Am 9. November 2025 wiederholte sich der Todestag von Carl Nikolaus Fraas zum 150. Mal. Die Marktgemeinde Rattelsdorf nahm dies zum Anlass, den am 6. September 1810 im Ort geborenen, verdienstvollen Wissenschaftler gebührend zu ehren.
Der SPD-Ortsverein hatte bereits Anfang des Jahres auf das anstehende Jubiläum aufmerksam gemacht, erklärte Erster Bürgermeister Hans-Jürgen Scheerbaum den vor dem früheren Geburtshaus Versammelten. Sie habe auch den Hinweis gegeben, dass hier einst eine Erinnerungstafel angebracht war, die um 1950 in die Landwirtschaftsschule nach Staffelstein transferiert wurde. Die Lehranstalt erhielt damals seinen Namen. Da das Gebäude mittlerweile umgewidmet war und die Steintafel seither als verschollen galt, machte sich Gemeindearchivar Manfred Jungkunz auf die Suche – und wurde nach Hinweis von Prof. Wilfried Krings im Keller des früheren Landratsamtes in Staffelstein, jetzt Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, fündig. Als Nächstes ging es um Klärung der Zuständigkeit und Frage der zukünftigen Aufbewahrung. MdB Emmi Zeulner kontaktierte Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold und dieser konstatierte, „dass der einzig richtige Ort für die Gedenktafel ihr ursprünglicher Herkunftsort sei“. Da das Geburtshaus mittlerweile durch einen Neubau ersetzt war, wurde der Bauhof beauftragt, sich über die Tafelbefestigung an der Fassade Gedanken zu machen und diese umzusetzen. So die Vorgeschichte.
Gedenkfeier vor dem Geburtshaus von Carl Nikolaus Fraas, wohl im November 1925 anlässlich der Gedenktafel-Anbringung im Obergeschoss rechts neben der Eingangstür; Repro aus dem Familienalbum von Günther Stößel
Die Wiedergefundene Gedenktafel für Carl Nikolaus Fraas, Foto: Marktgemeinde Rattelsdorf
Um die Erinnerung an das Leben und Wirken dieses „bayerischen Agrarwissenschaftlers und Reformers der intensiven Landwirtschaft“ wach zu halten, hatte sich Marktgemeinderätin Christine Jäger (SPD) mit der Biografie von Carl Fraas näher beschäftigt und berichtete mittels anschaulicher, an die Hauswand geworfener Power-Point-Präsentation, über seinen Werdegang. Den Impuls zum SPD-Antrag, verriet sie, habe ihr Vater, Altbürgermeister und Ehrenbürger Gerhard Jäger, gegeben. Sie selbst habe bis dahin recht wenig über diesen „bekannten Rattelsdorfer“ gewusst.
Leben und Wirken von Carl Fraas
Das ansprechende Referat begann mit einem Foto, als die Gedenktafel am früheren Geburtshaus – wohl anlässlich des 50. Todestages – zum ersten Mal enthüllt wurde. Als Vater des Kindes bekannte sich der aus Bamberg stammende Andreas Fraas, Aktuar im damaligen Rentamt Rattelsdorf. Die Mutter, Elisabeth Maria Müller, brachte das Kind im ledigen Stand auf die Welt, weswegen sich die Großeltern um Carl kümmerten und er bei ihnen aufwuchs.
Als die Mutter jemanden anders heiratete, nahm der Vater, mittlerweile im herzoglichen Landgericht auf Schloss Banz tätig, den Jungen zu sich und ermöglichte ihm die Ausbildung im Alten Gymnasium in Bamberg. Danach folgte ein eineinhalbjähriges Studium der Philosophie und Botanik an der dortigen Hochschule sowie der Anatomie an der Chirurgischen Schule.
Professor Dr. Carl Nikolaus Fraas 1810 – 1875, aus Dr. Haushofer: C. F. Herkunft und Wirken eines fränkischen Landwirts, Nürnberg 1941, Reproduktion
1832 wurde dem begabten Scholar das Studium der Medizin an der Ludwig-Maximilian-Universität München ermöglicht, wobei er sich aber gleichzeitig der Botanik verschrieb. Als Jahrgangsbester erhielt er ein Stipendium, eine Assistenzstelle im Botanischen Garten und der Akademie der Wissenschaft. Seine Promotion als „Doctor Medicinae“ schloss er am 1. August 1834 ab, daneben bestand er das Staatsexamen zur Erlangung höherer Lehramtsstellen. Im Anschluss daran arbeitete er sowohl am Städtischen Krankenhaus wie auch als Assistent im Herbarium der Akademie in München.
Mit 25 Jahren zog er mit Prinz Otto von Bayern, der 1835 zum König von Griechenland ernannt worden war, dorthin, um an einer großen botanischen Exkursion teilzunehmen. Sodann wurde er erster Professor der Botanik an der neu errichteten Universität in Athen, gründete den botanischen Garten und wurde Aufseher der Hofgärten. Dort heiratete er auch Adelheid Voigt, Hofdame im Gefolge der Königin Amalie von Oldenburg, mit der er neun Kinder bekam. Jedoch erkrankte sie mit den ersten zwei Kindern am endemischen Wechselfieber, so dass die Familie 1841 nach Bayern zurückehren musste. Er folgte zwei Monate später und widmete sich seither fleißig der Lehre und Wissenschaft in Bezug auf Botanik, Zoologie und Landwirtschaft.
Marktgemeinderätin Christine Jäger (SPD) gibt einen aufschlussreichen Überblick über Leben und Wirken von Carl Nikolaus Fraas
Von da an reihte sich ein Amt an das nächste: 1847 ernannte ihn König Ludwig I. zum außerordentlichen Professor an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München, er wurde erster Sekretär des Landwirtschaftlichen Vereins in Bayern sowie Redakteur des Zentralblattes, das er reformierte. 1850 stieg er zum ordentlichen Professor auf und 1851 zum Direktor der Königlichen Zentraltierarzneischule in München. Er laborierte ab 1855 an der Agrikulturchemischen Versuchsanstalt und war an der Gründung der ersten bayerischen Kunstdüngerfabrik in Heufeld im Mangfalltal beteiligt. Er gilt u.a. als Erfinder des Lysimeters zur Beprobung von Bodensickerwasser. Die wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzungen mit Justus von Liebig bezüglich der Ausschließlichkeit des Mineraldüngers wurden schlussendlich zu seinen Gunsten entschieden.
Mit seinem Buch „Die Schule des Landbaus“ bereicherte er den Unterricht der bayerischen Landwirtschaftsschulen über zwei Jahrzehnte. In „Bavaria Rediviva [Bayern wiederentstanden]! Ein Beitrag zur Lehre vom Völkeruntergang durch Bodenerschöpfung“, seinem wohl bedeutendsten Werk aus dem Jahr 1865, ging er auf die „uralte Bauernwirtschaft“ seines Geburtsortes ein. Christine Jäger zitierte aus seiner Erinnerung: „Selbst …. habe ich in meiner Jugend gesehen, mit welcher Mühe der Kleinbauer seine rauhe Kost zu gewinnen genöthigt ist“, und beschrieb seine Erfahrungen mit der Landwirtschaft während des Jahresablaufs. „Damals schwor ich mir“, so Fraas weiter, „der Besserung der Lage unserer viel geplagten Volksklasse der Bauern, der stärksten Steuer- und Streitkraft meines Landes, auch alle meine Kräfte zu widmen.“
Bereits im Revolutionsjahr 1848 hatte er sich politisch positioniert und gab für die Landwirtschaft ein Zwölfpunkteprogramm heraus, das als Hauptforderung die Befreiung des Bodens von den Feudallasten zum Inhalt hatte. Noch heute darf Carl Fraas aufgrund seiner Vielzahl an Publikationen zu den produktivsten Fachautoren seiner Zeit gezählt werden, resümierte Jäger. Die letzten zehn Jahre bis zu seinem Tod am 9. November 1875 setzte er die wissenschaftlichen Theorien auf seinem Bauernhof in Neufreimann in die Praxis um. Die Referentin zeigte abschließend das Bild seiner Grabstätte auf dem Alten südlichen Friedhof in München und bat die Anwesenden eine Gedenkminute in Stille zu verharren.
Begrüßung der anlässlich der Gedenkfeier zum 150. Todestag von Carl Nikolaus Fraas Anwesenden durch Bürgermeister Hans-Jürgen Scherbaum
Gedenktafel enthüllt
Die anschließende Enthüllung der Gedenktafel nahmen Gerlinde Bank und Monika Vogt, beide geborene Schwarz, sowie Maria Schwarz vor. Die drei Schwestern waren im Fraas-Geburtshaus aufgewachsen, erstere zwei sind sogar ebenfalls dort geboren worden. Sie waren über die Wiederanbringung der Tafel sichtlich erfreut. Zugestimmt hatte auch der jüngste Verwandte, Hausbesitzer Günther Stößel.
Die Enthüllung der Gedenktafel durch die Verwandten des Landwirtschaft-Pioniers. (v.l.) Gerlinde Bank und Monika Vogt, beide geborene Schwarz, sowie Maria Schwarz
Ein Vorbild
Rudi Steuer, über 20 Jahre Vorsitzender des VLF (Verband für landwirtschaftliche Fachbildung), übermittelte zunächst die Grüße des Behördenleiters des Amtes für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten (AELF) in Coburg, Harald Weber. Er selbst nahm diesen Gedenkakt zum Anlass und schlug den Bogen bis zur heutigen Situation der Landwirte. Der Verein ehemaliger Landwirtschaftsschüler habe sich nach dem Ersten Weltkrieg formiert und aus Absolventen der Bamberger Institution bestanden. Im Altlandkreis Staffelstein wurde bald eine eigene Bezirksgruppe gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg, genau am 30. März 1948, hatte der damalige Bayerisches Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Dr. Alois Schlögl in Ingolstadt die Grundfragen der Agrarpolitik dargelegt und gefordert, dass in jedem Landkreis eine Fachschule errichtet werden müsse: „Jeder Bauernjunge und jedes Bauernmädchen sollte die Landwirtschafts-Schule besuchen“, so lautete die Leitlinie.
Rudi Steuer vom VLF bei seinem Grußwort
Anton Ostler, Kreisfachberater für Obst- und Gartenbau, hatte sich bereits ein Jahr früher für den Bau einer eigenen Landwirtschaftsschule in Staffelstein eingesetzte. Anlässlich der Eröffnung am 31. Oktober 1950 wurde der Institution der Name „Carl-Nikolaus-Fraas-Schule“ verliehen. Nach der Landkreisreform und der Aufteilung des Landkreises Staffelstein erfolgte 1973 die Auflösung der Schule. Mit dem Namen des berühmten Landwirtschafts-Forschers war eine geistige Richtung vorgegeben gewesen, er sollte den Schülern ein Vorbild und Beispiel sein, so erinnerte Rudi Steuer an die zweite Anbringung der Tafel im Schulgebäude.
Steuer selbst war am Tag vor der Veranstaltung in Sonnefeld bei einem Festakt der VLM, dem Verband landwirtschaftlicher Meister und Ausbilder in Bayern e.V., vor Ort gewesen, als sechs Goldene Meisterbriefe übergeben wurden. Jene landwirtschaftlichen Meister wurden für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
Die Bevölkerung muss ernährt werden, und die Aufgabe der Landwirte bestünde darin, Landwirtschaft nachhaltig zu betreiben und respektvoll mit den Produkten umzugehen. Carl Fraas sei für einen solchen Umgang Vorbild gewesen, schloss Steuer seine Ausführungen, und die Gedenktafel an ihrem rechten Fleck.
Alle an der Gedenkfeier anlässlich des 150. Todestages von Carl Nikolaus Fraas Beteiligten (v.l.): Die zu Carl Fraas verwandten Günther Stößel (Hausbesitzer), Gerlinde Bank Monika Vogt, beide geb. Schwarz, sowie Maria Schwarz, Marktgemeinderätin und Referentin Christine Jäger (SPD), Bürgermeister Hans-Jürgen Scheerbaum sowie Rudi Steuer vom VLF
Tafelinschrift
Universitätsprofessor/Dr. Karl Nik. Fraas/Weiland Direktor der Kgl./Gärten zu Athen, Direktor/der bayr. Zentrallandw. Schule/und Zentraltierarzneischule/Sekretär des Generalkomites /des Landw. Vereins i. Bayern./*1810 z. Rattelsdorf, + 1875 zu München./Dem hochverdienten /Förderer d. Landwirtschafts-/lehre in dankb. Gedächtnis! (gewidmet von der) Bezirksbauern-Kammer Staffelstein/ (und dem) Verein ehem. Landwirtschaftsschüler Bamberg











