Beim 15. überregionalen Psychiatrie-Symposium im Bezirksklinikum Obermain in Kutzenberg (Ebensfeld) zum Thema „Psychische Erkrankungen und Störungen bei jungen Erwachsenen“ will Organisator Dr. Christoph Mattern für gesellschaftliche Probleme sensibilisieren. „Immer mehr junge Erwachsene leiden an psychischen Erkrankungen“, meint Dr. Christoph Mattern. Studien zu psychischen Problemen bei 16- bis 20-Jährigen gebe es keine. Brennglasartig nehme die Psychiatrie aber Probleme der Gesellschaft wahr.
„Wir können nicht gesellschaftlich lösen, warum junge Leute zu uns kommen. Wir können es aber wahrnehmen und beschreiben, darauf hinweisen und sensibilisieren.“ Auch deshalb organisiert der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Bezirksklinikums Obermain in Kutzenberg (BKO) zum 15. Mal das überregionale Psychiatrie-Symposium. „Psychische Erkrankungen und Störungen bei jungen Erwachsenen“ lautet das Thema am 20. April ab 9 Uhr im Festsaal.
„Sie fallen in kein Raster“: Die Schule beendet und nicht mehr das Aufgabenfeld der Jugendhilfe berührend, entwicklungspsychologisch individuell auf unterschiedlichem Niveau und deshalb den definierten Rahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie (bis 18 Jahre) sowie der Erwachsenenpsychiatrie (ab 18) überschreitend. „Äußere Anzeichen weisen auf innere Probleme hin. Diese Menschen sind oft allein.“ Identitätssuche sei gerade in einer Zeit schwierig, in der hohe Ansprüche gelten und verwirrende Angebotsvielfalt locke. Auch Sinnleere, Orientierungslosigkeit oder kein klares Berufsziel können Auslöser für psychische Probleme sein. „Ausgeprägte Depression oder psychosomatische Beschwerden sehen wir erst in der Klinik. Es ist wichtig, dass sich die Menschen trauen, sich behandeln zu lassen. Wir müssen erkennen, welche Symptome der Patient hat. Jemand, der unter Depressionen leidet, hat eine negative Selbstsicht. Es ist unsere Aufgabe, diese therapeutisch wieder zu korrigieren.“
Für die Therapie seien verschiedene Sichtweisen nötig. „Wir arbeiten multiprofessionell.“ Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter und verschiedene Therapeuten wirken Hand in Hand. Auch beim Symposium nähern sich Referenten aus verschiedenen Disziplinen dem Thema.
Kopfzerbrechen: Dr. Christoph Mattern, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Bezirksklinikums Obermain mit einem von einem Patienten gefertigten Kopf. Das Reflektieren von Angst in der Behandlung geschieht unter anderem in kreativer Betätigung. So äußern sich Gefühle und Stimmungen. Der Kopf drückt Skepsis, Ungewissheit und Angst aus. „Psychische Erkrankungen und Störungen bei jungen Erwachsenen“ thematisiert das 15. Psychiatrie-Symposium am 20. April.
Themen und Teilnehmer
Prof. Dr. Jörg Wolstein (Bamberg) diskutiert den „Einfluss von Suchtmitteln bei jungen Erwachsenen“. „Menschen mit innerer Orientierungslosigkeit sind anfälliger, Suchtmittel zu nehmen“, so Mattern. „Verbreitet sind scheinbar leistungsfördernde Mittel.“
Dipl.-Päd. Esther Vornholt (Bamberg) untersucht „Reifungsstörungen bei jungen Erwachsenen: Dissozialität“. Sie präsentiert Ergebnisse der Interviews, die sie mit jungen Gefangenen führte. Hinter einem jungen Täter stehe biographisch oft eine „negative Identitätsbildung im dissozialen Bereich“. Dazu überlegt sie, wie solche Tendenzen zu verhindern sind. Mattern: „Wenn es gelingt, junge Menschen von der delinquenten Schiene zu holen, bieten wir der Gesellschaft einen großen Vorteil.“ Zum einen sinke das Wiederholungsrisiko und somit Strafvollzugskosten, zum anderen gliedere sich der Betroffene wieder als Arbeitskraft in die Gesellschaft ein.
Oberärztin Dr. Angela Roth (BKO) befasst sich mit der „Früherkennung psychischer Störungen in Jugend und frühem Erwachsenenalter“. „Psychosen treten schon ab 16 Jahren auf – in Einzelfällen sogar früher.“ Je eher man die Diagnose finde und eine Behandlung beginnen könne, desto besser, weiß Dr. Mattern. „Rückfälligkeit kann verhindert werden – vor allem durch Medikamente und Psychoedukation.“
Etwas, das auch beim Thema „Normales und abweichendes Sexualverhalten im Kindes- und Jugendalter“ wichtig ist, mit dem sich Dipl.-Psych. Dr. Uwe Hemminger (Würzburg) auseinandersetzt.
Mit dem 15. überregionalen Psychiatrie-Symposium sucht das Bezirksklinikum Obermain um „mehr Verständnis für komplexes Denken in der Behandlung psychisch Kranker“. Von der Fachöffentlichkeit erwartet Organisator Dr. Christoph Mattern „interessierte und interessierende Beiträge, Gespräche und vernetztes Denken“. Im interdisziplinären Workshop wird an konkreten Fallbeispielen diskutiert.
Auch mit dem Patienten ist steter Austausch wichtig: „Psychotherapie ist eine bestimmte Form des Gesprächs. Es werden Möglichkeiten eröffnet, zu reflektieren. Vielleicht haben junge Menschen ihre Ziele noch nicht gefunden. Sie benötigen Anleitung, die sie vielleicht in Familie, Freundeskreis oder Schule nicht haben.“ Nach sechs Wochen Zeit sei oft ein Reifeprozess festzustellen, freut sich Dr. Christoph Mattern: „Wir können mit dem jungen Menschen keine Ausbildung machen. Aber wir können helfen, dass er sich klar wird, was sein Weg ist.“ Philipp Fischer (-paf-)
Veranstaltungsort ist das Bezirksklinikum Obermain.
15. Psychiatrie-Symposium im Bezirksklinikum Obermain
Zum 15. Psychiatrie-Symposium im Bezirksklinikum Obermain (BKO) sind alle interessierten Ärzte, Psychologen, Sozialpädagogen, Pflegekräfte und andere mit Patienten befassten Personen eingeladen, den wissenschaftlichen Fachvorträgen zu lauschen und Wissen auszutauschen. Während im Festsaal ab 9 Uhr Experten referieren, findet im Therapiezentrum (Haus 13) eine Industrieausstellung statt. Weitere Informationen gibt das Sekretariat der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik unter 09547/812226 oder per Mail an mattern@bezirksklinikum-obermain.de.
Philipp Fischer