Stolz sind sie, die fünf Männer der Trachtengruppe, auf ihre Krippe. Am Mittwoch, 28. November, wurde sie rechtzeitig zum 1. Adventssonntag aus der „Garage“ geholt, vor der Kirche aufgestellt, sowie her- und eingerichtet. Seit nunmehr 27 Jahren ist dies ein jährliches Ritual, jeder Handgriff sitzt, aber auch ein Auge fürs Detail wird von den Männern verlangt. Denn die Kemmerner Kinder haben hohe Ansprüche an eine glaubwürdige Darstellung der Weihnachtsgeschichte.
Eine eigene fränkische Dorfkrippe. Das war 1986 die Idee, die innerhalb der Trachtengruppe Kemmern auf Anregung von Georg Diller aufkam und in die Tat umgesetzt wurde. Um die ersten Figuren und Materialien anzuschaffen, wurde ein Straßenfest veranstaltet, das inzwischen als Weinfest fest etabliert ist. Der Erlös sowie Sach- und Geldspenden von einheimischen Unternehmen wie der Zimmerei Brehm ermöglichten so die Anschaffung der ersten Figuren – die Mitglieder der Heiligen Familie, die in Gröbenzell und Oberammergau gefertigt wurden. Die Figuren sind teilweise aus Holz geschnitzt (Kopf, Hände und Beine) und inzwischen mit einer extra Konstruktion im Körperteil versehen, damit sie flexibel und beweglich in die jeweilig benötigte Position gebracht werden können. Heute werden mit insgesamt 26 beweglichen Figuren (Maßstab 1:6) sechs verschiedene Bilder der Weihnachtsgeschichte dargestellt.
Auch die Krippe, welche die Heilige Familie beherbergt, ist durchdacht und flexibel bis ins kleinste Detail. Schließlich muss sich das Fachwerkhaus von einer original Kemmerner Wohnstube um 1900 in ein Wirtshaus und einen Stall verwandeln und am Ende auch noch den Rahmen für die Flucht nach Ägypten darstellen. Dies ermöglichen vor allem eine herausnehmbare Rückwand sowiehandwerkliches und kreatives Können der Bauer.
Doch bevor die Krippe auf den Markplatz kommt, muss sie erst einmal aus dem „Krippenhäusla“ ausgeparkt werden. Auf den ersten Blick erscheint das alte Feuerwehrhaus um die Krippe herum gebaut worden zu sein. Doch mit viel Augenmaß schieben die Männer das Fachwerkhaus durch das enge und extra vergrößerte Tor. Für den Transport der auf einem Rollenwagen aufgebauten Krippe sorgt Hans Vogel mit seinem sicher historischen, aber „dann doch nicht ganz originalen, also 2000 Jahre alten Traktor.“ An solchen Scherzen zeigt sich, trotz früher Uhrzeit und winterlichem Wetter: Alle sind mit Freude bei der Arbeit.
Mit seinem „original-historischen“ Gefährt zieht Hans Vogel die Krippe zum Marktplatz.
Während noch von den Gemeindearbeitern mit schwerem Gerät der Baum vor der Kirche aufgestellt und mit Lichtern geschmückt werden muss, ist für die Krippenbauer nichts mehr zu tun. So stimmen sie spontan zu, sich am frühen Nachmittag noch einmal zu treffen, um die Hauptarbeiten zu erledigen.
Baumaufstellen in neuen Dimensionen
In diesen fünf Stunden kümmert sich Arnold Dorsch mit seinen Leuten um den riesigen Baum, den sie bereits am frühen Morgen auf einem privaten Grundstück gefällt haben. „So einen Baum findet man nicht im Wald“, erklärt Hans-Dieter Ruß. „Wir wissen, wo in Kemmern Tannenbäume stehen, die sowieso gefällt werden müssen.“ So hat Kemmern jedes Jahr einen echten Kemmernern Tannenbaum, der mit Unterstützung und Geräten der Firma Gick gefällt, transportiert, aufgestellt und geschmückt wird.
Der Baum wird mit schwerem Geräte für den „Christbaumständer“ zurecht geschnitten.
Für die obersten Lichterketten reicht keine Leiter aus.
Ob auch jede Kerze richtig steht, sehen wir erst, wenn das Licht angeht.
Bei einem so großen Baum dauert das Aufhängen der Lichterketten, die Verkabelung und natürlich die Kontrolle, ob auch alle Lichter brennen und gleichmäßig über den Baum verteilt sind, entsprechend lang. In diesem Jahr sind die Gemeindearbeiter einen kompletten Arbeitstag beschäftigt. Da steht die Krippe schneller: Am Nachmittag treffen sich Georg Zenk, Karl Heinz Eichelsdörfer, Georg Diller, Joseph Haderlein und Hans-Dieter Ruß erneut und machen sich an Grob- und Feinarbeiten um und im Krippenhaus. Nach nur einer Stunde bewundern bereits Kinder das erste Kapitel der Weihnachtsgeschichte: Maria Verkündigung. In den kommenden sechs Wochen wird immer freitags die Szene umgebaut werden.
Jeder Zentimeter zählt – ohne Wasserwaage, aber mit viel Erfahrung wird das Haus ausgerichtet.
Doch zuerst braucht die meiste Zeit das Ausrichten des Wagens auf dem Kirchplatz. „Der (Kirchplatz) war letztes Jahr schon schief.“ Aber jeder Zentimeter wird mit Holzbrettchen und Wagenheber ausgeglichen. Das Mobiliar, die Figuren und die Requisiten werden einzeln und liebevoll gesäubert und im Häuschen platziert. Das Herzstück und ganzer Stolz sind neben den Figuren natürlich die Öfen. Zwei gibt es, und beide sind maßstabsgetreue Nachbauten von Originalöfen, die in Kemmerner Wohnzimmern standen oder noch stehen. Jeder der Männer weiß Anekdoten aus den letzten Jahren zu berichten: „Eines der Kinder kritisierte mal, dass der Ofen zwar ein Abzugsrohr hat, aber gar kein Kamin vorhanden ist: ‚Die können gar nicht richtig heizen‘.“ Über die Jahre wurde immer wieder etwas verbessert. So achten die Männer inzwischen routiniert auf jede Kleinigkeit, zum Beispiel auch, dass die Gardinen nicht auf Links hängen.
Liebevoll wird jedes Stück aus dem Anhänger geholt, vom Staub befreit und in der Wohnstube platziert.
Maria hat ihren Platz auf der Ofenbank, dafür müssen die Kniegelenke richtig justiert werden.
Direkter Zugang zur Weihnachtsgeschichte
„Für die Kinder, die regelmäßig mit ihren Eltern oder auch dem Kindergarten kommen, ist es am schönsten, wenn sie auch in die Krippe klettern und die Figuren – vor allem die Tiere – streicheln können. Vom Zaun lassen die sich nicht aufhalten.“ Dieser direkte Kontakt mit der Weihnachtsgeschichte ist den Kemmernern wichtig, so dass sie die Figuren so sichern, dass die Kinder sie anfassen und streicheln, aber nicht kaputt machen können. Eine Plexiglasscheibe, die der Krippe einen Schaukastencharakter verleihen und bei Schneefall auch die Sicht auf das Innenleben behindern würde, kommt nicht in Frage. Gegen Vandalismus wird videoüberwacht und nachts abgeschlossen. Auch das ist eine ehrenamtliche Arbeit, die sechs Wochen lang täglich gemacht werden muss. „Da ist man sechs Wochen ziemlich angebunden, aber man macht es ja gern“, wie Georg Diller fröhlich nachschiebt.
Kinder finden die Krippe absolut spannend.
Nach getaner Arbeit wird die Krippe vorerst zugesperrt. Fehlt nur noch die Elektrik, damit bei der Krippeneröffnung am 1. Dezember auch alles im vorweihnachtlichen Licht erstrahlt.
Lena Thiem
Alle weihnachtlichen Termine, ob in Kemmern oder den anderen Gemeinden der Region, können Sie in unseren Veranstaltungstipps zu Advent und Weihnachten nachlesen…
Wie die Krippe in Kemmern so langsam entsteht, sehen Sie in der Bildergalerie (zum Öffnen der Galerie einfach auf ein beliebiges Foto klicken, zum Beenden der Anzeige genügt ein Klick auf das geöffnete Bild) …