Festauftakt: Warum Kemmern schon immer ein besonderes Dorf war …

Siedlungsspuren keltischer, germanischer und slawischer Herkunft zeigen, dass Kemmern nicht erst 1017 gegründet wurde, sondern eigentlich schon viel älter ist. Ein Tauschvertrag zwischen dem Würzburger und Bamberger Bischof vom 26. Oktober 1017 sorgt aber für Kemmerns erste urkundliche Erwähnung – und so kann Kemmern in diesem Jahr sein offizielles 1000-Jähriges feiern. Der Festauftakt machte den Anfang.

Wer ein Fest plant, das einen geschichtlichen Hintergrund hat, der kommt an eben jener Geschichte nicht vorbei. Und wer könnte da als Festredner Besserer einladen als Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold? Das hatten sich auch die Verantwortlichen in Kemmern gedacht – und Dippold für den Festauftakt verpflichtet. Und der hatte viel Geschichtliches, aber auch zahlreiche Anekdoten und Kuriositäten aus den vergangenen 1000 Jahren dabei.

Zur Geschichte Kemmerns gehört ohne Frage die Fischerei am Main. Sie war in Kemmern eine Konstante über Jahrhunderte – Petrus ist nicht zufällig der Kirchenpatron. Auch heute ist diese Tradition noch zu erleben, etwa, wenn die traditionelle Fischkerwa gefeiert wird. Zu Scheßlitz, das betonte Bürgermeister Rüdiger Gerst gleich zu Beginn des Festabends mit Blick auf seinen Bürgermeisterkollegen Roland Kauper aus eben jenem Scheßlitz, bestand schon immer eine besondere Beziehung. Denn, wie Dippold später erklärte: Das Fischrecht im Main zwischen Oberbrunn und Kemmern stand der Stadt Scheßlitz zu, die es an Berufsfischer aus den benachbarten Dörfern verpachtete – was in Kemmern nicht unbedingt für Freude sorgte. Und: Das Fischrecht im folgenden Flussstück besaß der Fürstbischof von Bamberg. Wer also an mehreren Stellen fischen wollte, musste auch mehrfach bezahlen.


Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold und Bürgermeister Rüdiger Gerst. Für Dippold gab es nach seiner Festrede ein kleines Präsent.

Allein schon durch die Lage ist die Geschichte Kemmerns auch immer wieder mit dem Main verbunden. Kemmern hatte, so Dippold in seinem Vortrag, immer zu kämpfen, ob in Sachen Hochwasser oder durch Anspülen von Geröll. Seit 1761 strebten die Kemmerner daher Uferbefestigungen an – das Dorf konnte sich das aber nicht leisten, der Bamberger Fürstbischof signalisierte damals seine Unterstützung. Eine Expertenrunde – das gab es auch damals schon – beschloss, den Fluss nicht umzuleiten, sondern die Fließrichtung durch Holzbarrikaden leicht zu verändern, was aber zu keinem dauerhaften Erfolg führte. Erst 1891 entstand mit Leitwerken eine stabile Uferbefestigung, Hochwasser suchten den Ort aber immer wieder heim, etwa 1909. Oder 1967, als das Wasser soweit vorgerückt war, dass an Heiligabend die Christmette in der Kirche entfallen musste.

Wassergraben und Tore: Kemmern war befestigt wie eine Stadt

Was viele heute nicht mehr wissen: Auch in Kemmern gab es, wie häufiger in der Region, eine umfangreiche Wein- und Hopfen-Anbaukultur – um 1850 besaßen 30 Kemmerner einen Hopfengarten. Diese Kultur verschwand aber im 20. Jahrhundert wieder – die Landwirte setzten vielmehr auf den konventionellen Ackerbau. Schon in den Jahrhunderten zuvor zeigte sich Kemmern als eine Bauerngemeinde, wobei es auch Maurer, Steinbrecher, Fischer, Zimmergesellen, Krämer und Fischer gab – genauso wie zahlreiche Kleinhandwerker, wie sich nicht jedes Dorf aufzuweisen hatte. Eine Schänke ist ebenso seit Jahrhunderten nachzuweisen, genauso wie zwei Brauereien. Wegen seines guten braunen Biers war Kemmern wohl eine bekannte Anlaufstelle auch für Bamberger. Das Bier wurde sogar ins Ausland exportiert, genauer ins 30 Kilometer entfernte Sachsen-Coburg.

Ungewöhnlich für ein Dorf: Es gab drei Torhäuser, die Tore wurden über Nacht geschlossen. Außerdem war Kemmern einmal von einem Wassergraben umgeben, so dass der Zugang nur über diese Torhäuser möglich war. Eine Anekdote am Rand, für die Dippold viel Applaus erhielt: Kemmern galt zeitweilig als das prozentual kinderreichste Dorf ganz Bayerns – nicht zuletzt deswegen überstieg die Einwohnerzahl in den 1930er Jahren erstmals die Tausendermarke. Und dieses Wachstum sorgte am Ende auch dafür, dass Kemmern auch heute noch eine selbstständige Gemeinde ist und nicht im Rahmen der Gebietsreform „eingemeindet“ wurde.


Die Vereine hatten ihre Fahnenabordnungen zum Festauftakt geschickt.

Ökumenischer Gottesdienst, Vereine – und eine neue Chronik

Den Anfang in Sachen Festauftakt machte am Abend des 21. Januar ein ökumenischer Gottesdienst, zelebriert von Pfarrer Valentin Tempel sowie Susanne Wittmann-Schlechtweg und Andreas Schlechtweg, gestaltet von der Frauenschola. Nach der Kirchenparade begann der Festabend in der Schulturnhalle, wo Bürgermeister Rüdiger Gerst die Gäste, darunter viele aus Politik und Gesellschaft, begrüßte. Sein besonderer Gruß galt den Kemmerner Ordensschwestern, die erst vor wenigen Tagen den plötzlichen Tod von Schwester Gundula verkraften mussten. Auch Kemmerns einzige Ehrenbürgerin, Schwester Helene, war gekommen.


Kemmerns Ehrenbürgerin Schwester Helene mit Bürgermeister Rüdiger Gerst.

Hans-Dieter Ruß, Vorsitzender des Festausschusses, stellte anschließend die Kemmerner Ortsvereine vor – 18 an der Zahl, die in einem Gesamtvorstand organisiert sind, sowie zahlreiche weitere Vereine und Gruppierungen. Erstmals präsentiert wurde die neue Ortschronik, erarbeitet von Barbara Spies. Enthalten sind zahlreiche Gastbeiträge, die verschiedene Themen aufgreifen – von der Landschafts- bis zur Kirchengeschichte und dem Thema „Feste feiern“. Vielfältiges Bildmaterial, inklusive Luftbildern, zeigt dabei die Entwicklung und das Wachstum der Gemeinde vom Fischerdorf zur Wohngemeinde. In den nächsten Wochen soll die Chronik offiziell zu haben sein. Mit einer Lesung von Denise Müller wurde zudem ein Heft mit Kemmerner Geschichten („Mundart, Geschichte, Gedichte und Lieder“) vorgestellt. Der kurzweilige Festabend, bei dem der Musikverein Kemmern die Gäste unterhielt, klang mit dem Kemmerner Heimatlied aus. Ruß dankte insbesondere auch den Sportfischern sowie den Gymnastikdamen, die die Bewirtung übernommen hatten.

Die nächste Veranstaltung im umfangreichen Festprogramm des Jahres 2017 ist ein Themenabend am 6. Februar ab 19 Uhr im Pfarrheim. Dr. Anne Schmitt wird dabei über die Landschaftsgeschichte Kemmerns sprechen, Motto: „Zwischen Mainbrücke und Wolfsgraben“.

Tipp zum Weiterlesen: Das vollständige Festprogramm zu 1000 Jahre Kemmern finden Sie in einem eigenen Artikel.

 

Viele Fotos vom Festauftakt zum Ortsjubiläum finden Sie in unserer großen Bildergalerie (zum Öffnen einfach ein beliebiges Foto anklicken, zum Beenden der Anzeige das X in der Ecke oben wählen).

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