Das Hochwasser aus dem Jahr 2003 war Anlass, über einen noch besseren Hochwasserschutz für Kemmern nachzudenken. Damals begann der Schriftverkehr zwischen Bürgermeister und Wasserwirtschaftsamt, Maßnahmen andernorts waren aber dringlicher. Weil der aktuelle Damm sowie die technischen Einrichtungen wie das Hebewerk aber älter als 35 Jahre sind, ist nun bald Kemmern an der Reihe.
„Auch wenn der Bürgermeister uns ständig auf die Füße tritt: Die Thematik ist uns bekannt – ich bin die Akten durchgegangen bis zurück ins Jahr 2003“, erklärte Hans-Joachim Rost vom Wasserwirtschaftsamt mit Sitz in Kronach leicht augenzwinkernd. „Wir können allerdings nicht alle Projekte gleichzeitig umsetzen, wir müssen nach Dringlichkeit und Schadenspotenzial vorgehen. Allem voran steht die Frage: Wer hat schon einen Hochwasserschutz und wer hat noch keinen.“ Rost erklärte, dass aufgrund des Schadenspotenzials zudem Hallstadt vor Kemmern an die Reihe kam, dort liegt aktuell die Planfeststellung für die Verbesserungen vor. „Nun kann es mit Kemmern losgehen. Bevor wir die einzelnen Punkte aber festzurren, sollen Gemeinderat und Bürger beteiligt werden.“
In der Gemeinderatssitzung vom 16. November 2016 war daher auch Bernhard Vogt vom Ingenieurbüro Dr. Blasy / Dr. Øverland zu Gast. Er erklärte die aktuellen Entwurfspläne sowie die Ausgangssituation. „Die bestehenden Deiche entsprechen bereichsweise nicht mehr dem Stand der Technik – die Breite der Deichkrone ist zu gering, das Freibord nicht ausreichend (Anmerkung der Redaktion: Freibord = Abstand zwischen Wasserspiegel im Hochwasserfall und der Oberkante des Dammes), es fehlen Deichhinterwege, die Erosionssicherheit ist nicht gegeben, Schutzmauern sind bei Hochwasser nicht zugänglich.“ Kemmern sei zwar insgesamt vor Hochwasser, auch einem so genannten hundertjährigen Hochwasser (HQ100) geschützt, in einem solchen Falle gerieten die Dämme aber an ihre Grenzen. Berechne man einen Klimaaufschlag hinzu, käme es zu Überflutungen, so Vogt.
Kemmern mit aktuellem Hochwasserschutz bei einem hundertjährigen Hochwasser.
Bei einem extremen Hochwasser würden die aktuellen Schutzeinrichtungen nicht mehr funktionieren. Das soll sich mit der Verbesserung ändern.
Mauern werden optisch kaum auffallen
Als Planungsgrundsätze gab Vogt aus, bei der Verbesserung möglichst wenig Flächen zu verbrauchen und in Privateigentum nicht oder nur in sehr geringem Maße einzugreifen. So sollen die Deiche an vielen Stellen nicht erhöht, sondern mit einer Mauer nachgerüstet werden, inklusive dem Einbau einer Innendichtung mit einer Spundwand. In den Plänen zeigte sich: Die Mauern werden optisch kaum auffallen, da sie im Schnitt nur einen halben Meter hoch sein werden. Außerdem seien sie günstiger zu realisieren, was auch der Gemeinde entgegenkomme, falle doch der für eine Deichverbreitung ansonsten notwendige Grunderwerb weg, so Vogt. In den Bereichen, die über keinen Platz für einen Deichhinterweg verfügen, sollen die Dämme im Notfall befahrbar sein. Vogt wies außerdem darauf hin, dass die Pumpen im Hebewerk veraltet seien und ausgetaucht werden müssten.
In der Mitte zu sehen: Der Damm mit aufgesetzter Mauer und nach unten führender Spundwand (zum Vergrößern anklicken).
Diskutiert wurde im Gremium nach Vogts Vortrag über einige Details, etwa die von Städteplanern vorgesehene Sichtöffnung zwischen Kirche und Main. Optisch könne er den Wunsch verstehen, aus wasserwirtschaftlicher Sicht sei eine solche Öffnung aber kontraproduktiv für die Sicherheit, meinte Rost. Auch ein eigenes Notstromaggregat für Kemmern zum Betrieb der Pumpen war Thema – Rost befürwortete eine solche Anschaffung. Dies wäre als mobiles Gerät ausgelegt und stünde unter Verwaltung der Feuerwehr. Geprüft werden soll, ob ein Einbau ins Hebewerk möglich wäre.
Die Kosten für die Gesamtmaßnahme sind aktuell noch nicht bekannt. Sämtliche Pläne werden in Kemmern auch bei der Bürgerversammlung am Mittwoch, 23. November ab 19 Uhr im Sportheim gezeigt. Bürgermeister Rüdiger Gerst lud hierzu noch einmal explizit ein, Vertreter des Wasserwirtschaftsamts sowie Ingenieur Bernhard Vogt werden anwesend sein. Einstimmig nahm der Gemeinderat Kenntnis vom aktuellen Stand der Planung.
Kommune ist kein Autoverleih
Der Landkreis Bamberg plant ein E-Car-Sharing-Modell. Dazu soll den Gemeinden des Landkreises ein Elektrofahrzeug zur Verfügung gestellt werden, dass dann an die Bürger verliehen werden kann. Allerdings müssten sich die Gemeinden an den Leasingkosten (250 Euro für einen BMW i3, 300 Euro für einen VW E-Golf) beteiligen sowie die Ausleihen verwalten und das Auto regelmäßig reinigen. „Bei einer Abfrage in der Bürgermeisterversammlung haben etwa die Hälfte Interesse bekundet. Ich habe da verschiedene Bedenken“, meinte Gerst. Eine Kommune sei kein Autoverleih, das gehe an den Kernkompetenzen einer Gemeinde vorbei. Zudem fehlten in Kemmern noch die Lademöglichkeiten für ein Elektrofahrzeug. Bei einer Gegenstimme beschlossen die Gemeinderäte, das Thema zurückzustellen, bis in Kemmern eine Ladesäule installiert ist.
Hallo Herr Michel,
vielen Dank für Ihren ausführlichen Bericht über den geplanten Hochwasserschutz in Kemmern!
Das Augenzwinkern zwischen Herrn Rost und Herrn Gerst ist nicht nur Ihnen aufgefallen. Finde ich interessant, wie sehr doch Herr Rost immer wieder betonen muss, welch vielfältige Bemühungen seit 2003 stattgefunden hätten. Die CSU-Mitgliedschaft von Herrn Rost wird da wohl keine Rolle spielen. (Jetzt muss fast ich mal zwinkern.)
Drei wichtige ergänzende Fakten:
1. Grundlage für die jetzigen Planungen ist die DIN 19712 Hochwasserschutzanlagen an Fließgewässern, erschienen 2013 (nicht etwa 2003), von Herrn Vogt auch so erwähnt.
2. Das Verfahren kam durch eine Bürgereingabe an das Wasserwirtschaftsamt Kronach Ende 2013 ins Rollen, in der auf nicht erfüllte Vorgaben hingewiesen wurde. Ein schriftlicher Beleg für ein vergleichbar entschiedenes Vorgehens durch Herrn Gerst wurde bis heute nicht vorgelegt (und existiert damit wohl auch nicht).
3. Während durch ein Schreiben von Herrn Rost (im Amtsblatt der Gemeinde Kemmern Anfang 2014 vor der Wahl veröffentlicht) eine Planungsvergabe noch für 2014 in Aussicht gestellt wurde, war 2016 eine erneute Eingabe an das Wasserwirtschaftsamt erforderlich, in der auf die zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgte Vergabe hingewiesen wurde. Also zwei Jahre Verzögerung, die nicht allein mit dem EU-Vergabeverfahren (6 Monate?) erklärt werden können. Und Herr Rost plant nicht seine erste Hochwasserschutzmaßnahme.
Jeder soll sich seine eigene Meinung bilden.
Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass es endlich voran geht – warum auch immer.
Oliver Dorsch
Sehr geehrter Herr Michel,
vielen Dank für die Berichterstattung – auch ich bin froh, dass nun endlich Bewegung in die Sache kommt und Kemmern mit dem notwendigen Hochwasserschutz ausgestattet wird. DAS IST GUT SO!
Erlauben Sie mir hierzu ein paar Anmerkungen: Sprach Herr Rost von: … ständig auf die Füße treten … ?
In den Sitzungsniederschriften der öffentlichen Sitzungen des Gemeinderat Kemmern wurde am 23.06.2006 (!) durch das Wasserswirtschaftsamt Kronach dargestellt, dass Kemmern sich mit rund 470.000€ an den Gesamtkosten ( … zu lesen sind 2,6 Mio. Euro) beteiligen muss und eine Umsetzung nicht vor 2010 erfolgen kann. Die weiteren Einträge in den Sitzungsniederschriften können Sie hier gerne nachlesen … http://www.zukunft-kemmern.de/dafuer-setzen-wir-uns-aktiv-ein/hochwasserschutz/index.html
Gibt es schon Aussagen zu den jetzt anfallenden Kosten und dem Anteil Kemmern’s an diesen Kosten?
(Spannend war jedenfalls die einstimmige Aussage vieler Gemeinderatsmitglieder am 23.01.2014 im Rahmen einer Veranstaltung der Zukunft für Kemmern in einer Kemmerner Gastwirtschaft, dass Kemmern in Sachen Hochwasserschutz bestens versorgt ist und dieser Damm noch 100 Jahre hält …).
Egal, wer da wem angeblich auf die Füße getreten ist, offensichtlich war dies bisher nicht sehr erfolgreich. Tatsache ist, dass sich das Wasserwirtschaftsamt (WWA) in den letzten Jahren in Kemmern nicht mit Ruhm bekleckert hat. Schon im Jahre 2009 hat das WWA festgestellt, dass der vorhandene Hochwasserdamm angeblich dem sog. Jahrhunderthochwasser HQ100 nicht standhält und hat fast die gesamte Fläche von Kemmern zum Überschwemmungsgebiet deklassiert. Geradeso, als ob der Hochwasserschutzdamm überhaupt nicht existieren würde. Mit diesen Daten wurde das Zonierungssystem für Überschwemmungen, Rückstau und Starkregen, kurz ZÜRS gefüttert. (ZÜRS ist ein System, das der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft hat programmieren lassen und auf das alle Assekuranzen zugreifen können, um den Kunden „faire Angebote“ gemäß der Gefährdungsklasse (GK), in der das Haus oder Grundstück liegt, zu erstellen).
Blöd jetzt, wenn der eigene Neubau in Kemmern lt. der falschen Angabe des WWA in einer GK eingestuft wurde, wo der Ernstfall zwar noch niemals eingetreten ist, aber mutmaßlich alle 10 Jahre eintritt. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten und unsere Versicherungsgesellschaft hat die Versicherung für Elementarschaden nach 5 Jahren schlicht nicht verlängert, und zwar mit der Begründung, dass wir im Überschwemmungsgebiet oder ähnlichem gefährdetem Gebiet gebaut hätten. Trotz gültigem Bebauungsplan und real-existierenden Hochwasserschutz half keine Argumentation und kein Lamentieren, das zuständige WWA muss es ja schließlich wissen. Herzlichen Dank liebes WWA! Höhere Beiträge für die „Häuser hinterm Deich“ hätte man erwartet und evtl. auch hingenommen, aber nein lieber gar nicht versichern, das ist besser für den Versicherer. Ein Wechsel der Versicherungsgesellschaft macht finanziell wegen ZÜRS erst nach des angekündigten Ausbaus des Hochwasserdamms Sinn, wenn er denn dann irgendwann kommt!
Vom WWA hört man in den Medien immer wieder: „In Kemmern pressiert es ja nicht, weil ja ausreichend Hochwasserschutz vorhanden ist, da sind erst andere Gemeinden vorrangig“. Da zumindest existiert der Hochwasserschutz – für die Verzögerung der Maßnahme reicht dieser scheinbar schon. Den obigen Ausführungen folgend, scheint der vorhandene Hochwasserschutz ja zumindest mittlerweile dem Jahrhunderthochwasser stand zu halten. Soviel scheint das WWA offensichtlich zurück gerudert zu haben.
Wie auch immer. Damals wie heute liegt mir der Aufruf des Bayer. Ministerpräsidenten Horst Seehofer nach den verheerenden Auswirkungen des Hochwassers in Niederbayern in den Ohren, die Anwohner sollen selbst vorsorgen und entsprechende Elementarversicherungen abschließen. Da hatte er offensichtlich nicht mit einem seiner eigenen Ämter, dem WWA gerechnet!
Wenn’s hilft, dann sagt mir Bescheid, wem ich wann auf die Füße treten soll.
Liebe Grüße aus der Nähe des Hochwasserdamms.
Man muß eigentlich nur diesen Beitrag lesen, dann sieht man wie die Kemmerner Bürger kurz vor der Wahl getäuscht wurden oder wie es ein Kemmerner CSU Gemeinderat ausdrückte „ruhig gestellt wurden“!:
Dammaufrüstung wohl ab dem Jahr 2016
Veröffentlicht am 2. Februar 2014 von Lena Thiem
Wenn ein angeblich erfahrener Planer sich so schon mit der Planungszeit „vertut“, kann man nur hoffen, daß er sich bei den Berechnugen für den Damm nicht genauso
verplant!
Eines sollte er zumindest daraus lernen – Wahlhilfe allein lohnt nicht !