Umgeben von einer fürstbischöflichen Chausee, am nördlichen Ortsrand von Unterleiterbach, befindet sich ein Bauwerk, das durch seine besondere architektonische Gestaltung zweifelsfrei von hohem kunsthistorischen Wert ist: Die Valentinikapelle – ein Kleinod spätbarocker Landkirchen. Legenden ranken sich um die kleine Kapelle, welche gleichzeitig auch eine spannende Geschichte vorweisen kann.
An der Stelle der heutigen Kapelle stand bereits eine Vorläuferkapelle, die im Jahr 1500 aus Holz errichtet wurde. Anlass für den Bau waren die zahlreichen Wallfahrer nach Vierzehnheiligen, die von Süden kommend an Unterleiterbach vorbeizogen. An der dem Heiligen Valentin geweihten Kapelle konnten sie diesen und anderen Nothelfern für bestimmte körperliche Gebrechen um Hilfe bitten. Nachdem die alte Fachwerkkapelle zunehmend baufällig wurde und eine allgemeine Baulust unter den Fürstbischöfen im 18. Jahrhundert herrschte, wurde am 11. Mai 1738 auf Antrag des Ebensfelder Pfarrer Johann Vennos der Baubeginn für eine neue Kapelle eingeleitet. Der Bamberger Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn beauftragte für die Planung seinen Baumeister Michael Küchel, der bereits öfters in seinen Diensten stand.
Eine Figur mit versetztem Kopf
Küchels Idee war es, die Kirche als überkuppelte Rotunde zu bilden, die parallel zur vorbeiführenden Landstraße durch zwei Flügel erweitert wird. Die Rotunde ist innen vollständig rund und wird mit einem Kegel- beziehungsweise Zeltdach mit Dachreiten gekrönt. Das war zwar nicht der von der Gemeinde gewünschte schlichte Quaderbau, doch nur deshalb nimmt die im spätbarocken Stil errichtete Kapelle heute einen so hohen künstlerischen Rang ein. Die Außenfassade wurde mit Bundsandsteinquadern errichtet – die Unterleiterbacher Bürger hatten damals ihren eigenen Kopf. Schaut man sich die Außenfassade genauer an, dann fallen die Einbuchtungen des Sandsteines auf. Anstelle des geplanten weißen Bruchsteinmauerwerks wurden eigenmächtig Bundsandsteinquader verwendet, die Kosten dafür übernahmen die Unterleiterbacher selbst. Die Entscheidung wurde aus Zweckgründen getroffen und sollte kommende Generationen vor Renovierungen bewahren.
Eine weitere Anekdote oder besser gesagt Legende dreht sich um die Figur des Heiligen Valentins in der Valentinikapelle – bei genauem Betrachten erkennt man eine leichte Versetzung des Kopfes zum restlichen Körper. Einer Legende nach stammt die Figur noch aus der Vorläuferkapelle. Im Jahre 1605 wurde dort eingebrochen und Räuber sollen den Kopf des heiligen Valentins abgeschlagen und in den Main geworfen haben. Zapfendorfer Fischer sollen darauf den leuchtenden Kopf im Fluss gefunden und geborgen haben. Diese Legende soll der Beweis dafür sein, warum der Kopf im Verhältnis zum Körper leicht versetzt ist.
Eine Kapelle ohne Glocken im Kuppelturm
Abgesehen vom Heiligen Valentin soll auch noch die Figur des Heiligen Faustinus aus der alten Fachwerkkapelle stammen. Außerdem sind die beiden Pestheiligen Sebastian und Rochus sowie die Heilige Ottilie und die Heilige Apollonia, zuständig für Augen- beziehungsweise Zahnleiden, in der Kapelle zu finden. Alle Figuren sind typisch für Wallfahrtskirchen, da sie Helferinnen und Helfer bei körperlichen Gebrechen darstellen. Allerdings sind es – abgesehen von den Heiligen Valentin und Faustinus – Nachbildungen, die anhand vorhandener Fotografien detailgetreu nachgebildet werden konnten. Die Originale sind bei einem Einbruch in den Siebziger Jahren entwendet und nicht wiedergefunden wurden.
Ferner sind in der Kapelle unter anderem ein Hochalter, geschmückt mit vergoldeten Schnitzereien, und eine schmal proportionierte Kanzel beheimatet. Die erste Orgel wurde nach 100 Jahren durch die Orgel der Ortskirche von Unterleiterbach ersetzt. Die heutige stammt aus dem Jahr 1903. Außerdem gab es noch zwei Glocken im Glockenturm des Kuppeltürmchens, die allerdings die aus Holz konstruierte Kuppel zu sehr erschütterten, sodass sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts abgenommen und im Dach des benachbarten und im Jahre 2013 neu erbauten Leichenhaus aufgehängt wurden. Nicht außer Acht zu lassen ist das mehr als beeindruckende, dreidimensional erscheinende Deckengemälde in der Kuppel: Die Aufnahme Valentins in den Himmel durch die heilige Dreifaltigkeit. Geschaffen durch den für seine barocke Illusionsmalerei berühmten Maler Giovanni Francesco Marchini. Er hat es geschafft, eine wunderbare Scheinarchitektur in der Kuppel zu kreieren. Weitere bekannte Werke des Malers sind im Schloss Weißenstein in Pommersfelden oder in der Stadtpfarrkirche St. Martin in Bamberg zu finden.
Von der Friedhofskapelle zur Touristenattraktion
In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts wurde bereits fleißig renoviert in der Kapelle. Der Fußboden und Fenster wurden ausgewechselt, das Dach einschließlich des Kuppeldachreiters saniert sowie die Altäre restauriert. In den kommenden Jahren muss eventuell über eine Sanierung des Dachstuhls nachgedacht werden, doch grob gesagt ist die Kapelle „gut in Schuss“, wie Armin Morgenroth, der auch Touristengruppen durch die Kapelle führt, berichtet.
Die Kapelle ist in Besitz der Gemeinde, die sich auch um die Instandhaltung kümmert. Seit 1901 befindet sich an der Kapelle auch der Friedhof, sodass diese fast ausschließlich als Friedhofskapelle dient. In der ersten Maiwoche finden dort außerdem Andachten statt und natürlich wird die Valentinswoche im Februar gefeiert. Gelegentlich werden in der kleinen Kapelle auch Hochzeiten abgehalten und immer wieder finden Touristengruppen den Weg nach Unterleiterbach, um dieses Bauwerk, das zu den schönsten im Umkreis zählt, zu bestaunen.
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