der Pandemie-Phase über 1.000 Mitglieder zählt, zog jetzt Bilanz und Ausblick in einer dreistündigen Generalversammlung im komplett neu gestalteten Vereinsheim, das wenige Tage zuvor von Frankenstuben auf „Line up“ umgetauft worden war.
Und so staunten einige Mitglieder über die Neugestaltung unter Federführung des neuen Pächter Moritz „Moe“ Fleischmann, da nun von großen Fotos Rock- und Sportstars wie Muhamed Ali, Michael Schumacher, Lemmy Kilmister von Motörhead oder Led Zeppelin über ihre Schultern lugten. Und den Ausführungen von Vorsitzendem Stefan Neubauer lauschten, der daran erinnerte, dass 2017 die ersten Pläne gesponnen wurden, das Vereinsheim 30 Jahre nach der Erstellung bis zum 100. Jubiläum zu renovieren. Obgleich diese Pläne ob der Pandemie zunächst auf Eis gelegt schienen und der bisherige Pächter seinen altersbedingten Abschied ankündigte, hatte die Corona-Pause doch ihr Gutes: Seitens der Bundesregierung gab es Zuschüsse und Überbrückungshilfen für Umsatzeinbußen, Hygiene-Maßnahmen, die Terrassen-Bewirtung, eine neue Belüftungsanlage, Digitalisierungsmaßnahmen. „Wir hatten Glück im Unglück, dass wir da reingerutscht sind. Aber diese Eingriffe zogen weitere Maßnahmen nach sich, die der Vereine natürlich aus eigener Kasse bezahlen musste,“ sagte Neubauer und zählte auf: Neuer Boden, neue Decke, neue Theke, neue Bestuhlung, drei Großbildschirme mit allen Sportsendern, da sich das Vereinsheim zum Sport- und Musik-Restaurant mausert. 1.100 Arbeitsstunden haben Ehrenamtliche für die Umgestaltung geleistet. Das komplexe Zahlenwerk erläuterte Schatzmeister Rainer Dörr, was bei einem Gesamtjahresumsatz von knapp unter einer Million Euro kein leichtes Unterfangen war, zumal sich der Etat gegenüber den Vorjahren stark verändert hatte, da Einnahmen aus dem Wirtschaftsbetrieb weggebrochen waren, die Bautätigkeiten dagegen zunahmen. „Unser Verein steht trotz der Baulichkeiten und der Corona-Misere gut da“, befand der Dörr als Steuerberater.
Ein Blick in die Vereinsgaststätte, hier bei der Einweihung Ende April.
„Aufgrund des Schreckens beim FC Oberhaid haben wir auch gleich unsere Gebäudeversicherung angepasst“, sagte Vorsitzender Neubauer, der namens des Vorstandes auch um die Billigung zur Aufnahme eines Darlehens bat, um den Rest der sechsstelligen Maßnahme abzufinanzieren. „Bis 2030 sind wir wieder schuldenfrei und bis 2025 wird es keine Beitragserhöhung geben“, warb der Vorsitzende um Zustimmung, die letztlich auch einstimmig erteilt wurde. Vorangegangen waren in der Aussprache aber auch etliche Nachfragen und Anregungen. „Wir haben jetzt ein Vereinsheim, das im weiten Umkreis seinesgleichen sucht“, teilten die Versammlungsteilnehmer die Einschätzung ihres Vorsitzenden, der den Verein damit gerüstet sieht für das Festwochenende vom 7. bis 9. Juli 2023, wenn das 100-jährige Bestehen gefeiert wird. „Dazu kommen über das gesamte Jahr in jedem Monat unterschiedliche Veranstaltungen, die die einzelnen Abteilungen beisteuern.“
Wie aktiv diese Abteilungen sind, wurde aus den diversen Berichten der Leiter deutlich. Dabei geht es im TSV nicht nur um Leistungssport, wie bei den Keglern, Basketballern, Fußballern oder Tänzerinnen und Tänzern. Angebote gibt es für Kleinkinder ab zwei Jahren (in der Turnabteilung) ebenso wie für Senioren bis in hohe Alter (Wander- und Turnabteilung). Breitensport für jedermann bietet u.a. die Leichtathletik- Abteilung auf der komplett neugestalteten Schulsportanlage mit der Sportabzeichen-Prüfung an.
Highlights aus den Abteilungen
Alle Abteilungsleiter klagten über die pandemie-bedingten Einschränkungen, die so manchen Terminplan in den Mülleimer treten ließen. So hatte die Regionalliga-Mannschaft der Basketballer, die sich in der Nordgruppe Platz 1 sicherte, mit wochenlangen Wartezeiten auf die Play-off-Runde zu kämpfen, ehe man sich im Viertelfinale gegen Oberhaching durchsetzte, im Halbfinale gegen Schwabing aber unglücklich scheiterte. „Wir sind zusammen mit dem Gewinn des Bayernpokals mit der Saison eher zufrieden. Die Jungs spielten schönen Team-Basketball mit einer Mannschaft, die nur aus Spielern aus der Region besteht.“
Auch das NBBL-Team erreichte in der U19-Bundesliga (NBBL) die Play-offs, verlor dabei aber zwei Mal knapp gegen Jena. Das Ü35-Team qualifizierte sich als südostdeutscher Vize-Meister für die deutsche Meisterschaft in Langen, die noch ansteht. Weiter wies Dörr daraufhin, dass alle Mannschaft – von der U8 bis zu den Senioren von lizenzierten Übungsleitern betreut werden und der Verein 17 Schiedsrichter stelle.
Für die Fußballer rechnet Abteilungsleiter Markus Zeller in der Bezirksliga am Ende der Saison mit einem Platz im oberen Tabellendrittel. Bereits während der Winterpause seien nicht nur mit der Verlängerung mit Trainer Tobias Eichhorn die Weichen für die nächste Saison gestellt worden, was zu punktuellen Verstärkungen führen dürfte. Den Mittelfeldplatz der zweiten Garde in der A-Klasse beurteilte Zeller aus „noch ausbaufähig“. Die Junioren spielen in Kooperationen mit anderen Vereinen in der JFG Kreubergkicker, die Kleinfeldmannschaften laufen für die Farben des TSV auf.
Als Highlight bezeichnete Kegler-Chef Dietmar Weiß die Teilnahme der 1. Männermannschaft an der Champions-League, wobei das Team auch in der Bundesliga weiterhin im Vorderfeld mitmische, was auch in der neuen Saison einen Platz auf europäischer Ebene sichere. Und dies obgleich zwei Leistungsträger den verlassen werden. Um Ersatz sei man bemüht. Die Damen-Mannschaft habe sich nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga mit guten Leistungen etabliert.
Froh, dass es wieder zu Auftritten kommt, zeigte sich Birgit Schönborn-Herrmann, für das TSV-United Dance Team, nachdem es monatelang zu keinen Turnieren und Auftritten gekommen war. „Wir haben aufgrund unserer Bemühungen, wie Online-Training, aber kaum Mitglieder verloren, sondern sogar viele dazugewonnen.“ Zu diesen Bemühungen zählte jüngst auch eine Sammelaktion für Ukraine-Flüchtlinge. Ein Flüchtlingskid trainiere bereits mit Begeisterung in den Aufsteigerkids, einer von zwölf Gruppen der Abteilung, mit.
Auch getanzt wird in Breitengüßbach wieder öffentlich.
Den Aufstieg hauchdünn und unglücklich verpasst, haben die Tischtennis-Spieler, die somit weiter in der Bezirksklasse A antreten, wie Abteilungsleiter Tobias Witt resümierte. Ebenfalls ganz unglücklich hat die 2. Mannschaft die Meisterschaft in der Bezirksklasse B verpasst. Die 3. Mannschaft verpasste in der Relegation ebenfalls den Aufstieg.
226 Personen werden in der Turn- und Leichtathletik-Abteilung geführt, 39 weniger als im Jahr zuvor, wie Leiterin Sabine Zwiers beklagte. „Das hängt mit Corona zusammen, da im breiten- und gesundheitsorientierten Bereich keine Übungsstunden angeboten werden konnten.“ Daher zeigte sich Sabine Zwiers froh darüber, dass die Angebote (von Zweijährigen bis zu den Senioren) mittlerweile wieder anlaufen.
Nur wenige Unternehmungen standen bei der Wanderabteilung an, wie aus dem Bericht von Reinhart Karsch deutlich wurde: Vier Aktiven-Wanderungen mit insgesamt 80 Teilnehmern und vier Senioren-Wanderungen mit zusammen 44 Teilnehmern. Besser schaut es bei den Vorplanungen aus, samt einem „Trainingslager“ in Neustadt an der Weinstraße.
Ralf Kestel. Fotos: Johannes Michel