Am 19. März wurde der Gemeinde Kemmern nach über einem Jahr Arbeit von Norbert Buhl, wissenschaftlicher Dokumentar, das gemeindliche Archiv übergeben. Die Gemeinderäte besichtigten dies mit regem Interesse im Zuge der Gemeinderatssitzung am 21. März. Ausführlich informierte Bürgermeister Gerst auch über den aktuellen Sachstand zu den Planungen der Bahn AG bezüglich der Beseitigung des Kemmerner Bahnübergangs und der Ersatzmaßnahme, den er in einem persönlichen Gespräch mit den zuständigen Vertretern am 20. März erfahren hatte.
Die letzten offiziellen Informationen, welche die Verwaltung von der Bahn zu den Planungen einer Ersatzmaßnahme bekommen habe, seien vom 16. November 2010. Damals war noch die Rede von der Minimallösung einer Rad-Fußwegunterführung unter B4 und Schienenweg, die ursprünglich bereits 2012 hätte fertiggestellt werden sollen. Doch das Eisenbahn-Bundesamt sieht hierfür keine Notwendigkeit mehr, wie Bürgermeister Gerst das Gespräch mit den beiden Vertretern des Bahn AG schilderte. So sehen die neuen Pläne der Planungsgruppe nunmehr lediglich eine Überführung des gesamten Verkehrs im Anschluss an den südlich von Breitengüßbach gelegenen Kreisel vor.
Ein Verschiebebahnhof der Zuständigkeiten
„Diese Lösung ist für Kemmern unzumutbar,“ so Gerst in seinen Ausführungen. Bei dieser Planung würden verschiedene Punkte einer langfristigen gedachten Verkehrsführung nicht berücksichtigt, die verschiedenen Behörden planten jede für sich und die Gemeinden würden vor vollendete Tatsachen gestellt. Mit der seit August 2012 bestehenden Ampellösung ist bereits eine Möglichkeit für Fußgänger und Radfahrer geschaffen worden, die B4 sicher zu überqueren, nun fehlt nur noch eine Unterführung der Schienen und der Ausbau eines Radweges östlich der Gleise, um den Lückenschluss des Fahrradweges zwischen Kemmern und Breitengüßbach, der in der Zuständigkeit des Straßenbauamtes liegt, zu vollziehen. Dieses befasst sich allerdings vorrangig mit Planungen zum Abriss und Neubau der erst in den 1990er Jahren gebaute Autobahnbrücke, um Platz für die – nicht erst seit gestern – geplante ICE-Trasse zu schaffen; kein Wort über den Ausbau des Fahrradweges entlang der B4. Was die Bahn AG auch überhaupt nicht interessiere, sei, dass mit der geplanten Lösung der landwirtschaftliche Verkehr aus Kemmern nicht nur zwei Autobahnzuführungen kreuzen, sondern in Zukunft auch wieder auf der B4 den Pkw-Verkehr „ausbremsen“ würde. Eine Tatsache, die der ehemalige Chef des Straßenbauamtes, Andreas Eisgruber, noch 2010 als nicht tragbar bezeichnet hatte.
Die zuständigen Planer hätten Gerst versichert, dass die Einwendungen Kemmerns für sie nachvollziehbar seien, und sie diese erneut durch das Eisenbahn-Bundesamt prüfen lassen und die Ergebnisse dem Gemeinderat in einer der nächsten Sitzungen präsentieren würden. Der Gemeinderat einigte sich einstimmig, dass die Ersatzmaßnahme für Kemmern mindestens eine Rad-Fußwegunterführung auf Höhe des jetzigen Bahnübergangs enthalten müsse.
„Ein Archiv ist das Gedächtnis einer Gemeinde“
Und das ist in Kemmern seit Mitte März und dank des von der Gemeinde Beauftragten wissenschaftlichen Dokumentars Norbert Buhl wieder gut sortiert. Durch den Umstand, dass Fremdarbeiter, die 1946/47 im Rathaus einquartiert waren, einen Teil des Gemeinde-Archivs zum Heizen verwendet hatten, ist das Archivgut vor 1945 schwach bis kaum vorhanden. Der Schwerpunkt liegt auf der Nachkriegszeit und konnte zeitlich bis 2002 ausgeweitet werden.
Wissenschaftlicher Dokumentar Norbert Buhl übergibt das nun sortierte Archiv an 1. Bürgermeister Gerst.
So befindet sich in den Regalen und Kartons im zweiten Stock des Rathauses nun wichtige historische und notarielle Urkunden, Aktenstücke, Amtsbücher, Fotos, Filme, Karten, Pläne und Zeitungsbände aus der Geschichte Kemmerns. In letzteren wurden auch die Artikel und Entwürfe, die Klaus Engelmann als Presseberichterstatter für Kemmern geschrieben hat, eingebunden. Die Protokollbücher sind sogar ab 1863 erhalten, da diese lange Zeit in der „guten Stube des Bürgermeisters“ aufbewahrt und so nicht als Heizmaterial verwendet wurden, wie Bürgermeister Gerst ausführte. Die wesentliche Funktion eines Archivs bestünde darin, dass Gedächtnis einer Gemeinde zu sein, nun ist es erschlossen und sortiert. Das Findbuch ist EDV-unterstützt, so dass die Verwaltungsangestellten schnell die passende Signatur und den richtigen Lageplatz finden. Bürgermeister Gerst hat das Archiv bereits konsultiert und genutzt. Spezifische Fragen der Bürger könnten nun auch leicht über die Verwaltung mit Hilfe des Archivs geklärt werden, „sofern die Informationen dort auch liegen.“ Zukünftig führt die Gemeindeverwaltung selbst das Archiv nach einem Akteneinheitsplan weiter.
Text und Titelfoto: Lena Thiem. Bild: Gemeinde Kemmern