Vor etwas mehr als zwei Jahren eröffnete gegenüber des Ertl-Zentrums in Hallstadt ein Sportartikel-Filialist ein neues Geschäft. Dieses dürfte der Grund sein, warum die Stadt Bamberg gegen den Bebauungsplan „Neuordnung Ertl-Zentrum“ einen Normenkontrollantrag beim bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht hat. Dem Antrag wurde Ende November 2019 Recht gegeben. Nun beschäftigte sich der Stadtrat in einer Sondersitzung mit dem Thema. Welche Folgen hat das Urteil für Stadt und Gewerbe?
Im Februar 2016 begann die Stadt Hallstadt damit, die Flächen rund um das Ertl-Zentrum neu zu strukturieren. Dazu wurde ein neuer Bebauungsplan aufgestellt, auf einen nach dem bisherigen Bebauungsplan zugelassenen Bau- und Ökomarkt wurde verzichtet. Das Verfahren ging seinen gewohnten Gang, Behörden wie das Landratsamt und die Regierung von Oberfranken wurden beteiligt, auch eine Abstimmung in der interkommunalen Arbeitsgemeinschaft (Arge), der die Kommunen Bamberg, Bischberg, Hallstadt und Hirschaid angehören, fand statt. Diese Arge wurde einst ins Leben gerufen, damit sich die vier mit wichtigen Gewerbegebieten ausgestatteten Städte, Märkte und Gemeinden untereinander koordinieren, um beispielsweise für die Innenstädte schädliche Expansionen auf der „grünen Wiese“ zu vermeiden.
Obwohl der Bebauungsplan Rechtskraft erlangte, reichte die Stadt Bamberg im November 2017 einen Normenkontrollantrag beim bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein, mit dem Vorwurf, eine ausreichende interkommunale Abstimmung habe gefehlt. Hintergrund könnte sein, dass eine Ansiedlung des Sportartikel-Marktes (Decathlon) auf Bamberger Gebiet zuvor gescheitert war. Mit einem Beschluss im Sommer 2018 lehnte das Gericht „einstweiligen Rechtsschutz“ ab und sah keine wesentlichen Gründe, warum der Bebauungsplan unwirksam sein sollte, die Stadt Bamberg sei ausreichend am Verfahren beteiligt worden, Hallstadt habe die Regelungen der Arge eingehalten.
Das Fachmarktzentrum aus der Vogelperspektive.
Kritik an Informationspolitik – Planungsziel wurde erreicht
Nach der mündlichen Verhandlung im November 2019 wurde einen Monat später das Ergebnis bekannt: Der Verwaltungsgerichtshof erklärte nun doch den Bebauungsplan für unwirksam und stützte sich dabei auf drei Punkte. Erstens: Bei der Bekanntmachung der Satzung fehle ein Hinweis, wo eine verwendete DIN-Norm einsehbar ist. Allein dieser Fehler führe zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Zweitens: Es sei eine Ersatzzahlung für fehlende Ausgleichsflächen nach dem Naturschutzgesetzt geboten. Im Bebauungsplan müsste jedoch zuerst der naturschutzrechtliche Ausgleich vorgesehen werden und erst in der Umsetzung des Bebauungsplans, mangels fehlender Ausgleichsflächen, die Ersatzzahlung vom Vorhabensträger verlangt werden. Und drittens: Das Gericht folgte einem von der Stadt Bamberg in Auftrag gegebenen Gutachten in einem Punkt: Der Landesentwicklungsplan aus dem Jahr 2013, der Ziele der Raumordnung festlegt, sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Aber: Das Gericht stellte auch fest, dass Hallstadt das interkommunale Abstimmungsgebot eingehalten hat.
In einer Sondersitzung des Hallstadter Stadtrats am 15. Januar 2020 informierte Bürgermeister Thomas Söder nun die Rätinnen und Räte sowie die Öffentlichkeit über den aktuellen Stand. Zu spät, wie die SPD-Fraktion meinte, die auch die Sondersitzung beantragt hatte. „Warum erfahren wir Stadträte alles aus der Presse und werden vorab nicht informiert?“, fragte Fraktionsvorsitzender Harald Wich. Heiko Nitsche (SPD) drängte auf Gespräche mit der Stadt Bamberg: „Hallstadt und Bamberg werden auch in 100 Jahren noch Nachbarn sein. Daher müssen wir miteinander reden und zu einem Konsens kommen. Denn ein gerichtliches Verfahren könnte uns für Jahre blockieren.“ Stadtrat Herbert Diller (BBL/FW) sah die vom Stadtrat im Rahmen des Verfahrens durchgeführte Nutzungsänderung hin zu einer Verkaufsfläche für Sportartikel als Knackpunkt – insbesondere, weil „sie ohne Beteiligung der Arge“ stattgefunden habe. Auch er war der Meinung, diesbezüglich nicht ausreichend informiert worden zu sein.
So sieht der Bebauungsplan „Neuordnung Ertl-Zentrum“ grafisch aus. Das Fachmarktzentrum befindet sich im oberen Bereich der orangenen Fläche.
Bürgermeister Söder erklärte die aktuellen Folgen des Urteils. Unabhängig vom weiteren Fortgang des Verfahrens habe das Urteil keine unmittelbaren Auswirkungen auf die bestehende Nutzung, niemand müsse somit ein Geschäft schließen. Regressansprüche für die Stadt seinen ebenfalls nicht zu befürchten. Außer der Eigenbeteiligung bei der Rechtsschutzversicherung, wo aktuell auch die Deckungszusage für das weitere Verfahren eingeholt werde, müsse die Stadt keine Kosten tragen. Er kritisierte, dass im gesamten Verfahren zu keiner Zeit die Eigentümerfamilie eingebunden worden sei, die an vorderster Front betroffen sei. Söder sowie CSU-Stadtrat Veit Popp wiesen auch darauf hin, dass das Planungsziel erreicht wurde. „Ziel war die Neuordnung rund um das Ertl-Zentrum inklusive Lösen der Parkplatzprobleme, und das ist hervorragend gelungen“, so Popp. Auch wurden zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen.
Stadt Hallstadt legt Rechtsmittel gegen das Urteil ein
Der Stadtrat beschloss einstimmig, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Revisionszulassungsbeschwerde (da eine Revision gegen das Urteil nicht zugelassen worden war) beim Bundesverwaltungsgericht einzureichen. Andernfalls wäre der Bebauungsplan zum 21. Januar 2020 unwirksam geworden. Die Satzung „Bebauungsplan Neuordnung Ertl-Zentrum“ wird unter Heilung des festgestellten Formfehlers noch einmal bekannt gemacht. Zudem soll ein Gutachten in Auftrag gegeben werden, welches das Gutachten der Stadt Bamberg widerlegen und darstellen soll, dass der Bebauungsplan alle rechtlichen Vorgaben einhält.
Anschließend beschäftigte sich das Gremium noch mit Vorbescheiden zur Nutzungsänderung auf dem Gelände. Statt des bisher angedachten Biomarktes gab der Stadtrat vorerst grünes Licht für weitere Flächen für Sportartikel oder auch für den Verkauf von Schuhen. Eine Nutzungsänderung hin zu einem Gewürzfachgeschäft lehnte der Stadtrat aber ab, da im Bebauungsplan „Neuordnung Ertl-Zentrum, Sondergebiet SO2, Fachmarktzentrum“ explizit Einzelhandelsbetriebe mit einem Kernsortiment im Bereich Nahrungs- und Genussmittel nicht zulässig sind. Zu den Anträgen erklärte Bürgermeister Söder, der Eigentümer wolle sich hier verschiedene Nutzungen offenhalten. Für eine endgültige Genehmigung sind dann eventuelle Bauanträge relevant.
Bilder/Plangrafik: Stadt Hallstadt
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