ICE und Bahnausbau: In Lichtenfels werden aktuell die Weichen gestellt

MIT KOMMENTAR!

Nichtöffentlich oder doch öffentlich? Ganz so einfach ist das nicht beim Erörterungstermin zum Planfeststellungsverfahren in Sachen ICE-Ausbau zwischen Hallstadt Nord und Zapfendorf Nord, der aktuell in der Stadthalle in Lichtenfels stattfindet. Denn eigentlich darf nur rein, wer eine Einwendung verfasst hat, die Presse ist erstmal ausgeschlossen. Wir waren dennoch vor Ort und wurden eingelassen. Ab Donnerstag sollten auch diejenigen Bürger aus Hallstadt, Kemmern, Breitengüßbach, Ebing und Zapfendorf reinschauen, die Einwendungen eingereicht haben.

Noch recht übersichtlich sieht es in der Stadthalle in Lichtenfels aus. Zwar ist die Halle voll bestuhlt, besetzt sind die Stühle aber nicht. Und auch die Anmeldelisten am Eingang sind so gut wie leer. Noch schaut kaum ein Bürger vorbei. Das mag wohl daran liegen, dass von Montag, 2. Juni bis Mittwoch, 5. Juni lediglich die so genannten „Träger öffentlicher Belange“ und die Gemeinden mit ihren Einwendungen an der Reihe sind. Erst am Donnerstag und Freitag werden dann die privaten Einwendungen behandelt. Nachteil: Niemand weiß, wann die eigene Einwendung dran kommt. Somit müsste jeder, der eine Einwendung geschrieben hat, theoretisch die gesamte Zeit anwesend sein. Gerade für Berufstätige ist das eine große Hürde, für viele andere ist es auch der Veranstaltungsort in Lichtenfels. Nach unseren Informationen war es der Regierung von Oberfranken, die hier Gastgeber ist, nicht möglich, einen anderen geeigneten Veranstaltungsort in einer der betroffenen Gemeinden zu finden.

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Am Ausgang wartete ein Security-Mitarbeiter und forderte uns auf, die eben geschossenen Fotos aus der Halle wieder zu löschen. Somit können wir Ihnen, liebe Leser, leider keine Bilder zeigen …

Keine innovativen Wege beim Lärmschutz

Eines der wohl wichtigsten Themen in den ersten Tagen ist der Lärmschutz, der durch Wälle und Wände erreicht werden soll. Eine spannende Einschätzung äußerte ein Mitarbeiter der Bahn beim Erörterungstermin: Von keiner Verschlechterung gegenüber der aktuellen Situation war die Rede. Laut Josef Martin, ehemaliger Bürgermeister von Zapfendorf, weist das Verfahren hier deutliche Schwächen auf. So hätten zum Beispiel Wohngebiete, die nach dem Planfeststellungsverfahren aus den 1990er Jahren ausgewiesen wurden, keinen Rechtsanspruch auf Lärmschutz, da die Bahn sich auf einen 18 Jahre dauernden Bestandsschutz des Planfeststellungsverfahrens berufe. Die Bahn hätte aber innerhalb innerhalb von fünf Jahren nach dem Planfeststellungsbeschluss mit dem Bau beginnen müssen, so Martin. Auch die Höhe der Lärmschutzwände, die teilweise zur Ortsseite hin niedriger sind als zwischen den vier Gleisen, was zu Rückkopplungen führen könnte, stehen zur Diskussion, ebenso wie die Anzahl der Züge und der Zuglängen, auf denen die Berechnung beruht.

Innovative Methoden des Lärmschutzes seien gesetzlich noch nicht zugelassen und kämen daher nicht in Frage, heißt es. Der Lärmschutz müsse dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Für einen Vollschutz wären, sagte Schallschutzplaner Hans Högg, Wände mit einer Höhe von zwölf Metern notwendig. Und auch dann gäbe es noch problematische Fälle aufgrund der teilweise sehr nahe liegenden Bebauung – so manches Gebäude halte gerade mal einen Abstand von zehn Metern zu den Gleisen ein. Besonders in Zapfendorf tritt diese Situation auf. Ludwig Wolf, zweiter Bürgermeister der Stadt Hallstadt, formulierte treffend: „Wir sind nicht gegen den Bahnausbau, meine Damen und Herren, nicht, dass das in den falschen Hals gerät. Aber Lärmschutzwände mit einer Höhe von fünf Metern zerschneiden unsere Stadt.“

In vielen Fällen beruft sich die Bahn darauf, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten, etwa beim Schienenbonus. Der fällt zwar, so hat es die Politik entschieden, zum 1. Januar 2015 weg, aktuell gilt er aber noch. Zudem seien die Immissionsschutzverordnungen und auch der Schienenbonus schon mehrfach gerichtlich geprüft worden, so ein Bahnvertreter. Ebenso sei die Stichtagsregelung geltendes Recht, allein schon aufgrund der Planungssicherheit. Und so kann sich die Bahn 5 dB(A) gut schreiben, ohne dafür etwas tun zu müssen. Gerade solche Entscheidungen sehen die Kommunalpolitiker skeptisch, ebenso wie die fehlende Barrierefreiheit an den Haltepunkten. Hier bleibt auch abzuwarten, ob die in den vergangenen Wochen vom Landtagsabgeordneten Heinrich Rudrof und von der Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner an Verkehrsminister Alexander Dobrindt gerichteten Briefe Wirkung zeigen.

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Nach dem Erörterungstermin: Wie geht es weiter?

Zunächst sollen in Lichtenfels bis einschließlich Freitag, 6. Juni, alle Einwendungen, ob von privat oder von den Gemeinden und sonstigen Einwendern, behandelt werden. Gelingt dies zeitlich nicht, sind ab 10. Juni zusätzliche Tage eingeplant. Und dann? Am Ende stellt das Eisenbahnbundesamt fest, ob die Planungen zulässig sind, nimmt gegebenenfalls Änderungen vor, die Bahn bekommt dann das Baurecht durch den Planfeststellungsbeschluss. Und dann hat jeder, der Einwendungen eingereicht hat, auch noch das Recht, den Klageweg zu beschreiten – innerhalb eines Monats nach Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses in den Gemeinden.

 

Kommentar: Gute Verfahren, aber nicht voll durchdacht

Logo-260Großbaustellen sind immer ein Ärgernis. Umso größer ist oft die Freude, wenn sie einmal vorbei sind, der Verkehr wieder rollt, alles großzügiger und besser ist als zuvor. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird dies auch beim ICE-Ausbau in unserer Region der Fall sein.

Bevor es aber soweit ist, kommen erst einmal große Belastungen im Rahmen der Baustelle auf die Anwohner zu. Die gehen aber vorbei, auch wenn sie möglicherweise einen Zeitraum von mehreren Jahren umfassen werden. Viel wichtiger ist daher, dass die neue Bahnstrecke von Grund auf solide geplant ist, eben für die nächsten hundert Jahre. Und genau hier liegen noch einige Probleme. Gestritten wird in vielen Bereichen um ein paar 100.000 Euro – bei einem Milliardenprojekt.

In Deutschland sind wir oft ganz genau, manchmal zu genau. Schauen Sie sich die Komplexität eines Planfeststellungsverfahren (Infos dazu u.a. bei Wikipedia) an. Überlegen Sie, wie viele einzelne Schritte heute notwendig sind, um ein Projekt durchzuziehen. Das betrifft nicht nur Großprojekte, sondern möglicherweise schon Abweichungen vom Standard beim Bau eines Hauses. Und gerade in so etwas hochkomplexem wie einem Planfeststellungsverfahren gibt es deutliche Schwächen.

Das fängt schon bei der ersten Information der Bürger an: Wer keine Zeitung liest und sich nicht mit dem Mitteilungsblatt der Gemeinde befasst, wird kaum mitbekommen, welche Dimension das Projekt eigentlich hat. Warum werden vom zuständigen Bauträger, in diesem Fall der Bahn, nicht alle Grundstücksbesitzer und Anwohner, die sich in einem betroffenen Ort befinden, angeschrieben? Warum erfolgt keine persönliche Einladung für diejenigen, die Einwendungen eingereicht haben, zum Erörterungstermin? Vorgeschrieben ist lediglich eine schriftliche Information, also etwa als Aushang, in der Zeitung, im Gemeindeblatt. Für jedes Lastschriftverfahren, an dem ich teilnehme, habe ich bis vor kurzem eine SEPA-Mitteilung bekommen – per Post! Warum hier so kompliziert, bei einem viel wichtigeren Thema, der Lebensqualität, fehlt aber die persönliche Benachrichtigung? Manchmal wird man aus uns Deutschen nicht schlau – und oft muss man auch einfach nur den Kopf schütteln.

Es bleibt zu hoffen, dass die Bahn nicht auf jeden Euro und Cent schaut, sondern am Ende einvernehmliche Lösungen erzielt werden. Denn schließlich braucht die Bahn nicht nur eine ordentliche Bahnstrecke, sondern auch zufriedene Kunden.

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Ein Kommentar

  1. Anmerkungen zum Lärmschutz in Breitengüßbach

    Ich freue mich, dass unsere Bürger in dem dortigen südwestlichen Bereich von Breitengüßbach nun besser vor dem gesundheitsschädigenden Lärm geschützt werden. Dort unternimmt die Gemeinde für die dortigen Bürger ja seit vielen Jahren große Anstrengungen (Grundstückskosten, Anpflanzung, Unterhaltung usw.) über das gesetzlich notwendige Maß hinaus (ansonsten hätte der Autobahnlastträger dieses Projekt durchführen müssen).

    Allerdings muss ich aus meiner Sicht leider feststellen, dass andere Gemeindeteile wie Unteroberndorf mit dem angrenzenden großen Wohngebiet insoweit anscheinend schlechte Karten haben, obwohl dort zumindest teilweise die Lärmeinwirkungen durch den Autobahn- und den noch schlimmeren nächtlichen Bahnlärm deutlich höher sind ja sogar so hoch sind, dass selbst das gesetzlich zulässige Maß deutlich überschritten wird. Insoweit vermisse ich große Anstrengungen der Gemeinde für diese betroffenen Bereiche. So hat sich der Markt Zapfendorf für seine betroffenen Bereiche im Rahmen eines Gerichtsverfahrens vehement für einen effektiven Lärmschutz ein- und durchgesetzt, obwohl dort diese Doppelbelastung nicht vorhanden ist. Und im Rahmen des ICE-Verfahrens habe ich jetzt wenig mitbekommen, dass die Gemeinde mit Nachdruck gegen das an dieser Stelle völlig falsch angeordnete Überwurfbauwerk vorgeht (siehe Fachstellungnahme der Regierung von Oberfranken). Auf Nachfrage, welche Alternativen die Bahn hierzu geprüft hat, wozu sie verpflichtet ist, kam beim Erörterungstermin nichts. Vielmehr wies die Bahn darauf hin, dass man diesen Ort aus Landschaftsgründen dort hingelegt hat – Landschaftsschutz geht als vor Menschenschutz und wie geht unsere Gemeinde damit um?

    Außerdem vermisse ich auch einen nachdrücklichen Einsatz zu einem deutlich verbesserten Lärmschutz an der geplanten Neubaustrecke, wie ihn die Fachstellen gefordert haben. Der über Jahre hin zu erwartende Baulärm, wodurch insbesondere die Nachtruhe und somit die Gesundheit der Anlieger erheblich gefährdet wird (wenn z.B. am Überwurf monatelang die ganze Nacht hindurch Spundwände reingehämmert werden) wurde in den Gutachten der Bahn nur sehr alllgemein abgehandelt und es werden auch keine konkreten schallmindernden Anforderungen gestellt. Es ist zu befürchten, dass die Bahn ohne größere Rücksicht auf die Anlieger ihr Projekt durchzieht. Sie wies beim Erörterungstermin darauf hin, dass sie ihr Budget gut einhalten wird – nicht verwunderlich, wenn man so wenig Rücksicht auf die Belange der Anlieger mit den damit verbundenen Gesundheitsschädigungen nimmt. Ich habe wirklich Angst davor, dass durch den ICE-Ausbau ein gesundes Wohnen künftig verhindert wird, da die in den Unterlagen beigelegten Berechnungen der Bahn in vielen Punkten fehlerhaft/zu niedrig sind, wie dies aus den Fachstellungnahmen deutlich zu entnehmen ist.

    Ich würde mir wünschen, dass die Gemeinde sich auch für andere Gemeindeteile so nachhaltig einsetzt, wie sie das im og. Fall macht. Allerdings befürchte ich, dass sie sich von der Bahn „billig abspeisen läßt“– wie es derzeit aus meiner Sicht den Anschein hat. Evt. habe ich von bestimmten Sachverhalte/Aktionen keine Kenntnis, so dass meine Befürchtungen unzutreffend sind. Aber dann wird dies ja wohl in einem weiteren Beitrag zum Ausdruck kommen. Im Vertrauen darauf, dass die Gemeinde einen deutlich verbesserten Lärmschutz erreicht (siehe Zapfendorf) verbleibe ich

    mit freundlichen Grüßen

    Andreas Brunner

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