MIT HÖRPROBE UND BILDERGALERIE!
Die Frage stelle ich mir öfter, wenn ich an meinem Schreibtisch sitze. Durch das geöffnete Fenster dringt aus dem Garten ein regelrechter Sängerwettstreit. Von Mai bis Juni, besonders in den frühen Morgenstunden, locken, balzen, rufen und singen die Vögel. Klar, manche erkennt man ganz schnell, hört man aus dem imposanten Konzert deutlich heraus. Doch wie unterscheiden sich denn nun Amsel, Drossel, Fink und Star rein lautlich voneinander? Welche Vögel tummeln sich überhaupt in meinem Garten? Mein Interesse ist geweckt und es trifft sich gut, dass der Obst- und Gartenbauverein Rattelsdorf am 4. Mai einen Experten vom LBV, Horst Wittner, zu einer Vogelstimmenexkursion eingeladen hatte.
Kurz vor sieben herrscht in den Hecken und Bäumen um den Friedhofs-Parkplatz herum schon helle Aufregung. Ein herrliches Begrüßungsständchen, aber einzelne Stimmen oder Rufe kann ich beim besten Willen voneinander trennen oder gar benennen.
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„Überwindung kostet es schon, aber sobald man unterwegs ist, weiß man, dass es sich gelohnt hat, so früh aufzustehen“, darin sind sich alle 15 Vogelstimmenwanderer einig. „Bewaffnet“ mit Fernglas, Vogelbuch und einem offenen Ohr, geht es erstmal Richtung Amselweg, um etwas aus Rattelsdorf raus und näher an die Natur zu kommen. Immer wieder bleibt Horst Wittner stehen, zeigt in diese oder jene Richtung, macht aufmerksam auf die Vögel, die er gehört oder gesehen hat. Die Köpfe neigen sich etwas, die Gruppe lauscht andächtig. Manches klingt nicht nach Vogel. Die Mönchsgrasmücke verständigt sich mit Kontaktrufen, die klingen, wie wenn Kieselsteine gegeneinander schlagen. Die Männchen haben eine schwarze, Jungvögel und Weibchen eine rotbräunliche Kappe. Das erklärt uns Horst Wittner, entdecken konnte ich keine. Ein paar Meter weiter ein eindeutiges Gurren. Das ist leicht, Tauben! Doch Wittner kann das mit fachmännischem Gehör und gezieltem Blick spezifizieren, das sind Türkentauben, charakteristisch ist der dünne schwarze Nackenring in dem hellen Gefieder.
Kurz vor der Kapelle bleiben wir nochmals kurz stehen. Lauschen. Eine Nachtigall dominiert mit schlagendem, klagendem Gesang. Im Itzgrund hört man sie oft, hier ist sie gut etabliert. Im Hintergrund rufen Kuckuck und Zilpzalp ihre Namen. Auch der Fitis lässt sich nicht lumpen, setzt in hohen Tönen an und schraubt sich runter. Ganz im Hintergrund und nur kurz lässt sich ein Wendehals vernehmen. „Das gibt es nicht nur in der Politik“, scherzt Wittner. Den Wendehals hört man eher selten, da auch für ihn der natürliche Lebensraum wie Kiefern- oderauch lichte Laubwälder und Streuobstwiesen rar wird. Mit seinem rindenfarbigen, braungrau-gescheckten Gefieder ist er sehr gut getarnt „und das weiß er auch, deswegen kommt man oft nah an ihn ran“.
Hören, Sehen, Staunen
Überall auf dem Weg hören und sehen wir Vögel. Ich rate im Stillen vor mich hin, aber viele der anderen Teilnehmer beschäftigen sich schon länger mit Vogelstimmen und ihrer Bestimmung. Auf die Frage, was ich gerade gehört oder gesehen habe, kommen die Antworten sehr sicher und differenziert. Mir bislang wenig geläufige oder gänzlich unbekannte Namen schwirren mir um die Ohren: Baumpieper, Himmelsziegen, Mehlschwalben, Hempflinge und am Wasser findet man mit etwas Glück Haubentaucher. Manches hört Wittner, manches spielt er uns vor. Die Bekassine, der Vogel des Jahres 2013, begegnet uns leider nicht. Dafür sehen wir auf ihrer hohen Gesangswarte die Heckenbraunelle, gefärbt wie ein Spatz, aber zierlicher. Was da wie ein Wagenrad quietscht, kommt von ihr. Auf dem Dach rechts, das müsste ein Rotschwanz sein und gegenüber auf der Antenne Rauchschwalben. Diese sind ganz eindeutig am zweigeteilten, spitzen Gabelschwanz zu erkennen.
Auch für Schwalben verschwindet mit Ställen und großen Scheunen zunehmend der Lebensraum.
Unterhalb der Kirche treffen wir wieder Mönchsgrasmücken, die mit dem Nestbau beschäftigt sind, und auch wieder auf Dohlen, auch sie sind in unseren Gefilden alt eingesessen. Am liebsten nisten sie in Schornsteinen und alten Kirchtürmen, die alternativen Brutkästen nehmen sie nur, wenn sie nichts anderes finden.
Am Ufer der Itz, unterhalb der Rattelsdorfer Kirche, sind eigens für die Dohlen Nistkästen angebracht.
Er schweigt zwar still, aber spätestens beim Abflug zeigt sich der Kuckuck in seiner ganzen Pracht.
Dass manche Vögel hier leben, sieht der Vogelkundler an ihren Hinterlassenschaften. So macht Wittner uns zum Beispiel auf Löcher an Bäumen aufmerksam, die von Specht und Kleiber stammen. Ein besonders engagiertes Exemplar der Gattung Specht empfängt die Gruppe auf dem Sportplatz mit einem lauten, scheppernden und sehr durchdringenden Trommeln. Viel Erfolg bei der Futtersuche wird er am Lichtmast allerdings nicht haben.
Ich kann ja mal probieren, ob’s im Lichtmast auch Futter für mich gibt. – Es klingt auf jeden Fall interessant.
Ausgeflogen: Die türkisfarbige Schale des Amseleies entdecken wir ebenfalls auf dem Sportplatz.
Gegen Ende der Führung sitzt eine Goldammer seelenruhig auf einem Ast am Wegesrand. Als Wittner ihr den Ruf eines Artgenossen vorspielt, „Wie wie wie wie hab ich dich lieb“, plustert sie sich noch etwas mehr auf, lässt sich aber weiterhin betrachten. Andere Ammern schmettern sogar Beethovens 5, wie Wittner ausführt. Auf dem Rückweg hält er die Gruppe unverhofft an und macht uns auf ein Surren aufmerksam. Diesmal ist es kein Radfahrer, sondern ein Schwirl. Als er unsere volle Aufmerksamkeit hat, verstummt er leider ganz schnell wieder.
Tipps für Einsteiger
Als Neuling hatte ich während der zweistündigen Führung viel damit zu tun, mich auf das Hören zu konzentrieren und einzelne Rufe und die Richtung aus der sie kommen aus dem vielstimmigen Gesang herauszuhören. „Es lohnt sich immer, bei einem Spaziergang oder im Garten einfach immer wieder stehen zu bleiben, zu lauschen und sich umzusehen“, ermunterte mich Horst Wittner. Ein Vogelstimmenlexikon und ein Fernglas sind hilfreich bei der Beobachtung und Bestimmung. Auf der Seite des Landesverbandes für Vogelschutz (LBV) oder dem Naturschutz Bund (NABU) gibt es vielfältige Informationen und auch Hörbeispiele zum Gesang vieler heimischer Vögel.
Nehmen Sie sich in den nächsten Tagen einfach etwas Zeit – für sich, mit Ihrer Familie – und lauschen Sie in Ihren Garten. Sie werden erstaunt sein, was sich alles in Ihrem Garten tummelt. Einen guten Einstieg in die Welt der Vogelstimmen bietet auch die LBV-Aktion: Stunde der Gartenvögel, die vom 9. bis 13. Mai zum Mitmachen aufruft. Für unterwegs gibt es vom NABU bereits eine App, mit der beim Spaziergang schnell die gesehenen und gehörten Vögel identifiziert werden können. Oder Sie nutzen direkt eines der vielzähligen Angebote zu geführten Vogelstimmenwanderungen vor Ort. In vielen Gemeinden werden sie, besonders in dieser Jahreszeit, angeboten.
Mich weckte heute morgen ein lautstarkes „zizi-bääh, zizi-bääh, zizi-bäääh!“ – Eine Aufforderung, meinen Artikel zu schreiben und auf jeden Fall gleich nachzuschauen, was das nun wieder für ein Vogel ist. – Ach ja, die gute alte Kohlmeise …
Lena Thiem
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