Landrat Johann Kalb nimmt sich Zeit. Er ist fasziniert von der Technik, höchst angetan von der Effizienz und der Nachhaltigkeit, lässt sich von den Vorstandsmitgliedern Harald Hümmer und Reiner Zapf-Willmer im Heizhaus der Energiegenossenschaft Oberleiterbach (EGO) in aller Ruhe die Details der Dorfheizung erklären. Es ist der erste Besuch des Landkreis-Chefs im kleinen 274-Einwohner-Dorf ganz im Norden seines Wirkungsbereichs – dem ersten anerkannten Bioenergiedorf im Landkreis Bamberg.
Vorbildcharakter. Dieses Wort fiel an diesem Nachmittag öfters. Immer wieder staunte der Landrat, immer wieder lobte er die engagierten Bürger und ihre zukunftsorientierten Visionen. In Oberleiterbach würden seit jeher zielstrebig Projekte umgesetzt, erläuterte EGO-Vorstandsprecher und Gemeinderat Harald Hümmer. So wurde auch das Unterfangen Dorfheizung angegangen, dessen Idee 2009 im Rahmen der Dorferneuerung entstand. „Da im Rahmen der Dorferneuerungsmaßnahmen fast alle Versorgungsleitungen und Straßen in Oberleiterbach erneuert wurden, bot sich die Verlegung eines Nahwärmenetzes an“, erklärte er. „Kostengünstiger konnte eine solche Energieversorgungsinfrastruktur nicht realisiert werden.“ Viele Dorfbewohner brachten sich, ihre Fähigkeiten und ihr (berufliches) Knowhow ein, um das innovative Projekt umzusetzen. Als Gesellschaftsform wurde eine Genossenschaft gewählt – eine Energiegenossenschaft. „Als erstes Projekt dieser Art in der Region Oberes Maintal – Bamberger Land wird von einer im Dorf errichteten Biogasanlage die Abwärme für ein Nahwärmenetz entnommen“, so Hümmer. „Komplettiert wird das Nahwärmenetz durch eine Hackschnitzel-Heizanlage.“
Mittlerweile sind 52 Prozent der Haushalte in Oberleiterbach an das Nahwärmenetz angeschlossen. Durch die Biogasanlage (Einspeisung ins Nahwärmenetz von 1.067.000 Kilowattstunden) und den Biomasseheizkessel (thermische Leistung: 500 Kilowatt) werden in Oberleiterbach jährlich rund 60.000 Liter Heizöl und etwa 10.000 Kilogramm Flüssiggas eingespart. „Der Jahresverbrauch an Wärme – 500.000 Kilowattstunden – wird zu 66 Prozent aus Biomasse gedeckt und der an Strom – 889.000 Kilowattstunden – sogar zu 100 Prozent.“ Damit sind die strengen Richtlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Wirtschaft, das den Titel Bioenergiedorf vergibt, mehr als erfüllt: Es hätte gereicht, den dörflichen Energiebedarf (Strom und Wärme) mindestens zu 50 Prozent aus regional erzeugter Bioenergie zu gewinnen. Derzeit sind beim Bundesministerium deutschlandweit 118 Bioenergiedörfer registriert.
Angeregte Gespräche: Landrat Johann Kalb (2. v. li.) informiert.
1977 war Oberleiterbach Bundesgolddorf
„Die Umsetzung zum Bioenergiedorf stärkt die Dorfgemeinschaft und erhöht die Identifikation der Einwohner mit ihrem Ort und der Region“, erläuterte der Vorstandssprecher dem Landrat. „Die Möglichkeit, regenerative Energien für die Wärmeversorgung zu nutzen, stellt einen großen Anreiz für Neubürger im Ort dar.“ Um den Titel auch nach außen zu kommunizieren, wolle man künftig bereits an den Begrüßungsschildern am Ortseingang damit werben. Und da steht noch ein weiterer: Oberleiterbach ist Bundesgolddorf.
Keinesfalls will sich der Ort auf den Lorbeeren ausruhen. „In den vergangenen Monaten konnten weitere Anschlüsse an das Nahwärmenetz im Ort umgesetzt werden. Und im zweiten Bauabschnitt der Dorferneuerung werden in diesem Sommer wiederum neue Nahwärmeanschlüsse an das Versorgungsnetz gekoppelt“, informierte Hümmer. „Außerdem soll im Rahmen der Dorferneuerungsmaßnahme unter anderem auch die Straßenbeleuchtung mit Energiesparlampen umgerüstet werden.“ Und die Verantwortlichen hoffen, auch beim Wettbewerb Bioenergiedorf, der ebenfalls über das Bundesministerium läuft, einen Preis zu erzielen. Es winken 10.000 Euro Prämie, die Jury der Fachakademie Nachwachsende Rohstoffe, tagt im September und gibt ihre Entscheidung im Januar 2017 bekannt.
Wie funktioniert die Dorfheizung? Harald Hümmer erklärt’s.
Mehrere Millionen Euro wurden bislang in das Bioenergiedorf investiert, alleine für das Gesamtprojekt Dorfheizung waren es mehr als 1,3 Millionen Euro. Hinzu kommen die von privater Hand gebaute Biogasanlage und das Photovoltaikfeld auf der Anhöhe Richtung Reuthlos. Landrat Johann Kalb zeigte sich beeindruckt. Vor allem auch, dass in Oberleiterbach immer die Kirche im Dorf gelassen werde. Derzeit ist das wörtlich zu nehmen: Da „Sankt Laurentius“ im nächsten Jahr 500 Jahre alt wird, wird der Sakralbau innen renoviert. Die Gottesdienste finden seither im Gemeinschaftshaus statt. Der Landkreis-Chef war sichtlich begeistert. „Oberleiterbach packt an und wappnet sich für die Zukunft“, lobte Kalb. „Das verdient größten Respekt.“
Auch Bürgermeister Volker Dittrich hatte sich Zeit genommen, um beim ersten Besuch des Landrats im ersten Bioenergiedorf des Landkreises dabei zu sein. Er freute sich sichtlich über die lobenden Worte Kalbs. Seit Jahren ist der Markt Zapfendorf Mitglied der Klimaallianz von Stadt und Landkreis Bamberg.