Bis kurz vor Mitternacht: Diskussionsbedarf im Gemeinderat

Zum ersten Mal seit der konstituierenden Sitzung im Mai traf sich der Gemeinderat von Kemmern. Die Themen waren vielfältig – von der Schulturnhalle bis zur Digitalisierung. Mit einer Sitzungsdauer, allein des öffentlichen Teils, von ziemlich genau fünf Stunden, hatte aber wohl keiner gerechnet.

Donnerstagabend, 23. Juli, kurz nach halb sieben. Gerade hat die Gemeinderatssitzung in Kemmern begonnen, schon müssen Publikum und Presse den Raum wieder verlassen. Gemeinderat Jochen Gottwald (Zukunft für Kemmern, ZfK) hat den Antrag gestellt, Tagesordnungspunkte, die sich auf der Tagesordnung der nichtöffentlichen Sitzung befinden, in die öffentliche zu verschieben. Und darüber kann nur nichtöffentlich beraten werden. 20 Minuten später geht es weiter, Bürgermeister Rüdiger Gerst informiert, dass die Tagesordnung unverändert bleibt.

Fast eine weitere Dreiviertelstunde müssen die Referenten für die beiden folgenden Tagesordnungspunkte dann aber noch warten – denn es gibt Unzufriedenheit mit dem Protokoll der konstituierenden Sitzung aus dem Mai. Helmut Wild (ZfK) geht es vor allem um die Formulierungen von Beschlüssen – die seien irreführend. Sein Antrag, dies zu korrigieren, wird mit vier zu zehn Stimmen abgelehnt. Bürgermeister Gerst blickt mehrmals zu Geschäftsleiter Markus Diller, der zugleich Protokollführer ist: „Wir haben einen Protokollanten, der das Protokoll nach bestem Wissen und Gewissen führt.“ Eine Ergänzung ist Wild noch wichtig: Nachdem in den Sitzungen laut Geschäftsordnung von den Gremiumsmitgliedern kein Laptop, Tablet oder Smartphone verwendet werden darf, soll im Protokoll stehen, dass, so habe es der Bürgermeister zumindest gesagt, der in den Sitzungen beim Protokollanten zur Verfügung stehende Laptop auch für Recherchen genutzt werden kann. Gerst lässt dies ergänzen und über das Protokoll insgesamt abstimmen. Ergebnis: Protokoll genehmigt, mit zehn zu vier Stimmen.

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Nachdem Gerst bekanntgegeben hat, dass ZfK und Bündnis 90 / Die Grünen eine Fraktion im Gemeinderat bilden (ein Novum, bisher arbeitete der Gemeinderat in Kemmern stets ohne Fraktionen), leitet er zum nächsten Thema über – der Digitalisierung der Grundschule Kemmern. Zu Gast sind Rektorin Gisela Koschwitz und Siegbert Reuther von Reuther NetConsulting. Er stellt Pläne vor, wie das Schulhaus vernetzt werden könnte – mit einer umfangreichen Netzwerkverkabelung (Kabellänge rund 7,5 Kilometer), Dosen, WLAN und Medientechnik. Die Klassenzimmer würden dann über ausreichend Anschlüsse, je zwei PCs, Dokumentenkamera, Beamer und Soundbar verfügen, für die Lehrer stünden Tablets zur Verfügung. Bei den Kosten geht Reuther von rund 110.000 Euro aus, der Eigenanteil der Kommune liegt bei 60.000 Euro. Eine Auftragsvergabe könnte schon Ende August erfolgen, so dass die Arbeiten noch in diesem Jahr abgeschlossen wären. Auf sich warten lasse allerdings noch der beauftragte Glasfaseranschluss fürs Schulhaus, mit einer Ausführung durch den Anbieter T-Systems sei bis August 2021 zu rechnen.

Unter der Voraussetzung, dass Fördergelder bewilligt werden, stimmt der Gemeinderat dem Digitalkonzept einstimmig zu. Jochen Förtsch (ZfK) regt an, auch die Turnhalle, die gleich noch Thema sein werde, in die Netzwerkplanung mit aufzunehmen. Und Helmut Wild fragt, ob mit der dann bald vorhandenen Ausstattung das Thema Homeschooling gelöst sei. Reuther: „Das wäre eine andere Baustelle, da müsste man noch ein wenig draufsatteln.“ Die technischen Voraussetzungen ließen dies aber zu.

Sanierung – oder vielleicht doch ein Neubau?

Im Januar 2019 hatte der Gemeinderat ohne Gegenstimmen beschlossen, die Schulturnhalle energetisch zu sanieren und mit einem neuen Heizsystem zu versehen. Architekt Karl-Heinz Rösch erklärte bereits damals, dass die Dachkonstruktion Schwierigkeiten bereiten könnte, da die Heizplatten, die an der Decke befestigt werden sollen, einiges an Gewicht mitbrächten. Dies habe sich bestätigt, gibt Rösch nun an die Gemeinderäte weiter. Daher sehe er zwei Möglichkeiten: Die Turnhalle könne mit einem anderen Heizsystem ausgestattet werden, einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und Weitwurfdüsen, was aber hohe Kosten und ebenso hohe Folgekosten durch Wartung und Stromverbrauch verursache. Eine andere Möglichkeit wäre, die Deckenheizung wie geplant zu verbauen und in diesem Zuge der Turnhalle ein neues Dach zu verpassen. Inklusive einer Akustikdecke koste das etwa 550.000 Euro – gegenüber rund 530.000 Euro für die andere Option, bei der das alte Dach verbleiben könne. Rösch empfiehlt den Räten daher die Lösung mit dem neuen Dach, das zudem eine Photovoltaikanlage tragen könnte – mit dem alten Dach ist das aus statischen Gründen nicht möglich. Auch Heizungsbauer Helmut Ortlauf, der ebenfalls zu Gast ist, plädiert für die Deckenheizung unter einem neuen Dach. Während der Arbeiten müsste die Halle für vier bis fünf Monate gesperrt werden, so Rösch – Rektorin Koschwitz bittet daher darum, die Bauarbeiten in der Sommerzeit durchzuführen, da könne der Schulsport meist auch im Freien stattfinden. Für die energetische Sanierung waren zuletzt (Januar 2019) 382.000 Euro vorgesehen, der Betrag sollte auch Mängelbeseitigungen enthalten. Rund 200.000 Euro erhält Kemmern aus dem Förderprogramm KIP-S.

Die Schulturnhalle in Kemmern.

Gemeinderat Helmut Wild regt in der sich anschließenden Diskussion an, bei der energetischen Sanierung auch die Sanitärbereiche zu berücksichtigen und eventuell eine kleine Küche einzubauen. Es fehle aktuell an einer Möglichkeit, beispielsweise Geschirr abzuspülen, wen Veranstaltungen in der Halle seien. Er fragt außerdem, ob eine Sanierung überhaupt wirtschaftlich sei und was eine komplett neue Halle kosten würde. Das aktuelle Bauwerk sei über 50 Jahre alt und bleibe, bis auf Dach und Außenwände, nach der aktuell geplanten Sanierung alt. Bürgermeister Gerst antwortet dazu, eine neue Halle würde sich bezüglich der Fördergelder nach der aktuellen Schulgröße richten. Somit fiele eine Turnhalle heute kleiner aus („Kleinsporthalle“). Architekt Rösch, direkt angesprochen auf den Preis für eine neue Halle, äußert sich nicht – einige Räte schätzen mindestens anderthalb Millionen Euro. Gerst meint, der Gemeinderat habe die Sanierung bereits verabschiedet, die Frage stelle sich also eigentlich gar nicht.

Nachdem Helmut Wild dennoch mehrfach das Thema Neubau ins Spiel bringt und die Sitzung zu diesem Zeitpunkt die Drei-Stunden-Marke knackt, bittet Silvia Jung (CSU) darum, das Thema nicht weiter zu zerreden und fortzufahren – worauf Julia Schatkowski-Amtmann (Zfk) entgegnet, wer keine Lust auf Diskussionen habe, solle in einen Strickclub gehen. Dr. Oliver Dorsch (Grüne) beantragt daraufhin, das Thema zurückzustellen und, wie Helmut Wild ins Spiel gebracht hatte, eine Kostenberechnung für einen Neubau als Vergleichswert erstellen zu lassen. Das wird mit fünf zu zehn Stimmen abgelehnt. Mit elf zu vier Stimmen wird anschließend beschlossen, dem Vorschlag des Architekten zuzustimmen und die Turnhalle mit einem neuen Dach inklusive Akustikdecke, Deckenheizplatten, LED-Leuchten und einer Lautsprecheranlage (10.000 Euro zusätzlich) auszustatten. Berücksichtigt werden soll auch der Einbau einer Photovoltaikanlage.

Architekt Karl-Heinz Rösch hatte im Januar 2019 diesen Entwurf für die neue Außenansicht gezeigt. Optisch soll sich auch mit neuem Dach wenig ändern. Grafik: Architekturbüro Rösch Hanisch

Bauarbeiten für Abwasseranschluss an Bamberg starten bald

In seinem Kurzbericht geht Bürgermeister Rüdiger Gerst dann auf verschiedene Punkte ein. Aus der Städtebauförderung seien für Kemmern 360.000 Euro bewilligt worden. Aufgrund geringer Nutzung würden Fahrten der Buslinie der Firma Hasler ab September durch einen Rufbus ersetzt. Die LED-Umstellung der Straßenbeleuchtung zeige Wirkung, der Stromverbrauch sei um 33 Prozent zurückgegangen. Im Bereich des geplanten Mehrgenerationenprojekts seien archäologische Sondierungen durchgeführt worden, ohne Funde. Und die Autobahndirektion Nordbayern habe Sperrungen der Ausfahrt Kemmern angekündigt – vom 31. August bis 4. September von Suhl kommend, vom 8. bis 11. September von Bamberg kommend.

In einem eigenen Tagesordnungspunkt gibt er Informationen zum Anschluss des Abwassernetzes an die Kläranlage Bamberg weiter. Hier habe es verschiedene Gespräche gegeben, die Grundstücksgeschäfte seien abgeschlossen, so dass die Trasse gebaut werden könne. Im Mai wurde der Bau des Abwasserpumpwerks ausgeschrieben, der Auftrag für den Rohbau sei erteilt, im Herbst sei ein Spatenstich geplant – Bauzeit: neun Monate. Die Inbetriebnahme der Gesamtanlage sei für 2022 terminiert. Positiv: Der bauliche Teil des Pumpwerks sei mit 900.000 Euro kalkuliert gewesen, das Angebot der günstigsten Firma liege 100.000 Euro darunter.

Das Fass nicht wieder aufmachen …

Ein Antrag der Fraktion Zukunft für Kemmern und Bündnis 90 / Die Grünen zur Bewerbung beim Modellvorhaben „Klimagerechter Städtebau“ im Hinblick auf die Realisierung des Baugebiets Bettelweg wird nach Gersts Bericht mit fünf zu zehn Stimmen abgelehnt. Gerst: „Ich habe mich mit dem Ministerium in Verbindung gesetzt und erfahren, dass die Förderkulisse nicht für Bebauungsgebiete gedacht ist, sondern als ganzheitliches Konzept für eine Kommune. Wir würden daher nicht zum Zug kommen.“ Auch sei der Bewerbungsschluss, bis zu dem umfangreiche Unterlagen abgegeben werden müssten, bereits Ende August.

Jochen Gottwald (ZfK) hatte den Antrag damit begründet, dass der vorhandene Bebauungsplan bereits rund 20 Jahre alt und damit in Sachen Klimaschutz nicht mehr auf dem aktuellen Stand sei. Es müsse daher um den klimagerechten Einsatz von Vegetation oder auch die Vorbeugung von Starkregenereignissen gehen. Dr. Oliver Dorsch sah das ähnlich – im alten Bebauungsplan wären einige Dinge zu ändern. Bürgermeister Gerst widersprach. Es sei nicht anzuraten, den rechtskräftigen Plan anzutasten, da es dann möglich sei, „dass wir den Deckel nie mehr draufkriegen“. Die Erschließung sei immer ein großes Thema gewesen, die Gesetzes- und Verordnungslage beim Naturschutz habe sich seitdem verdichtet. „Wir würden, ohne Not, einen weiteren Schwierigkeitsgrad einfügen“, so Gerst. Dem Wunsch von Silvia Jung an die Fraktion ZfK / Grüne, den Antrag zurückzuziehen, wurde nicht entsprochen.

45 Minuten Anfragen

Nach fast viereinhalb Stunden Sitzung steht zum Abschluss noch der Tagesordnungspunkt „Anfragen“ auf der Agenda, der eine weitere Dreiviertelstunde dauert. Dabei geht es meist um Kleinigkeiten wie fehlende Verkehrsschilder oder Baumschnitte, angesprochen wurde auch der WLAN-Hotspot im Rathaus, der bisher nicht realisiert wurde. Helmut Wild begründet die Flut an Anfragen damit, dass seit Mai keine Sitzung mehr stattgefunden habe – in anderen Kommunen sei eine so lange Pause, trotz der Corona-Pandemie, nicht der Fall gewesen.

Interessant ist noch ein E-Mail-Verkehr zwischen Gemeinderat Jochen Förtsch und dem neuen Geschäftsführer der AWO Bamberg, Matthias Kirsch. Förtsch hatte in einer E-Mail nach dem aktuellen Stand zum Mehrgenerationenprojekt gefragt und erhielt die Antwort, dass die Kindertagesstätte fix sei, dass beim Seniorenwohnen aber noch Details zu klären seien und ein Vorstandbeschluss ausstehe. Auf Nachfrage habe der zuständige Architekt von einem momentanen Stopp gesprochen. Gerst entgegnet, er gehe auch nach dem Weggang von Geschäftsführer Werner Dippold von Kontinuität aus und habe keine solchen Informationen.

Um 23.30 Uhr, nach ziemlich genau fünf Stunden, schließt Gerst dann die öffentliche Sitzung – der nichtöffentliche Teil steht da noch auf dem Programm …

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