Gestartet 1991 – nun ist die Dorferneuerung abgeschlossen

Im Titelbild: Die für die Dorferneuerung in Busendorf Verantwortlichen (v.l.): 1. Vorsitzende TG Gudrun Kraus (ALE), 1. Bürgermeister Hans-Jürgen Scheerbaum, die drei Vorstandsmitglieder Margit Jäger, German Baum, Walter Beringer sowie Amtsleiter Lothar Winkler (ALE)

„Nein, an einen Faschingsscherz hat sicher niemand gedacht, als man am 11. November 1991 die Dorferneuerung Rattelsdorf-Mürsbach offiziell angeordnet hatte. Als der Antrag am 14. Januar 1986 vom Markt Rattelsdorf gestellt wurde, war hier noch ‚Zonenrandgebiet‘, sprich, benachteiligtes Gebiet!“

So führte Bauoberrätin Gudrun Kraus vom Amt für Ländliche Entwicklung, zugleich Erste Vorsitzende der Teilnehmergemeinschaft (TG) Rattelsdorf in die Erfolgsgeschichte ein.

Anlass war die Fertigstellung des Gesamtprojektes im Dorfgemeindehaus von Busendorf, ebenfalls eine Maßnahme, die sich sehen lassen kann, so ihr Lob. Ziel war es, die Ortsteile Mürsbach, Busendorf, Hilkersdorf und Poppendorf attraktiver werden zu lassen, was man mit 1,1 Millionen DM angesetzt hatte. Für Speiersberg war zunächst nichts vorgesehen. Ausgangspunkt des Antrags lag in dem Wunsch, „eine spürbare Verbesserung der innerörtlichen Verhältnisse sowie des Wohnumfeldes zu erringen“, um bevorstehende Probleme zu lösen. Ortsstraßen sollten saniert, sowie Straßenräume und Plätze gestaltet werden, um eine bessere Wohnqualität zu schaffen. Für Mürsbach wollte man eine „renovierende Gestaltung der alten ortsbildprägenden Häuser und Wirtschaftsgebäude“ ins Auge fassen.

Zuständig für die zukünftige Arbeit war ein Vorstand, der am 7. Juli 1992 gewählt wurde. Mitglieder der ersten Stunde, so resümierte Gudrun Kraus, waren Herta Müller, Karin Knauer und Oswald Schmitt. In der Folgezeit wurde der Vorstand 1999, 2007 und 2014 neu zusammengestellt. Von Seiten der damals noch unter dem Namen „Flurbereinigungsdirektion“ agierenden Behörde begleiteten Karl Ernst Koch und Hermann Herbst, dann Rainer Albart und Bruno Kunzmann, später Karl-Heinz Eichfelder (2001), Gerhard Daum und Klaus Spreng (2004) die Maßnahmen. Seit 18 Jahren steht die jetzige Vorsitzende dem Projekt vor. Ihre Nachfolgerin im Amt, die Technische Oberinspektorin Kimana Kühnlein, wohnte der Veranstaltung bei, um aus den Erfahrungen der Teilnehmergemeinschaft zu lernen.

Bauoberrätin Gudrun Kraus, Vorsitzende der TG, lässt die letzten 34 Jahre Revue passieren. Von links: Erster Bürgermeister Hans-Jürgen Scheerbaum (Rattelsdorf), und Amtsleiter ALE Lothar Winkler, sowie die Nachfolgerin im Amt, Technische Oberinspektorin Kimana Kühnlein (rechts)

Denkmäler und Landwirtschaft

Wichtig für einen zukünftigen Erfolg sei es, die Bürger für die Sache zu begeistern und zum aktiven Handeln zu bewegen. Gudrun Kraus erinnerte an die intensive Planungsphase unter den Fachleuten, Dr.-Ing. Gabriele von Grunelius-Ishak (Thaining) und dem Landschaftsarchitekten Karl Spindler (Kastl), die Erstellung von denkmalpflegerischen Erhebungsbögen und einer ortsräumlichen Planung bzw. Planung Grünökologie/Dorfökologie, die Besuche der Schule für Dorf- und Flurentwicklung in Klosterlangheim, die denkmalpflegerische Beratung durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege und die Aufmaße der historischen Gebäude in Mürsbach durch Architekturstudenten der FH München. Für den Direktionsbereich Bamberg besaß all jenes damals Pilotcharakter, als die Stärken und Schwächen der fünf Ortschaften festgestellt und ein Ziel und Leitbild definiert wurden.

Für Mürsbach stand die Erhaltung der Denkmäler im Vordergrund, die anderen Gemeindeteile benötigten Hilfe für die Landwirtschaft, die Stärkung der Dorfgemeinschaft und die Verbesserung der Wohn- und Arbeitsverhältnisse unter Erhaltung des bäuerlichen Charakters.

Der Dorferneuerungsplan bestand aus 86 Wunschmaßnahmen, die Direktion für Ländliche Entwicklung legte am 9. Juli 1996 deren Förderfähigkeit fest. Die Gesamtinvestition konnte nunmehr auf sieben Millionen DM beziffert werden, davon wurden 2,3 Millionen DM in Aussicht gestellt. Für private Baumaßnahmen standen nochmals 1,9 Millionen DM zur Verfügung.

Bis 2008 war die letzte öffentliche Maßnahme mit dem Ausbau der Zaugendorfer Straße abgeschlossen, so berichtete die Vorsitzende, den Spielplatz in Busendorf konnte man 2018 „nachschieben“. Die Grenzneufestlegung beganns schließlich 2014 und der Flurbereinigungsplan wurde im Februar 2021 bekanntgegeben. Seine Rechtskraft erhielt er im August 2022.

Metallbau-Künstler Joachim Angerer (2. V. l.) erklärt erstem Bürgermeister Scheerbaum und Amtsleiter Winkler den Entstehungsprozess des neuen Denkmals, rechts, Patrick Süppel, der sich für die technische Umsetzung in Edelstahl verantwortlich zeigte.

Die für die anderen vier Ortschaften vorgesehenen Denkmäler mit Metallkünstler Joachim Angerer und Patrick Süppel.

Einzigartiges historisches Ortsbild erhalten

Als Paradebeispiele wurden aufgezählt, die Neugestaltung des Kirchplatzes, Sanierung Treppenaufgang zur Kirche und Verkündhalle in Mürsbach, Gemeinschaftshaus und Dorfstraße in Busendorf, die Neugestaltung der Dorfmitte mit Brunnen und Sanierung der Dorf-Linde in Poppendorf, die Neugestaltung der Außenanlagen des Feuerwehrhauses sowie Umbau des Gemeinschaftsraums in Speiersberg sowie die Gestaltung des Dorfangers mit Errichtung eines Pavillon in Hilkersdorf.

Das Ziel wurde erreicht: Mürsbach erhielt bereits 2003/04 als Staatspreis eine Ehrenurkunde, weil dort das einzigartige historische Ortsbild erhalten werden konnte. Es folgte 2013 „Gold“ im Bundeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft – unser Dorf soll schöner werden.“

Die Kosten betrugen insgesamt 2,3 Millionen Euro, wovon 1,5 Millionen Euro Zuschüsse die EU, der Bund und das Land übernahmen. Rattelsdorf steuerte 800.000 Euro bei. Was aber zum tatsächlichen Erfolg führte, war die hohe Beteiligung der privaten Anwesen, die das Erscheinungsbild eines Dorfes überragend mittragen, damit die Ortskerne nicht aussterben. „Fränkisches Fachwerk, farbige Fassaden oder Sandsteingebäude blieben so erhalten“, so Kraus, das würden 113 Förderanträge innerhalb der fünf Marktgemeindeteile bekräftigen. Die Gesamtsumme von 3,8 Millionen Euro wurde vom Freistaat Bayern mit 640.000 Euro unterstützt.

Zu verdanken sei das auch der guten Zusammenarbeit mit den vorherigen Marktgemeinde-Oberhäuptern, Altbürgermeister Gerhard Jäger und Bruno Kellner, sowie dem jetzigen, Hans-Jürgen Scheerbaum, für „offene Ohren und Türen“ der Verwaltung und den „Heinzelmännchen vom Bauhof“. Mit einer Gedenkminute wurden die bereits verstorbenen Vorstandsmitglieder, welche die Maßnahme innerhalb der letzten 34 Jahr begleitet haben, geehrt. Die Vorsitzende schloss mit dem Dank an alle Aktiven und Ehemaligen der Teilnehmergemeinschaft Rattelsdorf-Mürsbach, ohne deren konstruktive und angenehme Zusammenarbeit die Maßnahmen nicht hätten verwirklicht werden können.

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Dorfgemeinschaftshaus in Eigenleistung hergerichtet

Von German Baum, zuständig für die TG in Busendorf, wurde die Arbeit am Dorfgemeinschaftshaus „Alte Schule“, das durch die ehrenamtliche Arbeit der Bürgerinnen und Bürger mit mehr als 4000 Stunden in Eigenleistung zu einem Schmuckstück hergerichtet wurde, bereits bei Begrüßung der Ehrengäste zu Beginn der Feierlichkeiten hervorgehoben.

Neben dem Treppenaufgang des Gebäudes wurde vor Einbruch der Dämmerung ein Denkmal, zur Erinnerung an den Abschluss der Dorferneuerung vom Amtsleiter des ALE Lothar Winkler und Bürgermeister Hans-Jürgen Scheerbaum, sowie denjenigen, die sich für Entwurf und Ausführung des Kunstwerks zuständig zeigten: Joachim Angerer (KBA-Metalltechnik-Stahlbau/Mürsbach), German Baum (Kachelbilder) und Patrick Süppel (Umsetzung in Edelstahl). Die Gestaltung der Keramikkachel (Verarbeitung Keramik-Werkstatt Döppmann, Dörfleins) wurde von German Baum entworfen.

Heinz Eller aus Mürsbach erhält seine Dankurkunde aus den Händen von Amtsleiter Lothar Winkler, links und rechts 1. Vorsitzende der TG Gudrun Kraus und erster Bürgermeister Hans-Jürgen Scheerbaum.

Denkmäler in allen vier Orten

In den vier anderen Ortschaften werden entsprechende Denkmale aufgestellt, welche das Sanierungsgebiet in einer modern gestalteten Landkarte zeigen. Jeder der vier erhält eine eigene Kachel mit dem ortsspezifischen Wahrzeichen.

Bürgermeister Scheerbaum erinnerte während der Enthüllung daran, dass der ländliche Raum kein Raum der Zweiten Klasse sei. In den Städten sei es selbstverständlich zu investieren, aber die Dörfer dürften nicht vergessen werden, so appellierte er an die Politik: Kürzungen zielen nicht auf die Zukunft! In bürgerlichem miteinander sollten Mittel wieder aufgestockt und solche Maßnahmen weiterhin im Ländlichen Raum finanziert werden.

Amtsleiter Lothar Winkler ließ es sich schließlich nicht nehmen, die Übergabe der Ehrenurkunden an die TG-Mitglieder, welche sich für die Maßnahmen der Dorferneuerung verantwortlich zeigten, persönlich durchzuführen.

Er erinnerte in seinem Prolog daran, dass es sich bei Umsetzung dieser Dorferneuerung um ein Erfolgsmodell handle. Nachdem das Programm Anfang der 1980er Jahre ins Leben gerufen wurde, entwickelte man Anfang der 1990er Jahre eine neue Philosophie: Die Bürgerbeteiligung wurde verstärkt, die Schule in Klosterlangheim nahm so richtig Fahrt auf, resümierte Winkler.

Die Kacheln für die Denkmäler der anderen vier Orte mit ihrem „Ort des Erkennens“.

Als Wegbegleiter seien die bereits genannte Stararchitektin von Grunelius-Ishak und Landschaftsarchitekt Spindler bereits genannt worden. Mit Letzterem verbinde der Amtsleiter seit 2012 Projekte in China. Als Planer für die Ästhetik des Ländlichen Raums sei Professor Wilhelm Landzettel (+1995) nicht zu vergessen. In einem dreitägigen Seminar hier draußen, sollte der Zerstörung des Ländlichen Raums entgegengewirkt, und die „Orte des ersten Erkennens“ definiert werden“, das sei hier der Kirchturm.

Die lange Verfahrenslaufzeit war an die Wellenbewegung der Finanzzusagen gekoppelt. „Es gibt Jahre, da haben wir Geld und Power, momentan fließen die Gelder nicht so, wie wir es uns wünschen“, fügt Winkler hinzu. Einige Kommunen können heute die Eigenleistung nicht aufbringen und Projekte nicht umgesetzt werden, auch die letzte Regierung habe rigorose Kürzungen vorgenommen. Den Anwesenden, den an den durchgeführten Maßnahmen teilhabenden Mitarbeitern, zollte er Lob, Anerkennung, Respekt und Dank.

Erinnerungs- und Dankurkunden erhielten die Vorstandsmitarbeiter der TG in den jeweiligen Ortschaften:

  • Mürsbach: Reinhard Buss, Heinz Eller, Petra Eller, Sabina Sitzmann-Simon, Ralf Schmitt
  • Busendorf: German Baum, Walter Beringer, Margit Jäger
  • Hilkersdorf: Karin Knauer, Manfred Reisenweber
  • Poppendorf: Karl-Peter Dorsch, Katja Fuchs
  • Speiersberg: Herta Müller, Oswald Schmitt

Für die Erinnerungsfotos wurde von Bürgermeister Hans-Jürgen Scheerbaum das jeweils für den Tätigkeitsbereich sprechende Motiv, die entsprechende Ortskachel nach Entwurf und Vorzeichnung von German Baum, hochgehalten. Das sind in Mürsbach – die Verkündhalle mit Brunnen, in Hilkersdorf – der Pavillon, in Poppendorf – der Brunnen, in Speiersberg – da Feuerwehrhaus

Die Kachel für Busendorf – das Dorfgemeindehaus „Alte Schule“, war bereits am Denkmal angebracht.

Das gemütliche Beisammensein im Anschluss wurde von den Helfern des Obst- und Gartenbauvereins Busendorf unter Vorsitz German Baum tatkräftig unterstützt. Es bot ausgiebig die Möglichkeit, in Erinnerungen zu schwelgen.

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