So muss es an der Hauptstraße im Zapfendorf früher oft ausgesehen haben. Auto an Auto parkt – und „beim Hofmann“ ist so richtig was los. Diesmal allerdings hieß es endgültig: Abschied nehmen!
Schon seit Jahren gibt es hier keine Wirtschaft mehr. Die Brauerei ist schon länger dicht, getanzt und gefeiert wird auch schon seit Jahren nicht. Demnächst soll das Anwesen „Hauptstraße 26“ abgerissen werden. Zumindest den Teil, der sich markant in blauer Farbe entlang zieht. Gekauft hat das Gebäude die Gemeinde, was genau hier entstehen soll, ist noch nicht zu hundert Prozent gesichert – oft war schon ein mögliches Medizinisches Versorgungszentrum Thema. Nun hatte die Gemeinde zur Abschiedsfeier eingeladen. Denn viele verbinden mit dem Gebäude prägende Erinnerungen.
Die Räumlichkeiten der ehemaligen Gastwirtschaft mit Wirtsstuben und Gästezimmern standen am 1. April 2023 nicht zur Besichtigung offen. Hier waren einige Zeit jugendliche Flüchtlinge untergebracht, dafür wurden beispielsweise Ständerwände einzogen, einiges hat sich verändert. Nebenan, im „Tanzsaal“ allerdings, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Zumindest, wenn man etwas mehr als ein Jahrzehnt zurückschaut. Aber fangen wir von vorne an.
So sieht der Tanzsaal heute aus.
An die Wirtschaft werden sich viele sicher auch noch erinnern … Die ehemalige Gastronomie war am 1. April nicht öffentlich zugänglich.
Im Jahr 1950 erweiterte sich die Gastwirtschaft Hofmann – ein Tanzsaal wurde angebaut. Und tatsächlich sind bei der Abschiedsfeier am 1. April auch Leute dabei, die sich an die Anfänge erinnern und die hier in den 1960er und 1970er Jahren getanzt haben. Live-Musik gab es immer, die Bühne war mittig angeordnet, ein Klavier stand daneben. Viele lokal bekannte Bands spielten – so manchem sagen vielleicht die Namen „Four Kings“, „Melodas“, „Anywhere“ oder „Sound City“ noch etwas. Der Holzboden, ein Fischgrätenparkett der Holzwerke Zapfendorf, die ebenfalls schon lange nicht mehr existieren, ist von Anfang an dabei. Er könnte sicher einige Geschichten erzählen – von Paaren, die sich kennengelernt haben, vom Cocktail „Blue Lady“, den es nebenan an der Bar gab, vom Wanderkino, das hier öfters Station machte und Klassiker wie „Dr. Schiwago“ zeigte – und auch von Umgestaltungen. Etwa mit Anleihen einer Westernkulisse. Ganz der Zeit entsprechend eben.
Viel Live-Musik
Später trug der Tanzsaal den Namen „Black & White“, 1986 wurde daraus das „Top Act“. Zu den Pächtern gehörten auch Stefan Schneider und Winnie Pulst. Die beiden ließen es sich nicht nehmen, beim Abschied dabei zu sein. „Unser Anspruch waren damals Live-Konzerte“, erinnert sich Schneider. Natürlich gab es auch Musik aus der Konserve, den meisten Besucherinnen und Besuchern dürften aber die „Schwoofs“ und eben die vielen Liveveranstaltungen im Gedächtnis geblieben sein. Und fürwahr – in Zapfendorf gastierten bekannte Namen. Ob Supercharge, Dr. Feelgood, Fury in the Slaughterhouse oder die Spencer Davies Group, Plakate im Backstagebereich sind Zeugen der Veranstaltungen. Aber auch die Band PUR, gastierte Mitte der 1980er schon in Zapfendorf, damals noch eher wenig bekannt, vor unter 100 Zuschauerinnen und Zuschauern, oder auch Fiddler’s Green. Neben der Musik gehören aber auch Getränke zu einem solchen Ambiente: Catherine Lemoine und Fritz Grania, damals für Bar und kleine Gerichte zuständig, kamen ebenfalls und erinnerten sich – an die Zeiten von Jack Daniel’s und Kaffee Baileys, den sie sehr gerne ausschenkten.
Catherine Lemoine, Charlotte und Winnie Pulst, Fritz Grania und Stefan Schneider vor den vielen Plakaten im Backstagebereich.
Ja, es muss wirklich was los gewesen sein in Zapfendorf. Auch Carola Groh konnte vom Fenster der Großeltern direkt gegenüber genau beobachten, wie die Gäste eintrafen und weiß noch, wie die Hauptstraße stets zugeparkt war oder ganze Gruppen vom Bahnhof in Richtung „Top Act“ zogen. In den frühen 2000ern änderte sich dann das Straßenbild. Waren es zuvor die breite Masse der Feiernden inklusive zahlreicher in Bamberg stationierter US-Amerikaner, kam nun eine besondere Subkultur nach Zapfendorf. Noch heute lässt sich im Internet mit dem Suchbegriff „La Nuit Obscure“ dazu viel finden, besonders vom den Veranstaltern Uli Herwig und Thomas Manegold. Auch Carola Groh sind noch die vielen schwarz gekleideten Personen aus der Gothic-Szene im Gedächtnis, die fortan das Top Act bevölkerten, am Anfang einmal im Monat, dann jeden Samstag. Die Räume wurden umgestaltet, schwarz gestrichen, Fenster zuklebt. So präsentierten sich Saal und Bar auch den Besucherinnen und Besuchern am 1. April. Die vorigen Top-Act-Pächter hatten eher auf Farbe gesetzt. Finale war am 3. November 2012. Danach sah das Top Act nur noch einzelne Privatveranstaltungen und ist seitdem ein echter „Lost Place“, ein „vergessener Ort“.
Voll war es hier recht oft los – bis zum Einlassstopp
Aber über das Gebäude gibt es noch mehr zu erzählen. Zwei ältere Damen erinnern sich an den Lebensmittelladen Fürnkäs, andere wiederum an die Filiale der Volksbank, später zog ins Erdgeschoss ein Frisörladen ein. Und so manche Geschichte aus dem Tanzsaal soll ebenso nicht unerwähnt bleiben. Von Eintrittspreisen von fünf Mark, was ein echtes Loch in den Geldbeutel sprengte und weshalb ein Getränk für den ganzen Abend reichen musste. Wobei: Man konnte ja eingeladen werden oder man trank einfach bei vielen anderen ein Schlückchen, Sorgen machten musste man sich da keine, dass jemand irgendwas reinmischte. Und Rolf Krebs, der lange Jahre Texte für die Veranstaltungen und auch Zeitungsberichte schrieb, brachte seine Plattensammlung mit Originalunterschriften aus den 1980ern und 1990ern mit, ein anderer Besucher zeigen alte Eintrittskarten.
Nicht wundern, was hier so rumliegt. Feuerwehren aus der Umgebung nutzen das Gebäude zurzeit für Übungen.
Früher bevölkerten bis zu 500 den Tanzsaal und den Club, es gab einen Einlassstopp. Am 1. April waren auch mehrere hundert Gäste da. Es wird das letzte Mal gewesen sein, dass der Tanzsaal Hofmann so viele Aufmerksamkeit bekommen hat. Warten wir auf den Abriss …
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