Das Szenario: Es regnet seit Wochen, alle Flüsse in Oberfranken sind über die Ufer getreten, Katastrophenalarm ist ausgelöst. Verschiedene Straßen sind unpassierbar, der Kampf um die Funktionsfähigkeit wichtiger Infrastruktureinrichtungen erfordert viele Helfer und zehrt an den Kräften. Das für die regionale Stromversorgung unabdingbare Wasserkraftwerk Medlitz mit einer Leistung von 100 Kilowatt droht wegen des Hochwassers auszufallen, schon seit Tagen arbeiten zivile Hilfskräfte bis zur Erschöpfung, um einen ausreichend hohen Sandsackwall aufzubauen.
Die Einsatzleitung hat nun RSU-Kräfte der Bundeswehr (Regionale Sicherungs- und Unterstützungskräfte) als Ablösung angefordert. Schon kurz danach tauchen über dem Itzgrund zwei amerikanische Universal-Helikopter auf, drosseln ihre beiden zusammen 3.400-PS-starken Turbinen, sondieren das Terrain wie „schwarze Falken“ und landen schließlich fast so schnell wie ein Greifvogel im Sturzflug an dem Platz, den die Freiwillige Feuerwehr Medlitz unter Leitung von 1. Kommandanten Holger Hornung abgesichert hat. Aus jedem „Blackhawk“ springen zehn Reservisten und entfernen sich schnell aus dem Gefahrenbereich, in dem sich der sog. Downwash der Rotoren anfühlt, als stemme man sich gegen die Gewalt eines starken Orkans.
So war die Ausgangssituation beschrieben, die als Grundlage für eine Reservistenübung der Kreisgruppe Oberfranken-West des Verbandes der Reservisten der Bundeswehr (VdRBw) diente. Kreisvorsitzender Oberstleutnant d.R. Philipp Mohr hatte als Luftunterstützung zwei Helikopter vom Typ UH-60 „Blackhawk“ des 3-158th Hubschrauberbataillons, stationiert in Katterbach bei Ansbach, angefordert. Die Hubschrauber-Geschwader der Bundeswehr liegen zu weit entfernt, weshalb die US-Armee sich grundsätzlich zur Hilfe in Katastrophenfällen bereit erklärt hat. Oberstleutnant Michael Reinwald, der neue S3-Stabsoffizier im Regionalstab Nord in Nürnberg, der die Dienstaufsicht ausübte, nahm die Gelegenheit wahr, sich vorzustellen. Als Offizier, der schon viele internationale Einsätze für die Bundeswehr absolviert hat, wisse er aus eigener Erfahrung, wie wichtig im Ernstfall das korrekte Verhalten in der Nähe von Helikoptern für das schnelle Verlagern von Truppenteilen sei. Deshalb mache es Sinn, jede Gelegenheit zum Üben wahrzunehmen.
Vor dem Start wurden die Reservisten mit den Sicherheitsbestimmungen im Umfeld des Helikopters, beim Ein- und Aussteigen sowie während des Fluges vertraut gemacht.
Den Rahmen nahm Oberstleutnant Michael Reinwald (re.) zusammen mit Oberstleutnant d.R. Philipp Mohr (li.) zu Anlass, an Obergefreiten d.R. Michael Neubauer aus Lauter das „Leistungsabzeichen in Gold“ für militärische und sportliche Leistungen zu überreichen. Neubauer hatte die Prüfungen in Erster Hilfe, militärischer Fachkunde, beim Leistungsschießen, diversen sportlichen Nachweisen und einem Leistungsmarsch mit Bestnote absolviert.
Um diesen Ernstfall zu trainieren, wurden am Freitagnachmittag 40 Reservisten aus der Region Bamberg in die Sicherheitsbestimmungen und Verhaltensregeln am und im Helikopter eingewiesen – mit großer Resonanz der Zivilbevölkerung an den Start- und Zielpunkten. In Trunstadt hatten Oberstleutnant Philipp Mohr und Captain Richards von der US-Armee die theoretische Unterweisung vorgenommen, die Praxis fand dann im Luftraum zwischen Trunstadt und Medlitz statt.
Zusätzlich zur dienstlichen Weiterbildung empfanden viele der Reservisten diese Übung als eine tolle Erfahrung, die Heimat bei offenen Türen mit dem Fahrtwind von 180 km/h um den Stahlhelm in niedriger Flughöhe aus der Vogelperspektive zu erleben. Das Sandsackschleppen blieb den Teilnehmern dieses Mal erspart, denn die Regenfälle der letzten Woche hatten nicht ausgereicht, um die Realität an das erdachte Szenario anzugleichen.
Sabina Sitzmann-Simon