Gemeinwohl vs. Einzelinteressen

Eines ist klar: Nach Abschluss der Bahnbaustelle und wenn die Behelfsbrücke im Süden wieder verschwindet, rollen durch die Ortsmitte von Breitengüßbach wieder bis zu 20.000 Fahrzeuge pro Tag. Eine Entlastung ist seit Jahren geplant, das Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) liefert dazu erste Ansätze. Anwohner auf der anderen Seite der Bahn befürchten aber, die Leidtragenden zu sein.

„Gebaut wird momentan noch nichts.“ Breitengüßbachs Bürgermeisterin Sigrid Reinfelder informierte zusammen mit Stadtplaner Dr. Hans-Peter Dürsch im Rahmen einer Gemeinderatssitzung, die in den Pfarrsaal verlegt worden war, über den aktuellen Stand in Sachen ISEK. Vorgestellt wurden dabei die Stellungnahmen, die von Bürgern und Behörden im Rahmen der Auslegung in den Monaten August und September 2016 eingingen. Neben der Ortsmitte, für die das ISEK schon immer gedacht war, kommt – vor allem bedingt durch den Bahnausbau – ein weiteres Gebiet hinzu, dass sich von der Ortsmitte über die Bahngleise nach Osten erstreckt. Die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie, die Möglichkeiten hierzu aufzeigt, sollen im Frühjahr präsentiert werden.

Reinfelder stellte klar, dass das ISEK noch keine Baugenehmigungen beinhalte, sondern lediglich Ziele formuliere. Insbesondere sei das Konzept nötig, um später Fördermittel im Rahmen der Städtebauförderung abrufen zu können. „Bei konkreten Maßnahmen wird es dann erneut eine Bürgerbeteiligung geben. Der Prozess wird sich über fünf bis zehn Jahre erstrecken, da die vielfältigen Projekte nicht in ein paar wenigen Haushaltsjahren unterzubringen wären.“


Einer der ISEK-Termine war die Bürgerwerkstatt in der Turnhalle.

Rennstrecke, Bikertreff, Lärm

In den Stellungnahmen aus der Bürgerschaft gab es durchaus konkrete Anregungen. Etwa den Bau einer öffentlichen Toilette im Bahnhofsbereich, die nicht nur Fahrgästen, sondern auch Radfahrern und Touristen zugutekäme. Oder die Errichtung eines Parks mit Fitnessgeräten für Erwachsene und Kinder im Bereich des stillgelegten Stellwerks der Bahn.

Viele private Einwendungen beschäftigten sich allerdings mit dem Bereich östlich der Bahnstrecke. „Wir müssen auf dieser Seite die gleiche Infrastruktur bereitstellen wie am Bahnhof auch“, so Reinfelder. Durch einen Tunnel ist der Bahnsteig nun von beiden Seiten aus zu erreichen. Angedacht ist etwa ein Park-&-Ride-Platz, wo Autos und Fahrräder der Bahnfahrer abgestellt werden könnten. Für diesen wäre eine Zufahrt nötig. Den Platz sahen einige Anwohner in ihren Stellungnahmen aber kritisch – und befürchteten Lärm durch zuschlagende Autotüren und die Schaffung einer Verweilmöglichkeit für Motorradtreffen. Besonders kritisch äußerten sich Anwohner von Klingenstraße und Erlein. Die Straßen sollen nach Abschluss der Bahnbaustelle wieder in ihren Ursprungszustand versetzt werden. Es gibt allerdings Überlegungen, etwa einen zweiten Gehsteig anzubauen – woran sich die Anlieger beteiligen müssten. Einige befürchten außerdem eine Rennstrecke für Mofas sowie das Entstehen einer Pendlerstraße – insbesondere, falls die Behelfsbrücke im Süden doch einmal zu einer Bestandsbrücke ausgebaut werden sollte, würden viele Zückshuter nicht mehr durch die Ortsmitte, sondern durch ihre Straße fahren. Das würde zu einem Wertverlust für die Grundstücke und Gebäude führen.

Dem widersprach Bürgermeisterin Reinfelder – sie sah vielmehr eine Wertsteigerung der Gebäude durch den Bahnsteigzugang auch von der Ostseite sowie den Lärmschutz, der vorher nicht vorhanden war. Sie erläuterte außerdem, dass sich die Belastung von Klingenstraße und Erlein durch einen Park-&-Ride-Platz in Grenzen halte. Als die Brücke Zückshuter Straße noch gesperrt war, fuhren im Schnitt 965 Fahrzeuge pro Tag durch die beiden Straßen, seit der Eröffnung der neuen Brücke sind es 234, die von der Behelfsbrücke in die Klingenstraße einfahren.

Dass der Ostausgang ungemein wichtig für Breitengüßbach ist, betonte auch Gemeinderat Manfred Herl (SPD): „Ohne einen Ostausgang hätten wir uns Entwicklungsmöglichkeiten verbaut. Wir nehmen die Sorgen der Bürger ernst, es ist aber auch notwendig, hier jetzt etwas zu tun. Denn die Vorteile überwiegen“. Und Reinfelder sagte abschließend: „Es gilt, auch das positive für das Gemeinwohl zu erkennen und Einzelinteressen zurückzustellen.“

 

Tipp zum Weiterlesen:

Vieles ist in den vergangenen Jahren in Sachen ISEK bereits gelaufen. Alle unsere Artikel dazu finden Sie auf einer Sonderseite zum ISEK.

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