Am 27. Juli wird Kornelius Holmer in der evangelischen Auferstehungskirche Zapfendorf verabschiedet. Im Interview blickt er auf die vergangenen Jahre in Zapfendorf, verrät viel aus seiner täglichen Arbeit und erklärt, warum er nun einen Wechsel wagt.
Seit zwölf Jahren waren Sie nun in Zapfendorf. Was ist Ihnen aus dieser Zeit an Momenten oder Projekten besonders im Gedächtnis geblieben?
Kornelius Holmer: Vielleicht fange ich mit dem Schönsten an: Für uns war das Ankommen hier ein ganz besonderer Moment. Unsere Gemeinde hatte Luftballons aufgehängt mit „Willkommen“ und unseren Namen darauf. Da haben wir uns wirklich willkommen gefühlt. Der Posaunenchor und der Kirchenchor haben gespielt und gesungen. Das war ein ganz warmer Empfang. Was mir ebenso für immer im Gedächtnis bleiben wird, ist Heiligabend 2021, während der Coronazeit, als wir draußen vor der Kirche gefeiert haben. Schon 2020 war das beeindruckend am Schwimmbad, aber 2021 war es nochmal besonders – die ganze Straße war voll. Und dann gibt es die vielen kleineren Momente: Taufen, Trauungen, auch Beerdigungen. Manchmal schwere, oft aber auch schöne Momente. Besonders berührend waren für mich die Gottesdienste, bei denen wir danach gemeinsam gefeiert haben. Es war schön, dabei sein zu dürfen.

Begrüßung im Jahr 2013 – Kornelius Holmer mit seiner Frau vor dem Pfarrhaus.
Sie haben gerade die Begrüßung erwähnt – 2013 war das Pfarrhaus frisch saniert, alles war neu. Wie haben Sie sich als neuer Pfarrer in Zapfendorf gefühlt? Franken kannten Sie ja schon.
Wir waren unendlich dankbar, dass wir nicht erst putzen mussten. Die Frauen unserer Gemeinde hatten vorher gründlich alles gereinigt, sodass wir einfach unsere Sachen aufstellen konnten. Wie ich mich als Pfarrer gefühlt habe? Ganz ehrlich: angenommen. Ich erinnere mich zum Beispiel an die Kirchweih, die draußen stattgefunden hat. 2018 war 55. Jubiläum unserer Kirche – das war das einzige größere evangelische Kirchenjubiläum während meiner Zeit hier. Besonders beeindruckt hat mich, wie viele Menschen da zusammengearbeitet haben. Auch die Coronazeit ist mir positiv in Erinnerung geblieben – nicht das Virus selbst, aber das Miteinander. Ich bin einmal zum Supermarkt nebenan gegangen und habe gefragt, ob wir den Parkplatz für Gottesdienste nutzen dürfen. Die Antwort war: „Überhaupt kein Problem. Ihr müsst auch nicht nochmal fragen – macht das einfach, wenn wir nicht da sind.“ Das war ein tolles Zeichen von Nachbarschaft. Der Umbau der Kirche verlief ebenfalls sehr reibungslos, auch dank der kommunalen Unterstützung – nicht nur von Zapfendorf, sondern auch von Ebensfeld und Rattelsdorf. Es war alles gut organisiert. Hängen bleiben auch die Erlebnisse mit den Kindern wie die Kinderbibeltage. Und, nicht zu vergessen, die ökumenische Öffnung – wir haben wirklich gemerkt, dass das hier im Laufe der Jahre immer besser funktionierte. Und jetzt leben wir spürbar Ökumene. Bei den Kinderbibeltagen hatten wir teilweise mehr katholische als evangelische Kinder. Das war völlig unkompliziert, ein schönes Miteinander.
Wie waren die Reaktionen, als Sie Ihren Abschied verkündet haben?
Als ich dem Kirchenvorstand mitgeteilt habe, dass wir gehen werden, war die Reaktion sehr stark. Es hat niemand gesagt: „Das könnt ihr nicht machen.“ Die Menschen waren natürlich traurig, aber sie haben es verstanden und uns nichts nachgetragen. Im Gegenteil – sie haben sofort gesagt: „Dann packen wir das jetzt gemeinsam an.“ Dieses Zusammenstehen, dieses „Wir sind eine Gemeinde“ – das zeichnet die Menschen hier aus.
Sie haben vier Kinder – wie haben sie das Leben hier in Zapfendorf erlebt und mitgestaltet?
Unsere Kinder waren bei unserem Umzug noch recht jung. Unsere älteste Tochter 14, und die Umstellung war nicht ganz leicht. Aber sie hat sich schnell eingefunden – anfangs hatten wir Schwierigkeiten in der Schule, doch letztlich hat sie es hervorragend gemeistert. Heute ist sie selbst Lehrerin und verheiratet – mit einem Franken. Unser zweites Kind hatte es schulisch auch nicht ganz leicht, aber er hat sich vor allem im Posaunenchor engagiert und in der Konfirmandenarbeit mitgearbeitet. Unser drittes Kind, Paul, macht gerade eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Er ist jetzt 19 und immer noch in der Konfirmandenarbeit aktiv, voll integriert in die Gemeinde und hat eine fränkische Freundin. Unser jüngster Sohn war erst zwei Jahre alt, als wir hierherkamen. Beim ersten Kindergartenbesuch sprach er am zweiten Tag plötzlich fränkisch: „Schau mal, Mama, die Ampel ist g‘freggt!“ Da wussten wir: Jetzt ist er angekommen. Auch ich wurde hier sehr gut aufgenommen – ich erinnere mich noch, wie ich zum ersten Mal ins „Knopfloch“ ging, um Fußball zu schauen. Überall hingen noch Plakate mit unserer Vorstellung, und jemand sagte: „Oh, die Geistlichkeit ist auch schon da.“ Ich war noch gar nicht offiziell eingeführt … Es gibt Kontexte, in denen ich gar nicht als Pfarrer wahrgenommen werden will – da bin ich einfach Kornelius Holmer, Freund, Vater, Nachbar. Aber es gibt auch Momente, in denen es richtig und wichtig ist, dass ich als Pfarrer erkannt werde. Das ist etwas Schönes, weil es zeigt: Die Menschen wissen, wofür ich stehe, und dass ich für sie da bin.
Bleiben wir bei einer weltlichen Rolle: Sie haben sich auch im Schwimmbadverein engagiert – bei den Freunden des Aquarena. Warum lag Ihnen das Schwimmbad so am Herzen?
Als wir uns damals auf eine Stelle im Frankenwald beworben hatten, was nicht geklappt hat, wurde uns Zapfendorf angeboten. Und was wir als Erstes gehört haben war: „Zapfendorf hat ein wunderbares Schwimmbad!“ Das wurde uns sogar von den Vertrauensleuten gesagt. Dieses Bad ist ein Aushängeschild – nichts ist hier so beliebt. Mir war wichtig, dass Menschen weiterhin herkommen können, um zu schwimmen. Kinder sollen schwimmen lernen können. Ich komme aus dem Norden – da schwimmt man immer. Schon als Kleinkind konnte ich schwimmen. Das Wasser liegt mir einfach am Herzen, und deshalb werde ich dem Schwimmbadverein auch weiterhin angehören. Nicht mehr im Vorstand, aber als Mitglied. Wer weiß, vielleicht komme ich irgendwann zurück in die Gegend.
Kornelius Holmer beim ersten Treffen vor der Gründung des Aquarena-Fördervereins – in der Corona-Zeit mit Abstand auf dem Schwimmbadparkplatz.
Sie sind ja in der DDR aufgewachsen und haben den Mauerfall als Jugendlicher erlebt. Beeinflusst das heute noch Ihre seelsorgerliche Haltung oder Ihr Denken?
In mancher Hinsicht sicher. Ich verstehe zum Beispiel viele Menschen aus dem Osten besser, auch hier in der Gemeinde, wo einige aus der ehemaligen DDR stammen. Ich darf mir auch erlauben, den Osten zu kritisieren – ich komme ja selbst von dort. Ich kann gut nachvollziehen, warum etwa die AfD im Osten Zulauf hat – wenn man weiß, wie dort gelebt wurde. Ich sehe das sehr kritisch, aber ich verurteile die Menschen nicht pauschal. Da wurden viele Fehler gemacht – und das beeinflusst natürlich auch mein seelsorgerliches Handeln. Ich erinnere mich noch, wie ich hier ankam und hörte: „Sie haben zwei Gottesdienste am Sonntag.“ Für mich war das völlig normal – im Norden war das Standard. Und wenn ich sehe, wie frei wir hier unseren Glauben leben können, dann weiß ich das sehr zu schätzen. Gerade, weil ich weiß, wo ich herkomme.
Sie halten nicht nur Gottesdienste, sondern schreiben auch Impulse, sind medial präsent, begleiten Menschen. Wie sehen Sie Ihre Rolle als Seelsorger in der Gesellschaft?
Ein Seelsorger ist auch eine öffentliche Person – seine Worte werden gehört und haben Gewicht. Wichtig ist mir, das Menschenbild des Glaubens stark zu machen: Jeder Mensch ist Gottes Ebenbild, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Lebensform. Wenn ich das vermittle, dann werden die Leute selbst in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen. Natürlich bin ich ein politisch denkender Mensch, aber ich möchte Seelsorger für alle sein. Daher halte ich es für wichtig, öffentlich neutral zu bleiben – nicht beliebig, sondern klar werteorientiert. Aber eben nicht parteipolitisch festgelegt.
Jetzt haben wir viel über den öffentlichen Teil des Pfarrerberufes gesprochen. Aber es gibt ja auch die stilleren, seelsorgerlichen Aufgaben. Gibt es aus den letzten Jahren etwas, das Sie besonders berührt hat?
Da gibt es vieles. Besonders denke ich an Verstorbene, die wir beigesetzt haben. Ein Konfirmand, den ich beerdigen musste – das hat mich sehr getroffen. Jedes Mal, wenn ich an der Stelle vorbeikomme, an der er verunglückt ist, denke ich an ihn. Ein zweiter, sehr einschneidender Punkt war die Coronazeit. Dass wir nicht zu den Menschen ins Altenheim durften, war für mich das Schlimmste überhaupt. Menschen sind einsam gestorben, und ich durfte sie nicht begleiten. Ich habe damals dafür gebetet, dass uns der Zugang ermöglicht wird. Als ich später gefragt wurde, was ich ändern würde, habe ich gesagt: „Das darf nie wieder passieren.“ Ein dritter, sehr schwerer Moment war Anfang dieses Jahres, als mehrere Menschen aus dem engeren Gemeindekreis verstorben sind – unter anderem eine Freundin von uns, eine langjährige, sehr geschätzte Mitarbeiterin. Das hat uns tief berührt. Und auch mein Vater ist in dieser Zeit gestorben – das war natürlich ebenfalls sehr bewegend für mich.
Die Einweihung der neuen Gemeinderäume im Jahr 2018 – Kornelius Holmer war auch musikalisch dabei.
Ein Blick auf die Kirche im Allgemeinen zeigt: Überall gibt es Veränderungen – weniger Seelsorger, strukturelle Reformen. Wie begegnen Sie diesen Herausforderungen?
Wir haben im Grunde drei große Probleme. Erstens: die Austritte. Ich kann viele verstehen, die sagen: „Ich bezahle für etwas, das ich nicht nutze.“ Aber das hat natürlich Konsequenzen. Ich finde, der Staat könnte anders damit umgehen – zum Beispiel, indem er klar macht : Die Feiertage sind christlich geprägt und sind nur für all jene da, die Mitglieder in der Kirche sind. Vielleicht würde das das Bewusstsein für den Wert der Kirche wieder etwas stärken. Zweitens: Die Finanzen. Weniger Mitglieder bedeutet weniger Kirchensteuer – das betrifft nicht nur die Gottesdienste, sondern auch unsere Kitas, Schulen und andere Einrichtungen. Viele Menschen sagen: „Ich trete aus, aber ich glaube trotzdem.“ Das akzeptiere ich, aber wir müssen uns den Folgen stellen. Drittens: Der Nachwuchs. Wir haben zu wenig junge Leute, die ins Pfarreramt gehen. Das führt zu offenen Stellen und zur Zusammenlegung von Gemeinden. Ich kenne das aus dem Osten schon lange – dort war es immer üblich, dass ein Pfarrer mehrere Gemeinden betreut. Für viele hier ist das neu, aber wir müssen lernen, umzudenken.
Aber auch ein gedanklicher Wandel ist wichtig. Wir müssen aufhören zu denken: „Mein Kirchturm – meine Kirche.“ Es geht um Gemeinschaft. Bei Beerdigungen fahren die Leute auch mehrere Kilometer – warum nicht auch zum Gottesdienst? Das muss sich verändern. Und noch etwas: Die Kirche darf nicht den Fehler machen, sich nur um sich selbst zu drehen. Es geht nicht um Selbsterhalt, sondern um die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus. Das muss wieder ins Zentrum rücken.
Machen wir den Schwenk zurück zum Menschen Kornelius Holmer. Sie gehen ja jetzt ins Dekanat Naila. Sie haben schon gesagt, dass die Leute hier traurig, aber verständnisvoll reagiert haben. Was verbinden Sie mit dem neuen Schritt? Was sind Ihre Hoffnungen und Ziele?
Es gehört einfach dazu, dass man als Pfarrer auch mal wechselt. Ich bin ein großer Fan davon, weil man dadurch beweglich bleibt. Ich hoffe, dass ich durch neue Impulse, neue Menschen, neue Kirchen auch im Glauben weiter wachse. Gleichzeitig möchte ich natürlich auch etwas mitnehmen – Erfahrungen, die ich hier in Zapfendorf gemacht habe oder früher in Mecklenburg – und diese in die neue Gemeinde einbringen. Es geht mir darum, dort Vertrauen und Glauben zu stärken, wie ich es hier versucht habe. Und ich wünsche mir natürlich, dass wir dort auch so offen aufgenommen werden wie hier. Dass sich die Gemeinden auf uns einlassen – das wäre schön.
Einweihungen gab es viele in seiner Amtszeit. Auch das neue Kunstrasenfeld in Zapfendorf war dabei – was Fußballfan Holmer sicher gefreut haben dürfte.
Wenn Sie an Ihre Nachfolge hier in Zapfendorf denken – was würden Sie Ihrem Nachfolger oder Ihrer Nachfolgerin und auch der Gemeinde für die Zukunft mitgeben?
Mir ist nicht bange um diese Gemeinde. Sie haben auch den Weggang meiner Vorgänger gut überstanden. Der Kirchenvorstand ist gut aufgestellt, und ich glaube, viele ahnen gar nicht, was in ihnen steckt. Ich hoffe, dass sie es zeigen und ihre Kräfte weiter einbringen. Ein neuer Pfarrer oder eine neue Pfarrerin kann nicht alles allein machen. Es braucht Mitarbeitende, die mitziehen – dass man Hand in Hand arbeitet, so wie es hier bisher war. Und dass das Evangelium weiterhin im Mittelpunkt steht. Ich wünsche mir, dass diese gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit weitergeht – dass Gott im Mittelpunkt steht und die Menschen im Blick bleiben. Ich vertraue darauf, dass die Gemeinde das schafft. Und ich bin auch deshalb nicht bange, weil das hier einfach eine tolle Stelle ist: eine volle Predigtstelle, kein Kindergarten, kein Friedhof – dafür ein tolles Pfarrhaus, ein engagierter Kirchenvorstand und eine super Anbindung nach Bamberg, Coburg, Würzburg, Schweinfurt, Bayreuth – alles gut erreichbar. Ich wüsste keinen Grund, nicht hierher zu wollen.
Wie wird es denn jetzt konkret weitergehen?
Momentan gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Stelle verkleinert wird. Es könnte sein, dass sich eine Pfarrei bildet – vielleicht zusammen mit Staffelstein oder Itzgrund. In der Konfirmandenarbeit arbeiten wir ja jetzt schon mit Staffelstein zusammen. Es wird weiterhin Gottesdienste in Zapfendorf geben – auch in Kutzenberg, wo wir uns immer abgewechselt haben. Das ist eigentlich eine Traumstelle für jemanden, der Verlässlichkeit sucht – mit einem starken Kirchenvorstand und engagierten Leuten. Deshalb fiel es mir auch leichter, mich zu verabschieden, weil ich weiß, wie diese Gemeinde tickt. Sie wird ihren Weg gehen – davon bin ich überzeugt.
Vielen Dank, Herr Holmer – da war ganz viel drin an Gedanken, Impulsen und Erinnerungen.
Die Verabschiedung findet am Sonntag, 27. Juli 2025, um 14.00 Uhr im Pfarrgarten der Auferstehungskirche in Zapfendorf statt. Nach dem Gottesdienst und einigen Grußworten gibt es eine Stärkung sowie die Möglichkeit zum Verweilen und für Gespräche.






Ich war nie ein großer Kirchgänger , diese Pfarrfamilie war ein Segen für unsere evangelische Gemeinde , vielen Dank , alles Gute für Eure Zukunft Frank Gohlisch