Bis zum Jahr 2023 soll ganz Bayern barrierefrei sein, versprach die Staatsregierung bei ihrem Amtsantritt im November 2013. Nun ist das mit den Versprechen so eine Sache, denn wie jeder weiß, sollten diese auch immer eingehalten werden. In Bezug auf die Barrierefreiheit, so scheint es zumindest momentan, hat sich die Regierung des Freistaates eine Herkulesaufgabe auferlegt, wie die Stadt Baunach zeigt. Die dortige Behindertenbeauftragte meint angesichts der derzeitigen Bemühungen dazu nur: „Der Zeitraum ist utopisch!“
Als sie sich vor einiger Zeit den Fuß gebrochen hat, habe sie am eigenen Leib erfahren, welche Tücken die Stadt Baunach für Rollstuhlfahrer bereithält, berichtet die Behindertenbeauftragte der Stadt, Heyke Koch. Insbesondere der Besuch der örtlichen Raiffeisenbank sei enorm schwierig gewesen, da es ein Rollstuhl unmöglich mache, die Eingangsstufen der Bank ohne fremde Hilfe zu überwinden. In einem Brief an das Kreditinstitut erklärte Koch ihren Missstand und bat darum, den Eingang barrierefrei zu gestalten. Die Bank versprach, diesbezüglich aktiv zu werden und wie kürzlich bekannt wurde, hat ein Architekt bereits einen ersten Entwurf vorgelegt, der sich in der Umsetzung befindet.
Unglücklicherweise sei es jedoch nicht immer so einfach, wie Koch verriet. Im Besonderen der öffentliche Sektor stelle ein schwieriges Pflaster dar, da die Gelder einfach nicht ausreichen, um die Stadt Baunach behindertengerecht oder auch nur behindertengeeignet zu gestalten. So erhielt die Gemeinde für dieses Jahr Fördermittel in Höhe von 60.000 Euro, die aber bereits für die behindertengerechte Sanierung der neuen Brücke vorgesehen sind. Dringend benötigte Behindertenparkplätze vor dem Rathaus und in der Nähe des neuen Bürgerhauses Lechner Bräu, wo sich auch die Seniorenresidenz und die im Sommer stark frequentierte Eisdiele befinden, müssten dagegen hinten angestellt werden. Und auch der historische Marktplatz sei im Moment, um bei der Metapher des schwierigen Pflasters zu bleiben, für Rollstuhlfahrer nur schwer zugänglich und bedürfe dringend einer halbwegs glatten Fahrspur.
Ein weiteres Ärgernis stellt der Eingang der Post-Filiale dar, denn dieser scheint mit seinen acht Stufen die Politik „Rollstuhlfahrer müssen draußen bleiben!“ zu verfolgen. Da Filialen in den umliegenden Gemeinden Rattelsdorf, Kemmern und Hallstadt bereits barrierefrei sind, bestünde hier dringender Nachholbedarf, zumal auch das Ansehen der Stadt damit gefährdet sei, so Koch. Eine ähnliche Politik scheint auch das neue Bürgerhaus Lechner Bräu zu verfolgen, dessen Eingangstüre nur mit viel Kraft und gar nicht erst im Rollstuhl zu öffnen ist. Auch die privaten Geschäfte und Gaststätten der Stadt müssten in puncto Behindertengerechtheit nachrüsten, selbst wenn es sich häufig nur um vereinzelte Stufen handle, aber zumeist sei schon dies den Betreibern einfach zu teuer, fügte Koch hinzu.
Der Zugang zur Postfiliale in Baunach ist alles andere als barrierefrei.
Es gibt auch Positives zu vermelden
Als Behindertenbeauftragte berät Heyke Koch zudem private Haushalte. In diesen findet sie immer wieder behindertenungerechte Situationen vor: Schier endlose schmale Treppenaufgänge und 30 Zentimeter hohe Duschwannenwände stellen unbezwingbare Barrieren für die Bürger dar, die an den Rollstuhl gebunden sind. Dabei gäbe es hier einfach Abhilfe, denn der Staat bezuschusst jede Umbaumaßnahme mit bis zu 4.000 Euro gemäß der jeweiligen Pflegestufe des Patienten, nur das wüssten viel nicht, vermerkte Koch. Im Sinne der Barrierefreiheit müsse hier mehr Aufklärung betrieben werden, was jedoch nur dann möglich sei, wenn die Bürger das Beratungsangebot auch wahrnehmen. In der Vergangenheit, so Koch, habe aber das Schamgefühl viele Bürger davon abgehalten, derartige Veranstaltungen zu besuchen.
Trotz alledem gibt es auch Positives in Sachen Barrierefreiheit in Baunach zu vermelden. So wurden kürzlich Bordsteinkanten abgesenkt und Blindenleitsysteme eingebaut. Das neue Bürgerhaus Lechner Bräu ist bis auf die schwere Eingangstür barrierefrei und auch der Gasthof „Zum Griechen“ hat kürzlich seine Barrieren beseitigt und kann nun Rollstuhlfahrer begrüßen. Zahlreiche Anträge seien weiterhin in Bearbeitung, „aber die Mühlen mahlen sehr langsam, angesichts des Stichjahres 2023“, wie Koch sagt. Ihr sei durchaus bewusst, dass vieles nur sehr schwierig zu realisieren sei, aber gerade in Sachen Post, dem Marktplatz oder auch der Parkplatzsituation müsse dringend gehandelt werden. Auch wäre die Anschaffung eines stadtinternen Rollstuhltaxis eine sinnvolle Investition, um die oftmals sehr kostspieligen Krankentransporte umgehen zu können.
Es scheint also, als gäbe es noch viel Handlungsbedarf in Baunach, das von seinen Bürgern kürzlich erst als sehr lebenswert beschrieben wurde. Was die Barrierefreiheit angeht, so steht der Stadt jedoch eine große, ja wahrscheinlich eine zu große Aufgabe angesichts mangelnder Bezuschussung durch den Freistaat bevor, wie Koch beklagt. Unglücklicherweise stellen Regierungsversprechen keine juristische Verbindlichkeit dar, weshalb wohl auch im Falle des Nichterreichens von „Bayern Barrierefrei 2023“ die Regierung am wenigsten darunter leiden wird.