Vor wenigen Tagen hat Sigrid Reinfelder als erste hauptamtliche Bürgermeisterin im Landkreis Bamberg die Amtsgeschäfte in Breitengüßbach übernommen. Zunächst muss sie sich selbstverständlich in ihr neues Amt einarbeiten. Viel Zeit bleibt aber nicht, denn sofort stellen sich wichtige Herausforderungen.
„Gibt es Projekte, die Sie direkt nach Ihrer Wahl anpacken würden?“, fragten wir Sigrid Reinfelder in einem Interview vor zwei Monaten. „Sehr am Herzen liegen mir die Themen Bürgerbeteiligung und Information der Bürger. Man könnte hierzu das Mitteilungsblatt und die Homepage der Gemeinde ausweiten und mit neuen Möglichkeiten versehen. Außerdem könnten sämtliche Satzungen und auch Mitschriften der Gemeinderatssitzungen verfügbar gemacht werden, so dass jeder Bürger die Chance erhält, sich ausreichend zu informieren. Zusammen mit dem Gemeinderat würde ich gerne ein System für Bürgerbeteiligung erarbeiten, das etwa bei Themen, welche die Bürger besonders interessieren, greift“, antwortete Reinfelder. Klingt gut, wäre gut – nur: Direkt nach ihrem Amtsantritt sieht sich Sigrid Reinfelder auch mit Dingen konfrontiert, die schon in Kürze angepackt und entschieden werden müssen. Die Schwerpunkte: Verkehr, Gewerbe, Gemeindefinanzen.
ICE: Bahn drückt aufs Tempo
Die Nachbargemeinde Zapfendorf steht gerade unter Zeitdruck: Im Norden soll mit einer Überführung ein Ersatz für den bisher im Zentrum befindlichen Bahnübergang geschaffen werden. Die Bahn scheint sich dabei auf die von der Gemeinde favorisierte Lösung einzulassen, fordert aber schnellstmöglich die Aufstellung eines Bebauungsplanes – und der beschäftigte den Gemeinderat und vor allem die Verwaltung über einen langen Zeitraum. Bereits Ende 2015 soll die Baumaßnahme im Norden der Gemeinde abgeschlossen sein.
Die Bahnstrecke durch Breitengüßbach wird ausgebaut.
Auch in Breitengüßbach stehen große Veränderungen an. Im Sommer 2013 soll das Planfeststellungsverfahren laufen, bereits in wenigen Jahren werden, aller Voraussicht nach, vier Bahngleise durch den Ort führen. Der Bahnhof wird ein vollkommen neues Gesicht erhalten, Lärmschutzwände sorgen für Ruhe, aber auch für ein verändertes Ortsbild. Die beiden Brücken über die Bahnlinie (Richtung Zückshut und Unteroberndorf) müssen ersetzt werden, Sperrungen sind die Folge. Und, nicht zu vergessen: Die Bahn möchte in einem bestimmten Zeitraum rund um die Uhr arbeiten, die Anwohner müssen mit unruhigen Tagen (und Nächten) rechnen.
In der Gemeinderatssitzung vom 27. Februar diskutierten die Räte mit Vertretern zweier Bürgerinitiativen über die Möglichkeiten. Dabei kam die Frage auf, ob es sinnvoll sei, sich an den Plänen aus Bamberg für eine Umfahrung einzusetzen. Im Falle Breitengüßbachs müsste diese entlang der A73 laufen. Vorteil: An der Bestandsstrecke müsste die Bahn keine Änderungen durchführen, das erspart auch den Neubau der Brücken und den Lärm. Aber: In diesem Fall würden die Anwohner keinen Lärmschutz erhalten, Regional- und Güterzüge würden weiterhin ungeschützt durch den Ort fahren. Klar ist: Bei den Verhandlungen mit der Bahn muss Breitengüßbach Flagge zeigen – und gleichzeitig einsehen, dass eine Umfahrung des Ortes nicht durchzusetzen sein wird. Daher gilt es, sich auf die viergleisige, aber lärmgeschützte Strecke durch den Ort zu konzentrieren und dabei die Pläne der Bahn genau zu prüfen.
Verkehr im Ort: Was wird aus der Bundesstraße?
Schon länger wird über eine Abwertung der Bundesstraße 4 zur Staats- oder Gemeindestraße diskutiert. Mit der Autobahn – Breitengüßbach verfügt über drei Auffahrten – ist bereits eine leistungsfähige Umgehungsstraße vorhanden. Nur: Sie wird zu wenig genutzt. „Laut eines Gutachtens wären 70 Prozent des Durchgangsverkehrs vermeidbar“, sagte Christine Raab, Vorsitzende der Bürgerinitiative Lebensader, bei einer Veranstaltung im Februar.
Sicher ist, dass die Straße auch immer Umleitungsstrecke für die Autobahn bleiben muss. Gewisse Breiten sind daher verbindlich. Sollte die Bundes- zur Gemeindestraße werden, kämen im Rahmen der notwendigen Sanierung auch Straßenausbaubeiträge in nicht unerheblichem Umfang auf die Bürger zu. Mit diesem Argument wollte sich Bürgermeisterkandidat Franz Schumm im Wahlkampf profilieren – er sprach von bis zu 30.000 Euro pro Grundstücksbesitzer. In diesem Punkt wird wichtig sein, mit den Anwohnern eng zusammenzuarbeiten. Sigrid Reinfelder hat dies bereits angekündigt und will die Maßnahme mit einer Ortskernsanierung verbinden, für die sie auch Fördergelder akquirieren möchte.
Zur Abwechslung wenig los: Die Bundesstraße 4 führt mitten durch Breitengüßbach.
Damit der Durchgangsverkehr in Richtung Zückshut und Hohengüßbach nicht mehr durch den Ort geführt werden muss, ist in Breitengüßbach immer einmal wieder die Rede von einer Ostumgehung. Diese müsste zwangsläufig zwischen dem ehemaligen Munagelände und dem Neubaugebiet verlaufen – und damit in einem recht begrenzten Bereich. Wenig verständnisvoll dürften die Anwohner sein, die sich in diesem ruhigen Bereich niedergelassen haben, auch wenn die Straße sicher einen Schallschutz erhalten würde. Betrachtet man die Kostenseite, sind derartige Pläne zum aktuellen Zeitpunkt ohnehin illusorisch.
Gewerbe: Nur Supermärkte bringen kaum Steuereinnahmen
Die Ausweitung der Gewerbegebiete war bei den Bürgermeisterkandidaten ein viel erwähntes Thema. Zwar verfügt Breitengüßbach über große Flächen, in denen sich viele Gewerbetreibende angesiedelt haben, der „große Wurf“ ist aber bislang ausgeblieben. Vor wenigen Jahren interessierte sich ein großes Unternehmen für Flächen, für die es zum damaligen Zeitpunkt aber noch keinen Bebauungsplan gab. Heute ist das Unternehmen in Strullendorf beheimatet.
Gewinn und Problem zugleich sind die Einkaufsmärkte. Sie sorgen zwar für ein hohes Maß an Möglichkeiten für die Einwohner und sind wichtig für die positive Einwohnerentwicklung der Gemeinde. Aber: Die Gewerbesteuereinnahmen sind eher gering, da die Märkte lediglich „Filialen“ der betreibenden Unternehmen sind. Ziel muss also sein, auch produzierende Unternehmen oder erfolgreiche Dienstleister, also Einzelunternehmen, anzulocken. Die beste Voraussetzung bringt Breitengüßbach dabei mit: eine hervorragende Verkehrsanbindung.
Sigrid Reinfelder steht vor großen Herausforderungen…
Schulden: Zeigt der Trend bald wieder nach oben?
Um die 585 Euro beträgt die Pro-Kopf-Verschuldung in Breitengüßbach (Stand: 31. Dezember 2012). Die Gemeinde befindet sich damit im hinteren Drittel im Landkreis Bamberg. Zum Vergleich: Die Nachbargemeinde Kemmern kommt auf etwa 120 Euro pro Einwohner, Rattelsdorf auf ca. 200 Euro, Baunach auf etwa 400 Euro und Zapfendorf auf ca. 530 Euro.
Zwar konnte der Schuldenstand in Breitengüßbach in den letzten Jahren zurückgefahren werden. Nun stehen allerdings mit der Rathaussanierung und den bereits angesprochenen Großprojekten, an denen sich Breitengüßbach auch finanziell beteiligen muss, Herausforderungen an, die auch erhebliche Belastungen für den Haushalt mitbringen. Bürgermeister Josef Martin aus Zapfendorf blickte Ende 2012 negativ auf die Finanzlage der Zukunft: „Unsere Finanzsituation wird sich bis 2020 aufgrund vieler Projekte definitiv verschlechtern“, sagte er in einer Gemeinderatssitzung im Dezember. In Zapfendorf stehen mit der Westtangente und dem Bahnausbau große Aufgaben an. Und Ähnliches wird auch Breitengüßbach drohen, denn Bahn- und Straßenbau sind Maßnahmen, welche die Gemeinde in den kommenden Jahrzehnten maßgeblich prägen werden und daher die volle Aufmerksamkeit erfordern.
Johannes Michel