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Am 5. März versammelten sich über 10.000 Demonstranten vor dem Brandenburger Tor in Berlin, um gegen die angekündigte Kürzung der Solarförderung zu demonstrieren. Mit dabei war auch die komplette Belegschaft von Ebitsch Energietechnik aus Zapfendorf. „Diese Kürzung bedeutet für uns, dass etwa 80 Prozent der Arbeitsplätze vor Ort wegfallen könnten“, so Geschäftsführer Horst Ebitsch. Besuch von der Arbeitsagentur wegen möglicher Kurzarbeit war schon da.
Selten wirkt sich die „große Politik“ direkt auf die Region aus. Was „die da oben in Berlin“ entscheiden, trifft den Bürger zwar, direkt innerhalb weniger Tage spürt er die Folgen von Entscheidungen aber nur selten. Diesmal könnte es anders sein – zumindest für die Angestellten in der Solarwirtschaft. Ebitsch Energietechnik beschäftigt in Zapfendorf über 40 Mitarbeiter, IBC Solar in Bad Staffelstein über 400. Nachrichten am Ort sprach zum Thema Vergütungsabsenkung mit Horst Ebitsch, der vor allem die kleinen Energieerzeuger benachteiligt sieht.
Hintergrund: Am 23. Februar 2012 haben Norbert Röttgen (Umweltminister) und Philipp Rösler (Wirtschaftsminister) angekündigt, die Photovoltaikvergütung zum 9. März 2012 zurückzufahren. Die Übergangsfrist wurde wenige Tage später bis Ende März verlängert. Ziel soll sein, die Zubaumenge und damit die Kosten wirksam zu begrenzen. „Im Hinblick auf das in den letzten beiden Jahren stark gestiegene Ausbauvolumen dient die erneute Anpassung der Förderung vor allem dem Zweck, die EEG-Umlage für die Stromverbraucher weiter stabil zu halten und die hohe Akzeptanz der Bevölkerung für die Photovoltaik und für erneuerbare Energien insgesamt zu erhalten“, schreiben die Ministerien in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Zur Kundgebung in Berlin waren über 10.000 Teilnehmer gekommen.
Nachrichten am Ort: Herr Ebitsch, direkt zum Einstieg die Frage: Warum senkt die Bundesregierung die Solarförderung?
Horst Ebitsch: Technisch und finanziell gibt es keinen Grund, etwas an der Förderung der Solarenergie zu ändern. Die aktuelle Diskussion zeigt einmal mehr, dass die Regierung eine Politik macht, die kleine und mittelständische Unternehmen benachteiligt und Großkonzerne fördert.
Inwiefern geschieht das auch durch die Absenkung der Solarförderung?
Hier spielen zwei Punkte eine Rolle. Erstens: Als das „Erneuerbare Energien Gesetz“ (EEG) geschaffen wurde, waren 59 Großunternehmen von der EEG-Umlage befreit – eben die typischen stromintensiven Industrien. Die Stromkosten reduzierten sich für diese Industrien somit um 20 Millionen Euro jährlich. 2011 wurden dann 592 Unternehmen von der Umlage ausgenommen, was Einsparungen von 2,2 Milliarden Euro bedeutete. Und 2012 werden es 1.523 Großunternehmen sein, wodurch 3,1 Milliarden Euro auf deren Seite gespart werden, die natürlich alle Stromkunden wiederum bezahlen müssen. Hier findet also eine Umverteilung statt. Zweitens: Solarenergie konzentriert sich auf Privatleute und kleine Unternehmen, die so zu Stromproduzenten werden. Das gefällt den großen Energiekonzernen nicht, sie sehen eine echte Konkurrenz heranwachsen und ihre Großkraftwerke in Gefahr. Außerdem leiden diese Unternehmen unter dem Atomausstieg, da sie jahrelang eine Entwicklung hin zu erneuerbaren Energien verschlafen haben. Die Folge daraus: Sie machen in Berlin Druck gegen die vielen kleinen Stromerzeuger. In diesem Zusammenhang haben sie schon erreicht, dass Offshore-Windparks großzügig unterstützt werden – nur ein Großkonzern kann sich derart hohe Investitionen erlauben, während Solar- und Windenergie vor Ort deutlich erschwinglicher und damit auch für kleine Unternehmen und Privatinvestoren interessant ist.
In den vergangenen Jahren wurde die Vergütung für Solarstrom stetig abgesenkt. Warum trifft dieser kurzfristige Schritt der Bundesminister Norbert Röttgen und Philipp Rösler nun die Solarwirtschaft besonders hart?
Das EEG enthielt von Beginn an eine jährliche Absenkung der Vergütung, es ist als ein Gesetz angelegt, dass sich selbst wegreduziert. Als einen der ersten Schritte baute die Bundesregierung eine halbjährliche Absenkung ein – das war für uns aber noch in Ordnung, die Solarbranche hat schnell gelernt, damit umzugehen. Allein im vergangenen Jahr wurden die Anlagen um 40 Prozent billiger. Erst im Dezember 2011 wurde ein neues Gesetz für 2012 beschlossen, das eine Absenkung am 1. Juli und zum Jahreswechsel vorsah. Die Industrie und auch wir haben uns darauf eingestellt – und nun wird dieses Gesetz urplötzlich über den Haufen geworfen und durch ein neues ersetzt. Die Planungssicherheit ist damit für uns dahin. Mancher Solarunternehmer lagert Module im Wert von mehreren Millionen Euro, die nun über Nacht stark an Wert verloren haben.
So wird Solarstrom gefördert (Quelle: Bundesumweltministerium, zum Vergrößern anklicken).
Die Vergütungsabsenkungen sollen bewirken, dass weniger Solaranlagen zugebaut werden. Tritt dieser Effekt auch wirklich ein?
Nein. Die Politik möchte die Zubaumenge begrenzen, einigt sich dafür auf eine Absenkung der Vergütung zu einem bestimmten Zeitpunkt und in diesem Moment kommt es zu einer Auftragsexplosion, die auch wir in unserem Unternehmen nicht bewältigen können, bei den Verbrauchern entsteht eine regelrechte Torschlusspanik. Ein Beispiel: 2011 hätten wir in Deutschland eine Zubaumenge von vier Gigawatt erreicht, dann kam die Ankündigung der erneuten Vergütungssenkung und innerhalb kürzester Zeit wurden bis Weihnachten nochmals vier Gigawatt installiert, so dass 2011 am Ende ein Zuwachs von acht Gigawatt zu verzeichnen war.
Warum dann eine erneute Revision des EEG?
Die Vergütungsabsenkung ist diesmal nur die Überschrift, eigentlich wurde die Gesamtsituation verändert. Künftig wird es eine monatliche Absenkung geben, die Zubaumenge soll auf ein Gigawatt pro Jahr gedeckelt werden, aus Großanlagen werden nur noch 90 Prozent des erzeugten Stroms abgenommen, bei privaten Erzeugern sogar nur 85 Prozent. Ein wichtiger Punkt ist auch die neue Staffelung: Bisher erhielten Anlagen bis 10 kW 24,43 Cent pro Kilowattstunde, Anlagen bis 100 kW 23,32 Cent und Anlagen bis 1.000 kW 21,98 Cent. Nun fällt die 100-kW-Stufe weg, die Vergütungen sinken – bis 10 kW auf 19,5 Cent, bis 1.000 kW auf 16,5 Cent, über 1.000 kW werden 13,5 Cent vergütet. Hinzu kommt die Definition der „unmittelbaren Nähe“. Ein Beispiel: Wir haben auf den Hallen des ehemaligen Sägewerks in Zapfendorf mehrere Anlagen installiert. Diese werden nach der Definition „unmittelbare Nähe“ zu einer Großanlage zusammengefasst und daher schlechter vergütet. Der private Stromerzeuger ist auch betroffen, denn „unmittelbare Nähe“ schließt alle Solaranlagen in einem Umkreis von vier Kilometern ein – egal, wem sie gehören. Obwohl daher auf dem Dach eines Privathauses vielleicht nur fünf oder sechs kW installiert sind, wird dennoch der Vergütungssatz für 1.000 kW angenommen, weil die Anlagen in der Umgebung dazu zählen. In Ballungsräumen oder auch in unserer Region, wenn bei uns etwa das Solarkraftwerk auf Gut Leimershof eingerechnet wird, sind damit die kleinen Stromerzeuger nun deutlich schlechter gestellt.
Sehen Sie die deutsche Solarindustrie in Gefahr?
Die Solarindustrie wird in Deutschland nicht subventioniert, sondern muss sich dem internationalen Markt stellen. Subventioniert wird der mit den Modulen erzeugte Strom, es profitieren somit die Anlagenbetreiber, nicht direkt die Hersteller. Die Konkurrenten aus China werden aber vom Staat großzügig unterstützt. Letztendlich produziert der chinesische Hersteller die Module nicht billiger. Der Preisdruck, der nicht zuletzt durch die Vergütungssenkung entsteht, trifft die deutsche Solarindustrie hart. Sie ist vor allem in den neuen Bundesländern angesiedelt. Was in über zehn Jahren mühsam aufgebaut wurde, fällt nun um. Erste Unternehmen wie Schott Solar oder First Solar stellen nun die Produktion in Deutschland ein, fahren Kurzarbeit oder sind wie Q-Cells und Centrotherm in die roten Zahlen gerutscht.
Der steile Anstieg der EEG-Umlage wurde 2012 gestoppt (Quelle: Wikipedia, eigene Recherche).
Noch eine Frage zum Stichwort EEG-Umlage. Viele Kunden machen sie für steigende Strompreise verantwortlich. Stimmt das?
2011 wäre die Umlage zum ersten Mal gesunken. Die Bundesregierung hat dies aber durch die von mir bereits erwähnten Ausnahmeregelungen für Großunternehmen verhindert. Von 2010 auf 2011 stieg die Umlage von 2,047 auf 3,530 Cent, von 2011 auf 2012 auf gerade einmal 3,592 Cent. Zudem hat das Bundesumweltministerium einen Liquiditätspuffer angelegt, um künftige Schwankungen der Umlage ausgleichen zu können. Ohne diesen Posten hätte sich ebenfalls keine Steigerung ergeben.
Danke für das Gespräch.
Horst Ebitsch bei einem Vortrag auf der Bamberger Immobilienmesse 2012.
Johannes Michel; Fotos: Ebitsch Energietechnik, Johannes Michel
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- Warum Energie von der Nordsee nach Oberfranken schaffen? Projekt Energieautarkie Bamberg
Bilder von der Kundgebung am 4. März 2012 in Berlin finden Sie in unserer Bildergalerie (zum Öffnen der Galerie einfach auf ein beliebiges Foto klicken, zum Beenden der Anzeige genügt ein Klick auf das geöffnete Bild)…