„Bei unseren Planungen für das VR Bank Forum 2011 konnten wir noch nicht ahnen, welche Ausmaße die Euro-Krise einmal annehmen würde“, sagte Manfred Ullrich, Vorstand der VR Bank Bamberg, zur Begrüßung der Gäste im vollbesetzten Hegelsaal der Bamberger Konzert- und Kongresshalle am 2. Dezember. „Es freut uns daher umso mehr, dass wir einen der einflussreichsten Berater und Ökonomen gewinnen konnten.“ Gemeint war natürlich der Referent des Abends, Prof. Dr. Hans Werner-Sinn, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung.
Das Thema „Europa in der Krise“ kam genau passend zur aktuellen Entwicklung in Politik und Wirtschaft in Europa. Und Hans-Werner Sinn, der sich zurzeit auch häufig in größeren Zeitungen und anderen Medien zu Wort meldet, gilt als einer der wohl erfahrensten Wissenschaftler auf diesem Gebiet und fordert seit langem neue Kriterien für die europäische Gemeinschaftswährung. Nicht bei allen Zuhörern und Journalisten stößt er dabei auf positive Rückmeldungen, das Manager-Magazin betitelte ihn als „Professor für Provokation“.
Manfred Ullrich, Vorstand der VR Bank Bamberg, begrüßte Publikum und Referent.
Sinn holt zum Rundumschlag aus
Ohne Umschweife steigt Hans-Werner Sinn gleich zu Beginn seines zweistündigen Vortrags mitten ins Thema ein und erklärt, wie es in den Jahren bis 2008 zum Bauboom in Spanien, zum Wirtschaftsaufschwung in den südlichen Ländern Europas und zugleich zur Stagnation bei uns kommen konnte: Vor dem Euro waren die Zinsen in den Ländern sehr unterschiedlich, die Gemeinschaftswährung brachte eine Annäherung und machte das Investieren dort profitabel. Deutschland war hierbei der große Kapitalgeber – etwa zwei Drittel der Ersparnisse der Deutschen wanderten ins Ausland. Das Fazit, Deutschland habe vom Euro profitiert, sei daher genau die falsche Schlussfolgerung – vielmehr brachte er Deutschland die „rote Laterne“ ein und sorgte für die niedrigste Investitionsrate in der OECD-Zone, erläuterte der Münchner Professor.
Seit 2010 sei diese Phase aber vorbei. Die Kapitalabwanderung wurde gestoppt, das Kapital traue sich seitdem nicht mehr aus Deutschland hinaus. Durch die niedrigen Zinsen wurde in Deutschland ein Bauboom und steigende Immobilienpreise ausgelöst – ähnlich wie in Spanien einige Jahre zuvor.
Prof. Dr. Hans-Werner Sinn beim Vortrag in Bamberg.
Problem ist nicht die Staatsverschuldung
„Politik und Medien legen den Fokus stark auf die Staatsverschuldung“, sagte Sinn. „Das ist aber nicht das einzige Problem, vielmehr sind die Staaten in Südeuropa nicht wettbewerbsfähig.“ Wirklichen Zwist zwischen den Staaten erwartet Sinn dann, wenn die Krisenpapiere, die gerade in großem Stil aufgekauft werden, einmal fällig werden. „Unsere Kinder müssen dann versuchen, dieses Geld zurückzufordern. Ich wünsche Ihnen dabei schon jetzt viel Vergnügen.“
Einen Fokus setzte Sinn in seinem Vortrag auf die so genannten Target-Kredite. In der Eurozone gibt es keine Kontingentierung anhand der Staatsgröße, die festlegt, wie viel Geld ein Land drucken darf. Die Folge: Griechenland, Irland und auch andere Staaten hätten längst die Druckerpresse angeworfen und bezahlten ihren Konsum mit diesem Geld. So habe die deutsche Bundesbank mittlerweile eine Forderung von 466 Milliarden Euro gegenüber dem EZB-System – Geld, das sie wahrscheinlich nie mehr sehen wird – besonders dann nicht, wenn der Euro zugrunde gehe.
96 (!) Prozent des deutschen Leistungsbilanzüberschusses seien solche Target-Forderungen. Diese Target-Kredite wüchsen, so Sinn, schon seit fünf Jahren kontinuierlich an – und seien daher der wahre Rettungsschirm, der allerdings von keinem Parlament jemals abgesegnet worden sei. Wichtigstes Entscheidungsgremium sei der EZB-Rat, der mit einfacher Mehrheit entscheide und dies seit Mai 2010 immer gegen die Positionen von Deutschland getan habe.
Der Hegelsaal war voll besetzt.
Die Suche nach einem Ausweg
Für Europa seien momentan zwei Modelle denkbar, erklärte Sinn. Einmal die Weiterführung der Target-Kredit und die Einführung von Eurobonds, so dass sich am bisherigen System nichts ändere und der Euro zwangsläufig auf sein Aus zusteure. Oder: Die Einführung einer Selbsthaftung mit Ablösung der Target-Salden einmal pro Jahr – so managt es die US-Zentralbank. Alle ihr untergeordneten „Landesbanken“ müssen einmal pro Jahr diese Forderungen einlösen, so dass sich keine übertrieben großen Positionen aufbauen können. Dieser Weg wäre auch dann denkbar, wenn einige Staaten den Euro verließen, die mit ihm ohnehin nicht glücklich würden.
Den zuletzt diskutierten Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Stability-Bonds der starken Länder mit AAA-Rating herauszugeben, begrüßte Sinn. Zum Schluss gab er noch etwas Positives an das Bamberger Publikum weiter: „Im Endeffekt ist der Euro nichts anderes als ein Verrechnungssystem, Europa würde auch ohne ihn nicht untergehen.“
Johannes Michel