Zeckenalarm!!! – oder Ruhe bewahren?

Mit dem frühen Frühlingsstart und den jetzt schon sommerlichen Temperaturen vermehren sich in den Medien die Berichte, die vor Zecken warnen. Fragt man Experten, so gehen diese mit den vermeintlichen Gefahren deutlich unaufgeregter und sachlicher um. Wir haben einige Informationen zusammengetragen, die etwas für Klarheit in Sachen Zecken sorgen sollen, damit Sie Urlaub, Frühling und Sommer auch in der Natur genießen können.

Die Natur ist heuer zirka vier Wochen früher dran, als in den letzten Jahren. Das lockt nicht nur uns Menschen ins Freie, auch die Tierwelt erwacht früher aus dem Winterschlaf. Im Fall der Zecke hat sich diese nach Meinung Sachkundiger gar nicht erst zur Ruhe gelegt. So stellte Dr. Olaf Kahl, Geschäftsführer der Informationsplattform Zeckenwetter.de in den über ganz Deutschland verteilten Zeckenstationen eine durchgängige Aktivität der kleinen Spinnentierchen fest.

Die Angst: Es droht ein Zeckenjahr – und damit steige auch die Gefahr für Mensch und Tier, durch die Zecken (Ixodes ricinus, auch gemeiner Holzbock) mit FSME-Viren oder Borrelien infiziert zu werden. Dass auch die natürlichen Feinde hungrig und früher aktiv werden, wird selten erwähnt. 

Der gemeine Holzbock – das gefährlichste Tier Deutschlands

Unstrittig ist: Zecken können bis zu 50 Krankheiten auf Mensch und Tier übertragen, die bislang bekanntesten – weil gefährlichsten – sind die Hirnhautentzündung (Frühsommermeningoenzephalitis = FSME) und die Borreliose.

2014-Sonderthema-Zecken

 Besonders Nymphen und ausgewachsene Zecken besorgen sich ihre Blutmahlzeit je nach Entwicklungsstadium nicht nur bei Nagetieren, Vögeln, Haustieren und Wildtieren, sondern auch beim Menschen und können dabei die Viren und Bakterien übertragen.

Fest steht auch, dass wir in Bayern in einem FMSE-Risikogebiet wohnen, arbeiten und uns erholen. Die Risikogebiete werden entsprechend der gemeldeten Fallzahlen an FSME-Erkrankungen vom Robert-Koch-Institut (RKI) ausgewiesen.

2014-Sonderthema-Zecken

Karte des Robert-Koch-Institutes: Bayern und Baden-Württemberg sind Risikogebiete.

Aus den vom RKI erhobenen Fallzahlen sind starke Schwankungen ablesbar, die unter anderem von unterschiedlichen klimatischen und ökologischen Faktoren abhängen: Nach einem Rückgang der FSME-Erkrankungen auf 195 im Jahr 2012 stieg die Anzahl 2013 wieder auf insgesamt 420 Fälle in Deutschland (davon 175 in Bayern, einer davon im Landkreis Bamberg). Durch die milden Temperaturen rechnen Experten für 2014 mit einem „Rekordjahr“ an FSME-Erkrankungen und sehen sich durch fünf bereits im ersten Jahresviertel gemeldeten FSME-Fälle bestätigt. Im Vergleich der Meldestatistik des RKI über die letzten Jahre (2013: 9 Fälle im 1. Quartal) zeigt sich, dass dies nichts Außergewöhnliches ist. Betrachtet man das Jahr 2006 mit einem Höchstwert an FSME-Erkrankungen von 546 in Deutschland, sieht man, dass dieses 1. Quartal ganz unscheinbar „nur“ einen Fall an FSME verzeichnet.

 2014-Sonderthema-ZeckenErstellt anhand der Fallzahlen des RKI

Risikogebiet Landkreis Bamberg

Dr. Winfried Strauch, Medizinaldirektor des Gesundheitsamtes Bamberg, erklärt, dass es im gesamten Landkreis Bamberg in den letzten Jahren im Durchschnitt drei gemeldete Fälle von FSME-Erkrankungen nach Zeckenstichen gegeben hat. Dies liegt deutlich über der vom RKI festgelegten Grenze von einer Erkrankung pro 100.000 Einwohner. 2001 und 2002 waren es je sechs FSME-Erkrankungen alleine im Landkreis Bamberg. Daher wurde der Landkreis Bamberg mit ca. 144.300 Einwohnern zum Risikogebiet ausgewiesen.

2014-Sonderthema-Zecken Erstellt anhand der Fallzahlen des RKI 

Für Bewohner eines Risikogebietes und Zeckenexponierte empfehlen die meisten Mediziner, wie auch die Ständige Impfkommission (STIKO) eine vollständige Schutzimpfung (3 Schutzimpfungen plus regelmäßige Auffrischung alle 2 bis 3 Jahre), die eine Erkrankung an FSME verhindern soll. Dies ist die einzig mögliche Prophylaxe – aber eben auch „nur“ eine Empfehlung und kein Grund zur Panik: Denn gleichzeitig ist beim Robert-Koch-Institut zu lesen: „Auch in FSME-Risikogebieten Deutschlands sind nur wenige Zecken mit dem FSME-Virus infiziert. Nur diese wären auch in der Lage eine Infektion zu verursachen.“ 

Diagnose: FSME

Sollte man sich eine dieser zwei Prozent infizierter Zecken eingefangen haben und infiziert worden sein, verlaufen etwa 30 Prozent der Infektionen symptomatisch. Nach einer Inkubationszeit (7-14 Tage) kann es zu grippeähnlichen Symptomen wie mäßigem Fieber, Kopfschmerz, Schwindel und Erbrechen kommen. Zu spezifischen Symptomen der FSME mit Beteiligung des zentralen Nervensystems (z. B. Meningitis) kommt es bei etwa einem Drittel der symptomatischen Fälle, also bei zehn Prozent der Infektionen. Laut dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ist auch nach schweren Verläufen, die fast nur bei Erwachsenen beobachtet werden, häufig eine vollständige Heilung möglich. Bei ein bis zwei Prozent der Erkrankten führt die Erkrankung zum Tode, besonders ältere Patienten sind gefährdet. Auch bei weniger schweren Fällen ist für die Betroffenen danach nichts mehr so wie vorher, wie Dr. Winfried Strauch aus seiner Erfahrung mit Patienten berichtet. Eine Behandlung der FSME sei im Nachhinein schwer bis gar nicht möglich.

Für jeden die Impfung angeraten?

In Risikogebieten erscheint dem Robert-Koch-Institut „entsprechend einer individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung einer FSME-Impfung der Bewohner und Touristen mit Zeckenexposition als sinnvoll.“ Impfkritiker stellen eine andere Rechnung auf, sie argumentieren mit Wahrscheinlichkeiten: Das Risiko für nicht beruflich zeckenexponierte Gruppen, von einer mit FSME-infizierten Zecke gestochen zu werden, liege bei 1 : 78.000, bei zehn Prozent der Infizierten entwickelten sich neurologische Symptome (Konzentrationsschwäche, Entwicklungsverzögerungen etc.), während bei 60 Prozent bis 70 Prozent der gestochenen Personen die Anwesenheit des Virus keine Folgen habe. Dem stünde „ein Risiko von Impffolgen unterschiedlichen Schweregrades von mindestens 1 : 32.000 gegenüber.“ Wie jedes Medikament gibt es auch bei FSME-Impfmitteln Nebenwirkungen, über die man sich vorher aufklären und informieren lassen sollte. Mit Sorge beobachten die zuständigen Ämter die rückgängigen Impfraten bei Kindern und die großen Impflücken bei Erwachsenen.

Die Frage, wer zu der zeckenexponierten Gruppe, für die eine solche Impfung empfohlen ist, gehört, muss jeder für sich selbst beantworten. Wohnort, Beruf und Freizeitverhalten sind wichtige Kriterien.

2014-Sonderthema-ZeckenAuch Hunde und Katzen sollten regelmäßig abgesucht werden, damit sie Zecken nicht mit in die Wohnung bringen.

Zecken-Schutzimpfung schützt weder vor Zecken, noch vor Borreliose

Die Lyme-Borreliose ist in Mitteleuropa verbreitet. Etwa zehn bis 20 Prozent der Zecken tragen das Bakterium in sich und sind damit Hauptübertragungsweg. Ein prophylaktischer Impfschutz gegen Borrelien ist derzeit nicht möglich. Die Anzahl der Neu-Erkrankungen mit Borreliose wird in Deutschland auf 60.000 bis 100.000 pro Jahr geschätzt, eine Meldepflicht besteht erst seit 2013. Die Bilanz nach einem Jahr beläuft sich in Bayern auf ca. 5.500. Im Landkreis Bamberg wurden für 2013 laut Gesundheitsamt Bamberg 77 Erkrankungen gemeldet.

Doch die Dunkelziffer ist wohl größer: Bester Indikator für eine Infektion ist die Wanderröte, ein roter, kreisförmiger Ausschlag um die Saugstelle der Zecke. Aber diese bildet sich nicht immer, weitere diffuse Symptome wie Nervenentzündungen oder entzündliche Schwellungen der Knie- und Sprunggelenke können mit großem zeitlichen Abstand in unterschiedlichen Stadien und Reihenfolge auftreten. Dies alles erschwert die Rekonstruktion der kausalen Zusammenhänge wie auch die Diagnose. Behandelt wird die Borreliose in der Schulmedizing mit Antibiotika. Aber es  besteht der Verdacht, dass sich Borrelien an schwer zugänglichen und schlecht durchbluteten Stellen, z. B. an den Gelenken, einnisten – hier können Antibiotika-Gaben wenig ausrichten. Sicher und für das Immunsystem gut getarnt harren die Bakterien dort aus und warten auf eine passende Gelegenheit – wenn das Immunsystem geschwächt ist – auf einen erneuten Ausbruch. So erläutert Dr. Matthias Meinhold, Facharzt für Allgemeinmedizin, seine bei anderen Medizinern nicht unumstrittene Meinung: „Einmal Borrelien, immer Borrelien.“ Auch in anderen Quellen ist zu lesen, dass es keine wissenschaftlich fundierten Belege dafür gibt, dass Borrelien durch Antibiotika komplett ursächlich behandelt werden können.

2014-Sonderthema-ZeckenOb Pinzette, Zeckenzange, -karte oder Zeckengreifer – wichtig ist, die Zecke nicht zu quetschen, wenn man sie entfernt.

Finden und schnell entfernen

Der beste Schutz gegen Borrelien – und hierin sind sich alle Experten einig – ist das Absuchen des Körpers und die sofortige Entfernung der Zecke. Das kann das Risiko zumindest verringern. Denn: „Borrelien übertragen Zecken erst, wenn der Mensch zur Ruhe kommt, dann beginnen sie zu saugen und die Bakterien werden vom Darm in das Blut des Menschen übertragen“, erläutert Dr. Winfried Strauch. Daher ist es auch wichtig, dass die Zecke beim Entfernen nicht gequetscht wird. Um der Zecke von Anfang an das Andocken zu erschweren, lautet die Empfehlung, lange helle Kleidung zu tragen. Hier sieht man Zecken schnell. Nach dem Bierkellerbesuch, dem Ausflug durch Wiesen und Wäldern oder dem Picknick im Park sollte der ganze Körper – besonders die Hautfalten – gründlich abgesucht werden. Kommt es nach einem Zeckenstich zu grippeähnlichen Symptomen oder anderen Beschwerden, ist der Besuch beim Arzt ratsam.

Weiterführende Links:
www.zecken.de
www.zeckenwetter.de

Informationen zu FSME, Borrelien und Impfungen:
Robert-Koch-Institut
Paul-Ehrlich-Institut
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
3sat: Impfung mit Bedacht. Nur in Süddeutschland lohnt sie sich
www.Imfpkritik.de

Text und Grafiken: Lena Thiem; Fotos: www.zecken.de

 

Informationsquellen:

Robert-Koch-Institut:
– SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 1. April. 2014. Gemeldete Fallzahlen
– Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten 2012 S. 78.
– Epidemiologisches Bulletin 6. Mai 2013 / Nr. 18; S. 151

Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege:
Pressemitteilung Nr. 70/GP vom 31.03.2014

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