Anne Schmitt: Mit allen Generationen im Ort gute Lösungen erarbeiten

Verantwortung übernehmen, damit auch nachfolgende Generationen gut in Kemmern leben können. Das nennt Anne Schmitt, die als Bürgermeisterkandidatin für die Grünen in Kemmern antritt, als entscheidend. Im Nachrichten-am-Ort-Interview erläutert sie auch ihre Ziele für ein zukunftsfähiges Kemmern.

Seit 18 Jahren ist Rüdiger Gerst von der CSU Bürgermeister der Gemeinde Kemmern. Wenn Sie ein wenig zurückschauen: War es eine erfolgreiche Zeit für Kemmern?

Keine Frage, in Kemmern lässt es sich sehr gut leben. Die Ortsmitte hat durch die Umgestaltungsmaßnahmen an Qualität gewonnen. Unglaublich wichtig war es, dass zumindest die Grundschule in Kemmern erhalten werden konnte. Für ein neues Feuerwehrhaus war es höchste Zeit. Auch die oft kritisierte neue Brücke ist aus meiner Sicht für Erhaltung der direkten Rad- und Fußwegeverbindungen an dieser Stelle notwendig und sinnvoll. Aus meiner Arbeit weiß ich, dass nicht alles, was wünschenswert ist, auch sofort machbar ist. Trotzdem wage ich zu behaupten, dass Kemmern in den letzten 18 Jahren unter seinen Möglichkeiten geblieben ist. Ich wünsche mir für die Zukunft deutlich mehr Engagement für die Sanierung des bestehenden Kindergartens, für die Verbesserung der Busverbindungen und Radwege und für den Klimaschutz.

Anstatt auf Transparenz, aktive Bürgerinformation und -beteiligung zu setzen, habe ich insbesondere seit der letzten Gemeinderatswahl den Eindruck, dass das Ringen um einen Kompromiss in einem gut informierten Gemeinderat nicht an erster Stelle steht. Gemeinsam nach den besten Lösungen zu suchen, sollte doch das Ziel aller gewählten Vertreter nach der Wahl sein. In unserer Zeit sehe ich die Aufgabe im Bürgermeisteramt darin, zwischen den verschiedenen Positionen zu vermitteln und gute Ideen, die Kemmern voran bringen, mit zu unterstützen, auch wenn sie nicht von der eigenen Partei kommen.

Was hat Sie bewogen, sich am 15. März zur Wahl zu stellen?

In Anlehnung an ein Zitat von Käte Strobel (1907-1996) „Die [Kommunal]Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte.” Es geht mir darum, Verantwortung zu übernehmen, damit auch nachfolgende Generationen gut in Kemmern leben können.

Haben Sie schon Erfahrung auf kommunalpolitischer Ebene oder in einem anderen Gremium?

Seit über 15 Jahren entwickle ich sehr erfolgreich interkommunale Projekte mit den Schwerpunkten Gewässer, Naherholung, Umweltbildung, Naturschutz und nachhaltiger Tourismus zusammen mit verschiedensten Partnern aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. 2007 war ich zusammen mit der Wirtschaftsförderung des Landkreises Bamberg maßgeblich an der erfolgreichen Bewerbung der Region für das europäische LEADER-Programm beteiligt, mit dem in jeder Förderperiode über eine Million Euro in die Region fließen. Durch meine Arbeit kenne ich in der Region die meisten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie die Abgeordneten und Ansprechpartner in Behörden persönlich.

Was sind die Herausforderungen in nächster Zeit für Kemmern?

Die Schule und die bestehende Kindertagesstätte brauchen Investitionen und Platz, denn die ersten Jahre stellen die Weichen fürs Leben. Ich will eine Pflegeangebot, das sich an den Bedürfnissen und Möglichkeiten Kemmerns ausrichtet. Bei den wichtigen Zukunftsthemen Mobilität, Klimaschutz und nachhaltige Landwirtschaft muss der Gemeinderat die Weichen richtigstellen. Die vom Landkreis Bamberg für eine verbesserte Mobilität angebotenen Maßnahmen (E-Car-Sharing, Radabstellanlagen, Mobilstationen, Mitfahrbänke, …) sollen endlich auch für Kemmern genutzt werden. Wenn diese einfachen Angebote vom Gemeinderat schon als Überforderung oder als überflüssig angesehen werden, wird Kemmern die Klimaschutzziele nicht erreichen und bei der Mobilität ins Hintertreffen geraten.

Vor allem muss sich aber der Politikstil in Kemmern ändern! Mit dem jetzigen Mehrheitsverhältnis ist ein offener Dialog und eine aktive Mitarbeit im Gemeinderat schwierig. Alle Gemeinderatsmitglieder müssen rechtzeitig über die zu behandelnden Themen informiert werden. Zudem erachte ich ein Akteneinsichtsrecht für alle Gemeinderatsmitglieder und die Möglichkeit, sich während der Sitzung über digitale Medien zu informieren für grundlegend, um zukunftsweisende Entscheidungen für seine Gemeinde treffen zu können.

Wo liegen Ihrer Meinung nach die Stärken und Schwächen der Gemeinde?

Ganz klar, Kemmerns idyllische Lage am Main und am Rande der Hassberge mit gewachsenem Ortsbild und ohne Durchgangsverkehr ist ein großes Plus. Durch die Schließung des Supermarktes hat die Idylle doch ein paar Risse bekommen. Positiv ist, dass sich ein überparteilicher Arbeitskreis die Verbesserung der Nahversorgung vorgenommen hat. Hier bin ich seit der ersten Stunde mit am Ball. Und unser Faltblatt „Lebensmittel einkaufen in Kemmern“ ist bereits in der zweiten Auflage erschienen.

Was mir erst durch meinen Wahlkampf so richtig bewusst geworden ist: In Kemmern sind weit über 50 Betriebe und Selbstständige zu Hause. Auch in der Gastronomie hat Kemmern ein außergewöhnlich gutes Angebot. Diese Potenziale müssen mit einer aktiven Wirtschaftspolitik gepflegt, unterstützt und vor Ort gehalten werden. Konkrete Maßnahmen können relativ einfach sein, zum Beispiel eine ansprechende Gemeindehomepage oder aktive Unterstützung bei der Betriebsentwicklung durch schnelle und nachvollziehbare Entscheidungen. Hier schließt sich auch wieder der Kreis zu den Themen Mobilität, Energie, Nahversorgung, Pflege, Kinderbetreuung und Schule.

Vielen Menschen, mit denen ich im Wahlkampf gesprochen habe, fehlen derzeit Möglichkeiten, wo man sich Kemmern unkompliziert treffen und austauschen kann. Das gilt besonders für die Jugend. Hier leisten die Vereine, die VHS Bamberg-Land, die Kirchengemeinde, die Musikschule, die Bücherei, die Feuerwehr mit ihrer neuen Kindergruppe und Ehrenamtliche großartige Arbeit. Dennoch scheint mir zusätzlich ein offenes Angebot für ein lebendiges Leben im Dorf wichtig zu sein.

Die vielen neuen Gesichter auf den Listen im Kommunalwahlkampf 2020 zeigen: Wieder mehr Menschen wollen sich aktiv einbringen und engagieren. Daher bin ich überzeugt: es gibt hier viele, die gute Ideen für eine nachhaltige kommunale Entwicklung haben. Mein Ziel als Bürgermeisterin ist es, diesen Ideen vor Ort Raum, Zeit, Aufmerksamkeit und Unterstützung zu geben.

Anne Schmitt

Was wären, sollten Sie die Wahl gewinnen, Ihre „Herzensprojekte“ der Zukunft?

Die Wege für Radfahrer zügig verbessern, damit Radfahren sicher und leicht möglich ist. Am Mobilitätskonzept des Landkreises Bamberg aktiv mitarbeiten, damit sich die Schulbus- und Busanbindungen deutlich verbessern. Die Jugend in Kemmern braucht altersgerechte Angebote in einem lebendigen, offenen und selbstverwalteten Jugendtreff. Und ohne ein Patent-Rezept zu haben: Für die Sicherung der Nahversorgung und der Dienstleistungsangebote im Ort muss der nächste Gemeinderat gezielt nach Lösungen suchen.

Wer immer die gewählten Vertreterinnen und Vertreter sein werden, sie haben vor dem Hintergrund der Klimakrise, des Artensterbens und dem Perspektivenverlust der Landwirtschaft eine große Verantwortung. Denn in den Kommunen wird sich entscheiden, ob zentralen Ziele der großen Politik umgesetzt werden können. Wir müssen diejenigen stärken, die Ökologie, Ökonomie und Soziales zusammenbringen. Dafür gibt es viele gute Beispiele, von denen wir uns inspirieren lassen sollten. Wenn sich der zukünftige Gemeinderat als Gremium einer konstruktiven Zusammenarbeit versteht, können wir Kemmern zu einem Vorbild für andere Kommunen entwickeln. Ich bin überzeugt: In Kemmern da geht was!

In Kemmern hat sich einiges getan. Ein neues Feuerwehrhaus wurde eingeweiht, die Ortskernsanierung kommt voran, Kemmern konnte auch sein 1000-Jähriges feiern. Nun wird ein Mehrgenerationenzentrum mit Kindertagesstätte und Seniorenwohnen gebaut. Ist Kemmern auf dem richtigen Weg?

Ich bin überzeugt davon, es ist höchste Zeit, dass auch der Kemmerner Gemeinderat Klima- und Ressourcenschutz zukünftig bei allen Entscheidungen ausdrücklich berücksichtigt und bei kommunalen Projekten mit Entschlossenheit umsetzt. Die weltweit gültige Richtschnur dafür sind die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Darin geht es um das, was das Leben für alle Menschen ausmacht: Gesundheit, Bildung, Chancengleichheit, Ernährung, nachhaltige Landwirtschaft, nachhaltige Siedlung, widerstandsfähige Infrastruktur und ein friedliches Zusammenleben. Der in Kemmern aufgewachsene MdB Thomas Silberhorn hat in seiner Funktion als parlamentarischer Staatssekretär des Bundesministeriums für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit (2014 bis 2018 ) stellvertretend für die Bundesregierung im Juli 2016 in einem wichtigen Forum der Vereinten Nationen über die nationale Umsetzung dieser Ziele (externer Link zu Wikipedia, die Redaktion) berichtet. Insofern würde ich als Bürgermeisterin gerne Experten dazu einladen, mit dem neuen Gemeinderat und den Bürgerinnen vor Ort darüber zu diskutieren, was wir in Kemmern dafür tun müssen, um diese Ziele bis 2030 zu erreichen.

Der Standort des Mehrgenerationenzentrums und auch das Projekt an sich wurden in Kemmern heiß diskutiert. Wurden Ihrer Meinung nach Fehler gemacht?

Jeder, der sich mit der Planung des sogenannten Mehrgenerationenzentrums genauer beschäftigt, kann sich dazu seine eigene Meinung bilden. Die Gemeinde hat einen mehrseitigen Sonderdruck zu den zahlreichen Einwendungen an alle Haushalte verteilt. Die Bürgerbeteiligung wurde pflichtgemäß durchgeführt – mehr aber auch nicht. Ich bin überzeugt, wenn die Bevölkerung und vor allem auch die direkt von der massiven Verkleinerung des Schulgeländes betroffenen Kinder von Anfang an aktiv an der Planung beteiligt worden wären, wäre ein besseres Ergebnis möglich gewesen. Dass die Kemmerner Schulkinder nach dem Bau der Zufahrtsstraßen und der Seniorenappartments in der Pause keine Wiese mehr zum Toben haben, ist ein großer Fehler. Als Erfolg werte ich, dass durch die Einwendungen der Eltern die Sanierung der Schulsportanlage und die Aufwertung des Pausenhofs jetzt eine hohe Priorität bekommen hat. Und auch, dass die dringend notwendige Sanierung der bestehenden Kindertagesstätte endlich wieder mehr Aufmerksamkeit genießt. Was mir bis heute fehlt, ist eine Abfrage bei der Bevölkerung, welchen Bedarf an Pflegeeinrichtungen sie heute und zukünftig hat.

Weitere Projekte sind die Verbesserung des Hochwasserschutzes und die Aufgabe der eigenen Kläranlage – das Abwasser wird künftig nach Bamberg fließen. Kann Kemmern so viel stemmen, ohne sich finanziell und personell zu übernehmen?

Da der Hochwasserschutz und die Abwasserentsorgung Pflichtaufgaben der Daseinsvorsorge sind, geht es darum, diese wichtigen Maßnahmen klug zu finanzieren und die Umsetzung effektiv zu organisieren. Die Notwendigkeit, den Hochwasserdamm mit einem „Klimaaufschlag“ zu ertüchtigen und die Binnenentwässerung für Starkregenereignisse leistungsfähig zu machen, ist eine direkte Folge der Klimakrise. Insofern zahlen wir schon jetzt den Preis für die ungenügenden Anstrengungen im Klimaschutz der letzten Jahrzehnte. Als Bürgermeisterin will ich dafür Sorge tragen, dass die Pflege des Hochwasserdamms weiterhin zu blütenreichen Flächen führt. Und dass Ausgleichsmaßnahmen am Main für Natur und Mensch gleichermaßen gewinnbringend umgesetzt werden.

Da ich keinen Einblick in die vertragliche Gestaltung und die genauen Planungen des Vertrages mit der Stadt Bamberg habe, sind Aussagen zum Kläranlagenanschluss nach Bamberg schwierig. Durch das in Kemmern vorhandene Mischsystem, dass auch in den Dorferneuerungsgebieten nicht umgebaut wurde, wird letztlich eine Menge Regenwasser nach Bamberg gepumpt und fehlt dem Main zwischen Kemmern und Bischberg. Andererseits profitiert die Gewässerqualität des Flusses davon, dass auf dieser Strecke kein Abwasser mehr eingeleitet wird.

Diskutiert wurde immer wieder über Neubaugebiete und neue Gewerbeflächen. Was muss hier in den kommenden sechs Jahren passieren, damit sich Kemmern für die Zukunft gut aufstellen kann?

Kemmern liegt im Verdichtungsraum der Stadt Bamberg. Die Nachfrage nach Bauplätzen ist groß. Nach über 18 Jahren gehe ich davon aus, dass die ursprüngliche Planung für das Baugebiet Bettelweg den heutigen Maßstäben für ein ressourcenschonendes Baugebiet wahrscheinlich nicht mehr gerecht wird. Hier hat sich seit der Aufstellung des Bebauungsplans 2002 kein Sandkorn bewegt, obwohl die CSU bei jeder Wahl versprochen hat, dass das Baugebiet kommt. Ich denke, hier wird deutlich, dass wir neue Ansätze brauchen. Mit Grundstückseigentümern und Fachleuten gemeinsam muss geklärt werden, welche Wege möglich sind. Die meisten Gemeinden weisen heute keine 100 Bauplätze auf einen Schlag mehr aus. Eine schrittweise Entwicklung ist notwendig. Wichtige Aspekte wie Nachhaltigkeit und Ökologie müssen genauso berücksichtigt werden, wie soziale Aspekte. Unabhängig davon ist es für eine gute Dorfentwicklung von zentraler Bedeutung, den Gebäudebestand und Baulücken in Kemmern in den Blick zu nehmen. Die Frage ist, welchen Wohnbedarf haben wir heute und welchen in zehn, 20 oder 30 Jahren. Ich will die Eigentümer dabei unterstützen, Gebäude und Flächen im Ort als bedarfsgerechten Wohn- und Lebensraum zu entwickeln.

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Neben Ihnen stellen sich noch weitere Kandidaten zur Wahl. Ganz konkret: Warum sollten die Bürger Ihnen ihre Stimme geben?

Ich stehe mit meiner über 15-jährigen beruflichen Erfahrung in der nachhaltigen Regionalentwicklung und als Frau für einen neuen Politikstil. Gestalten statt verwalten, moderieren statt polarisieren und vor allem miteinander statt übereinander reden, das ist es was Kemmern braucht, um sich fit für die Zukunft zu machen. Als erste Bürgermeisterin für Kemmern will ich parteiübergreifend zusammen mit allen Gruppierungen im Gemeinderat und im aktiven Gespräch mit allen Generationen im Ort gute Lösungen für Kemmern erarbeiten.

Eine persönliche Frage noch zum Schluss: Was gefällt Ihnen an Kemmern besonders? Haben Sie einen Lieblingsplatz?

Was ich persönlich an meinem Leben hier in Kemmern sehr schätze, sind der Main und die Hassberge, dass Grundschule und Kindergarten im Ort sind, die Nachbarn in der Straße, in der ich lebe, die Bücherei, das Johannisfeuer, die Streuobstwiese meines Vaters, auf der wir alle im Herbst gemeinsam Äpfel ernten, dass ich in Kemmern Kartoffeln, Gemüse, Wurst, Brot und Getränke aus der Region kaufen kann und dass mein Alltagsradweg zur Arbeit durch die landschaftlich schönen Mainauen führt.

Anne Schmitt über sich selbst: Mit meinem Mann und unseren zwei Kindern wohne ich seit 2004 in dem von mir, meiner Familie, Freunden und fachkundigen Handwerkern renovierten Haus meiner Großeltern mitten im Ort. Wichtige Stationen meines Lebens waren meine Kindheit in Hirschaid, die Schulzeit am Dientzenhofer-Gymnasium in Bamberg mit Gründung der Umweltgruppe, mein Studium der Geoökologie in Potsdam mit einem Auslandsaufenthalt in Leeds (England). Nach dem Studium konnte ich mit einem Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung bei der Internationalen Kommission zum Schutz der Oder in Breslau (Polen) berufliche Erfahrungen sammeln. 2006 habe ich über die historische Landschaftsentwicklung und Bodenerosion in Südost-Polen promoviert. Seit 2003 entwickle ich Projekte mit den Schwerpunkten Gewässer, Naherholung, Umweltbildung, Naturschutz und nachhaltiger Tourismus zusammen mit verschiedensten Partnern aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen.

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