500 Jahre Bayerisches Reinheitsgebot. Das ist für viele Brauer in diesem Jahr ein Grund zum Feiern. Wir von Nachrichten am Ort haben die Brauerei Wagner in Kemmern besucht, die Familie kennengelernt und mit Hubert Wagner über das Reinheitsgebot gesprochen. Er erklärt im Interview, warum es auch heute noch wichtig ist und verrät, wie aus nur vier Zutaten die verschiedensten Biere entstehen.
27 Jahre älter als das Bayerische Reinheitsgebot soll das „Bamberger Reinheitsgebot“ sein. Im Staatsarchiv Bamberg fanden sich Ende 2014 Informationen zu einem Eid, den schon 1489 die Brauer ablegten. Ähnliche Verordnungen gab es zuvor schon in Augsburg oder auch Nürnberg. Und „erst“ 1516 galt dann bayernweit ein Reinheitsgebot für Bier.
Aber was steckt eigentlich dahinter? Das beantwortet Hubert Wagner von der Brauerei Wagner aus Kemmern im Interview mit Nachrichten am Ort. Gefeiert werden 500 Jahre Reinheitsgebot übrigens nicht nur in München, sondern schon am 24. April anlässlich des „Tags des deutschen Bieres“ auch in Kemmern.
Nachrichten am Ort: Ihre Brauerei gibt es seit bald 230 Jahren. Seitdem halten Sie sich an das Reinheitsgebot, das wiederum seit 500 Jahren gilt. Warum ist das Reinheitsgebot so wichtig?
Hubert Wagner: Das Reinheitsgebot ist die älteste gültige lebensmittelrechtliche Vorschrift der Welt und beinhaltet die Verwendung unsere Rohstoffe im Bier. Für den Verbraucher bleibt der Inhalt somit nachvollziehbar, was ein sehr hohes Maß an Lebensmittelschutz bringt. Wie das Wort schon aussagt: Eben „Reinheit“ für unser Bier.
Die so genannten Craft-Brauer experimentieren, und nicht alle ihren Ideen vertragen sich mit dem Reinheitsgebot – zum Beispiel Gewürze, Extrakte und mehr. Müsste es für solche Zwecke eine „Ausnahme“ geben?
Ich als Braumeister bin natürlich auch an experimentellen Bieren interessiert und versuche, dies mit unseren Zutaten umzusetzen. Ich bin der Meinung, unser Reinheitsgebot sollte nicht gelockert werden, da wir auch mit den vier Rohstoffen Hopfen, Malz, Hefe und Wasser einen sehr großen Spielraum für experimentelles Brauen haben. Schließlich schafft das Reinheitsgebot ein sehr hohes Maß an Sicherheit und Vertrauen bei unseren Kunden.
Wer nicht nach dem Reinheitsgebot braut, darf sein Getränk nicht „Bier“ nennen. Richtig so?
Das ist richtig. In Bayern ist dies besonders streng, da es auch keine Ausnahmegenehmigungen für bestimmte obergärige Biere, hergestellt mit Rohrrüben- und Invertzucker sowie aus Zucker hergestellten Farbmitteln gibt.
Die Familie Wagner: Jennifer (mit Nele), Tobias, Stefanie, Georg, Karin, Lorenz, Hubert und Manuela.
Im vergangenen Jahr wurde das Reinheitsgebot als immaterielles Kulturerbe der UNESCO als Welterbe vorgeschlagen, der Antrag wurde aber abgelehnt. Begründung: „Hier stand die Lebensmittelvorschrift zu sehr im Vordergrund. Wir hatten auch den Eindruck, dass die Bierproduktion inzwischen sehr industriell geprägt ist. Der Mensch als Wissensträger der Brautradition scheint zunehmend eine nachrangige Rolle zu spielen.“ Das müsste doch gefundenes Fressen für eine handwerkliche Brauerei wie die Ihre sein, oder?
Wir Brauer wären natürlich sehr froh darüber gewesen, unser ältestes Lebensmittelgesetz als Kulturerbe der UNESCO bestätigt zu haben. Die Industrialisierung hat auch in unserem Brauhandwerk Einzug gehalten. Das Brauverfahren lässt sich einfach in Computer-gestützte Systeme integrieren. Dennoch legen wir sehr großen Wert auf traditionelle Herstellung und lange Reifezeiten, die wir bei kalten Temperaturen im Minusbereich durchführen. Individuelle Brauverfahren lassen sich bei uns schnell umsetzen. Erfahrung, Können und Leidenschaft stehen bei uns als regionale Privatbrauerei im Vordergrund. Neue Ideen und Anregungen können schnell in die Tat umgesetzt werden. Ich erinnere mich an den Gedanken, für meinen Vater und meinen Onkel (eineiige Zwillinge) ein neues Bier zum 80. Geburtstag zu kreieren. Nach einer alten Rezeptur mit verschiedenen Malzsorten und Hopfen aus unserem eigenen Hopfengarten braute ich den „Zwilling“, der mittlerweile jährlich ein bis zweimal gebraut wird und bei vielen Bierliebhabern sehr geschätzt wird.
Mit zehn Biersorten schaffen wir eine große Vielfalt in der Bierlandschaft und behalten dennoch die Natürlichkeit und Reinheit für unsere Sorten. Dies ist ein großer Verdienst des Bayerischen Reinheitsgebotes, dem wir uns als regionale Kleinbrauerei verschrieben haben.
Das Reinheitsgebot ist ja eine recht strenge Sache. An welchen Stellschrauben kann ein Brauer drehen, um dennoch ein unverwechselbares Bier zu erhalten?
Für mich als Brauer ist das Reinheitsgebot keine strenge Sache, sondern eine geniale Idee, ein Produkt zu schützen, letztlich sogar die Ursprünglichkeit zu bewahren. Denken wir nur an ein fränkisches Rauchbier (wie unseren Kemmerer Kuckuck), bei dem dieser unverwechselbare Geschmack in das Bier durch das Rauchmalz eingebracht wird, oder Schwarzbier, mit seiner dunklen Farbe oder auch Hopfen-gestopfte Mandarin-Bavaria-Biere, die die Vielfältigkeit des Hopfens ausdrücken. Bei allen ist der Hauptbestandteil zunächst Wasser. Das weist verschiedene Mineralien und gelöste Salze auf, durch die ein jedes Bier, vermischt mit verschieden Malzsorten, einen unverwechselbaren Geschmack erhält. Mit dem Malz bringen wir also verschiedene Farben und Geschmacksrichtungen ein.
Dann der Hopfen: Er ist vielfältig im Aroma und bringt ein Flavor von Maracuja bis Gras ein, außerdem sorgt er für die Bittere – von mild bis „kratzig“. Zum Schluss die Hefe: Sie vergärt unsere Würze und ist zudem für die spritzige Kohlensäure im Bier verantwortlich. Dadurch bekommen wir einen säuerlichen-bananigen Geschmack.
Sie sehen also, dass mit diesen vier Rohstoffen ein so breites Spektrum an Geschmack, Farbe, Geruch, Aussehen und prickeln auf der Zunge erzeugt werden kann. Diese Vielfalt an Bieren mit ihren ganz Individuellen Noten zeigen, dass Kreativität nach dem Reinheitsgebot möglich ist. Das Reinheitsgebot ist also kein althergebrachtes zu modernisierendes Instrument, sondern ein Segen für die Brauer.
In Kemmern zuständig fürs Bierbrauen: Tobias und Hubert Wagner, Peter Krines, Dominik Endres.
Sind die 500 Jahre Reinheitsgebot ein Anlass zum Feiern – und wenn ja, wird auch in Kemmern gefeiert?
Wir werden zum Tag des deutschen Bieres am 24. April ab 15.00 Uhr Brauereiführungen anbieten, natürlich gibt es an diesem Tag auch unserer diversen Bierspezialitäten zum Probieren. Vom 22. bis 24. Juli werden wir dann in München, zusammen mit 200 anderen Brauereien, das Reinheitsgebot feiern und alle Besucher können dort die Vielfalt der Biere (gebraut nach dem Reinheitsgebot) erschmecken. Unserer Brauerei ist am Gemeinschaftsstand „Bierland Oberfranken“ am Wittelsbacher Platz mit dabei.
Veranstaltungstipp: Am 23. April 2016, dem Tag des deutschen Bieres, lädt die Brauerei Wagner in Kemmern ab 15.00 Uhr zu Brauereiführungen und Bierverkostungen ein. Die Gaststätte ist geöffnet, und auch für musikalische Unterhaltung ist gesorgt.