Am 5. November 2020 fand in Kemmern eine denkwürdige Sitzung des Gemeinderats statt: Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bamberg kündigte an, sich aus dem Mehrgenerationenprojekt teilweise zurückzuziehen und die Einrichtung für betreutes Wohnen mit Senioren-Tagespflege nicht zu verwirklichen. Nun wurde ein neuer Partner gefunden …
„Ich bin froh, dass die Sondierungsgespräche erfolgreich waren und wir heute ein neues Konzept vorstellen können. In konstruktiven Gesprächen haben wir versucht, neue Pfade zu beschreiten und gerade die Tagespflege zu stärken.“ Bürgermeister Rüdiger Gerst führte am 4. März 2021, ziemlich genau vier Monate nach dem Rückzug der AWO, in einen Tagesordnungspunkt der jüngsten Gemeinderatssitzung ein, der sicher ebenso lange in Erinnerung bleiben wird. Zu Gast waren Geschäftsführer Sebastian Beetz und Pflegedienstleitung Julia Reck vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Forchheim-Bamberg sowie Architekt Joachim Schlund aus Bad Staffelstein.
Beetz stellte den ASB Forchheim-Bamberg zunächst vor. 230 Mitarbeiter werden beschäftigt, im Landkreis Bamberg allerdings sei der ASB noch eher weniger vertreten. Das solle sich aber ändern – mit dem Einstieg in Kemmern. Ein ähnliches Projekt mit betreutem Wohnen und Tagespflege betreibe der ASB bereits in Affalterthal (Markt Egloffstein). Dort gelte der Leitspruch: „Zuhause in den eigenen vier Wänden“, so Beetz, und das bedeute, dass jeder Bewohner auch bei steigender Pflegebedürftigkeit in seiner Wohnung bleiben könne. Hinzu komme eine Tagespflege. Auch in Kemmern sei nun eine solche Kombination angedacht. „Das Konzept mit mehreren Generationen in einem Quartier finde ich richtig toll“, erklärte Beetz. Eine Zusammenarbeit mit der AWO, die die Kindertagesstätte betreiben wird, sei kein Problem.
So soll das Gebäude aussehen …
Eröffnung im Herbst 2022?
Julia Reck konkretisierte die Tagespflege. 20 Plätze seien hier geplant, sie sollen an sieben Tagen der Woche von jeweils 8 bis 18 Uhr zur Verfügung stehen. Neben gemeinsamen Aktivitäten wie Gymnastik oder Leserunden könne, wie es andernorts praktiziert werde, auch mit dem Kindergarten zusammen etwas etabliert werden.
Wie genau das zugehörige Gebäude aussehen wird, zeigte Architekt Joachim Schlund. Bereits im Juli 2019 hatte er den Entwurf den Gemeinderäten präsentiert, er wurde nun vor allem im Innenbereich den neuen Anforderungen des ASB angepasst. Neben der Tagespflege werden 25 Wohnungen für betreutes Wohnen bereitstehen, 22 davon als Zwei- und drei als Drei-Zimmer-Wohnungen. Die Wohnungen können von Interessenten käuflich erworben werden, monatlich wird für die Hausdienstleistungen eines Case-Managers ein Betrag von ca. 100 Euro zu bezahlen sein. Diese vom ASB beschäftigte Person werde sich um alles kümmern, was für die Bewohner relevant sei – von der Organisation von Veranstaltungen bis hin zu Unterstützung bei der Auswahl des Pflegedienstes oder der Bestellung von Essen auf Rädern. Zu den genauen Kaufpreisen der Wohnungen äußerte sich Schlund noch nicht. Ein Verbindungsgebäude stelle den Bezug zur Kindertagesstätte her, ein kleiner Saal diene für Begegnungen. Ziel sei, im Sommer mit dem Bau zu beginnen und nach rund 14-monatiger Bauzeit zu eröffnen.
Im Erdgeschoss befinden sich Wohnungen und der Bereich der Tagespflege (violett).
Die Gemeinderäte reagierten positiv auf die Präsentation. Auch Bürgermeister Gerst erfuhr Anerkennung für die schnelle Reaktion auf den AWO-Ausstieg. Einige Detailfragen kamen noch auf, etwa, ob die Wohnungen zweckgebunden verkauft werden können beziehungsweise ob verhindert werden könne, dass Personen einziehen, die ein betreutes Wohnen gar nicht brauchen. Dies werde gerade anwaltlich geklärt, so Schlund. Auf die Gemeinde kommen für den Bau der Einrichtung keine Kosten zu, sie wird das Grundstück dazu an den ASB verkaufen. Das Gebäude selbst baut ein Investor, der sich mindestens 20 Jahre an das Projekt binden wird. Einstimmig nahm der Gemeinderat das ASB-Konzept und die Gebäudeplanung zur Kenntnis. Bürgermeiste Gerst wurde beauftragt, die weiteren notwendigen Verhandlungen zu führen. In den Beschlussvorschlag wurde auch aufgenommen, dass die Gemeinde vom ASB die Bereitschaft zur Kooperation mit der AWO als Träger der benachbarten Kindertagesstätte erwartet.
Ergänzungen fürs Protokoll
In seinem allgemeinen Bericht wies Gerst auf die im März stattfindenden Bauarbeiten an der Bahnstrecke hin. Vom 26. bis 29. März sei eine Totalsperrung angekündigt. Zum Hochwasserschutz konnte er berichten, dass aktuell die Ausführungsplanung erstellt werde, was noch etwa bis Mai dauern werde. Die Gemeinde befinde sich momentan im Grunderwerb – es laufe gut, aber noch gebe es Verhandlungsbedarf.
Zu Beginn der Sitzung mussten die Besucher, wie auch schon vor der Marathonsitzung im Juli 2020, den Raum verlassen. Gemeinderat Jochen Gottwald (ZfK) hatte beantragt, dass mehrere Tagesordnungspunkte aus dem nichtöffentlichen in den öffentlichen Teil verschoben werden. Die Aussprache dazu muss nichtöffentlich erfolgen. Gottwalds Ansinnen war allerdings nicht erfolgreich, die Tagesordnung wurde nicht geändert. Auch über das Protokoll der vergangenen Sitzung wurde diskutiert. Gemeinderat Günter Schwank (UBB) stellte den Antrag, die Stellungnahme von Bürgermeister Gerst zum offenen Brief von Helmut Wild (ZfK) in Sachen neuer Kindertagesstätte als Anlage ins Protokoll auszunehmen. „Aus Sicht der Gemeinde wäre das wichtig, da im offenen Brief viele Unwahrheiten enthalten waren“, so Schwank. Bei einer Gegenstimme wurde dem stattgegeben. Wilds Antrag, auch seinen offenen Brief dem Protokoll beizufügen, wurde bei elf Gegenstimmen abgelehnt.
Pläne und Grafiken: Architekturbüro Schlund
Chapeau
Eine Superleistung von unserem Bürgermeister Rüdiger Gerst nach dem Ausstieg der AWO einen adäquaten Ersatz mit der ASB zu finden. Das Konzept von Geschäftsführer H. Beetz und der Pflegedienstleitung überzeugt vollkommen.
Es ist eine beachtliche Leistung, in der Kürze so einen Betreiber zu finden. Chapeau.
Es ist auf alle Fälle zu begrüßen, dass sich für Kemmern die Möglichkeit ergibt, eine Tagespflege und eine Sozialstation zu etablieren! Wer in der Sitzung genau zugehört hat, dem ist allerdings klar geworden, dass der Kontakt zum ASB Forchheim durch den Architekten und Investor Herrn Schlund hergestellt wurde. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber man sollte die Dinge auch so darstellen, wie sie sich verhalten. Jetzt kommt es darauf an, ein Konzept zu entwickeln, das für die Kemmerner Senioren einen möglichst hohen Mehrwert bringt und mit dem auch der Träger ASB auf Dauer auskömmlich eine Einrichtung betreiben kann. Dabei gibt es noch viele Fragen zu klären.