Zuhören, ausgleichen und wenn nötig auch umdenken: Jochen Gottwald tritt für die Wählergruppe „Zukunft für Kemmern“ (ZfK) als Bürgermeisterkandidat an und möchte einiges verändern – damit Kemmern auch in einigen Jahren noch eine attraktive Gemeinde ist. Im Interview mit Nachrichten am Ort geht er auf die wichtigsten Projekte ein.
Seit 18 Jahren ist Rüdiger Gerst von der CSU Bürgermeister der Gemeinde Kemmern. Wenn Sie ein wenig zurückschauen: War es eine erfolgreiche Zeit für Kemmern?
Ich sehe die Bilanz gemischt. Einer soliden Verwaltungsarbeit und der guten Kommunikation mit überkommunalen Stellen stehen viele nicht angepackte Projekte wie das Baugebiet Bettelweg, lange nicht geschlossene Baulücken im Ort, die Überalterung der Bevölkerung oder das langsame Wegsterben der lokalen Nahversorgung gegenüber.
Was hat Sie bewogen, sich am 15. März zur Wahl zu stellen?
Ich habe in den letzten Jahren die Eigeninitiative und Innovationsfreude der Gemeindeverwaltung vermisst. Hier will ich aktiv werden. Die Gemeinde braucht dringend frischen Wind und einen Politikstil, der die Bürger von Anfang an in die Entscheidungsfindung mit einbezieht. Ich will den Blick nach vorne richten und Kemmern gemeinsam mit allen Bürgern, Parteien und Vereinen fit für die Zukunft machen. Ich will sowohl Ideengeber sein, als auch die Kreativität und das Potenzial der Bürger nutzen.
Haben Sie schon Erfahrung auf kommunalpolitischer Ebene oder in einem anderen Gremium?
Ich bin studierter Politikwissenschaftler und habe bereits während des Studiums im Büro eines Bundestagsabgeordneten gearbeitet. In meiner täglichen Arbeit als Unternehmer habe ich viel mit Gemeindeverwaltungen zu tun und an mehreren runden Tischen zum Thema nachhaltige Beschaffung und fairer Handel mitgewirkt. Seit sechs Jahren engagiere ich mich in der Wählergruppe „Zukunft für Kemmern“. Weitergehende kommunalpolitische Erfahrung habe ich nicht. Das sehe ich als einen großen Vorteil an, denn der Blick von außen kann mir gerade in den ersten Jahren helfen, verkrustete Strukturen aufzuweichen und neue Horizonte zu öffnen.
Was sind die Herausforderungen in nächster Zeit für Kemmern?
Kemmern muss in den nächsten Jahren die Überalterung der Bevölkerung stoppen, bezahlbaren und attraktiven Wohnraum für junge Familien schaffen und allen Bürgern eine attraktives und möglichst autarkes Lebensumfeld an Nahversorgung, Handwerk, Bildung, Betreuung und Kultur bieten.
Wo liegen Ihrer Meinung nach die Stärken und Schwächen der Gemeinde?
Kemmern ist eine wunderschöne Gemeinde mit außergewöhnlicher Lage und herrlicher Natur. Die besten Voraussetzungen also, um eine hohe Lebensqualität zu bieten. Hinter dieser Stärke verbirgt sich aber auch die Schwäche, denn Kemmern ist durch seine Lage natürlich im Wachstum begrenzt. Gleichzeitig ist die Versuchung groß, die Infrastruktur der umliegenden Gemeinden zu nutzen und dabei die eigene zu vernachlässigen. Umso wichtiger ist es, das soziale und wirtschaftliche Ortsinnenleben zu stärken, wenn der Ort zukünftig bestehen will.
Jochen Gottwald
Was wären, sollten Sie die Wahl gewinnen, Ihre „Herzensprojekte“ der Zukunft?
Ich will dafür sorgen, dass wir in Kemmern wieder einen zentral gelegenen Laden bekommen, wo die Bürger für den täglichen Bedarf einkaufen und auf einen Kaffee und ein gutes Gespräch verweilen können. Ein solcher Laden kann auch für eine Wiederansiedlung weiterer Nahversorgungsangebote sorgen und so den Ort nachhaltig beleben.
Ich will das Baugebiet Bettelweg zeitnah erschließen und dabei ein besonderes Augenmerk auf Bezahlbarkeit der Bauplätze, Lärmschutz, Kinderfreundlichkeit und ein funktionales Energie- und Wärmekonzept legen. Gerade weil der Bettelweg nun schon ungewöhnlich lange ausgewiesen ist, darf jetzt nicht übereilt vorgegangen werden, sondern es müssen auch die Schließung der bestehenden Baulücken und die Gesamtentwicklung des Ortes im Blick behalten werden.
Kemmern soll jungen Familien ein hohes Maß an Lebensqualität bieten können. Dazu gehört auch eine gut funktionierende Jugendarbeit, die den Jugendlichen Aktivitäten, Gemeinschaft und Halt bietet. Die Jugendlichen brauchen Räume und professionelle Ansprechpartner. Als Bürgermeister möchte ich deshalb den Jugendtreff wiederbeleben und den Jugendlichen einen Sozialpädagogen zur Seite stellen.
Vor dem Hintergrund des Klimawandels sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Kemmern eine wesentlich verbesserte Busanbindung bekommt. Zusätzlich will ich mit kleinen aber effizienten Maßnahmen, wie der Befestigung des Radwegs nach Breitengüßbach oder der Aufstellung von Mitfahrerbänken für weitere, PKW-unabhängige, Mobilität sorgen.
In Kemmern hat sich einiges getan. Ein neues Feuerwehrhaus wurde eingeweiht, die Ortskernsanierung kommt voran, Kemmern konnte auch sein 1000-Jähriges feiern. Nun wird ein Mehrgenerationenzentrum mit Kindertagesstätte und Seniorenwohnen gebaut. Ist Kemmern auf dem richtigen Weg?
Anmerkung der Redaktion: Zu dieser Frage nahm Jochen Gottwald keine Stellung.
Der Standort des Mehrgenerationenzentrums und auch das Projekt an sich wurden in Kemmern heiß diskutiert. Wurden Ihrer Meinung nach Fehler gemacht?
Meiner Meinung nach war der größte Fehler, die Bürger nicht rechtzeitig mit einzubeziehen. Es wurde nicht gefragt, was die Bürger möchten und wie sie sich das Projekt vorstellen.
Es wäre besser gewesen, über eine frühzeitige Bürgerbeteiligung die im Ort vorhandene Expertise zu nutzen und ein breites Stimmungsbild aus der Bevölkerung abzufragen, um Alternativen zum jetzigen Mischkonzept aus Tagespflege und privaten Eigentumswohnungen auszuloten. Viele Bürger sehen in den Eigentumswohnungen, für die ein von der Tagespflege unabhängiger Pflegevertrag abgeschlossen werden muss, keinen Mehrwert gegenüber der mobilen Pflege zu Hause und hätten sich eine richtiges Seniorenheim oder zumindest eine erweiterte Tagespflege gewünscht, um ihre Eltern in Kemmern behalten zu können.
Außerdem verstehen viele Eltern nicht, warum ein Teil des Schulgeländes für den Bau eines zweiten Kindergartens weichen musste, während der alte seit Jahren auf eine Sanierung und Erweiterung wartet.
Weitere Projekte sind die Verbesserung des Hochwasserschutzes und die Aufgabe der eigenen Kläranlage – das Abwasser wird künftig nach Bamberg fließen. Kann Kemmern so viel stemmen, ohne sich finanziell und personell zu übernehmen?
Bei beiden Themen handelt es sich um Pflichtaufgaben der Gemeinde, darum stellt sich die Frage so nicht. Der verbesserte Hochwasserschutz ist eine für Kemmern unverzichtbare Investition, denn der Ort wäre durch ein hundertjähriges Hochwasser massiv gefährdet. Auch der Weiterbetrieb der eigenen Kläranlage würde ähnliche Kosten verursachen wie die Ableitung nach Bamberg.
Diskutiert wurde immer wieder über Neubaugebiete und neue Gewerbeflächen. Was muss hier in den kommenden sechs Jahren passieren, damit sich Kemmern für die Zukunft gut aufstellen kann?
Anmerkung der Redaktion: Zu dieser Frage nahm Jochen Gottwald keine Stellung.
Neben Ihnen stellen sich noch weitere Kandidaten zur Wahl. Ganz konkret: Warum sollten die Bürger Ihnen ihre Stimme geben?
Als Vater von drei Töchtern und erfolgreicher Unternehmer stehe ich nicht nur mitten im Leben, sondern habe gelernt, Interessen zu vermitteln und trotz Kompromissen das Ziel nie aus den Augen zu verlieren. Neben einem langen Atem habe ich auch die Fähigkeit, zuzuhören, auszugleichen und wenn nötig auch umzudenken. Ich bin kein Typ, der mit dem Kopf durch die Wand will, angefangene Projekte aber zügig und entschieden umsetzt.
Politisch stehe ich eher mittig und sehe mich, auch weil ich eben keiner Partei angehöre, am besten geeignet, im voraussichtlich sehr bunt gemischten Gemeinderat die respektvolle und freundliche Arbeitsatmosphäre herzustellen, die es braucht, um diesem neuen Politikstil Leben einzuhauchen und der Gemeinde frische Impulse zu geben.
Eine persönliche Frage noch zum Schluss: Was gefällt Ihnen an Kemmern besonders? Haben Sie einen Lieblingsplatz?
An Kemmern gefällt mir am besten, dass unsere Kinder in einer fürsorglichen und vertrauten Nachbarschaft aufwachsen und sich aufgrund des fehlenden Durchgangsverkehrs relativ frei bewegen können. Schön finde ich auch, dass Vereinsleben und Ehrenamt hier für ganz viele Menschen wichtig sind und gelebt werden.
Einen wirklichen Lieblingsplatz habe ich keinen. Gerne bin ich mit den Kindern in der Flur oder am Kreuzberg unterwegs.
Jochen Gottwald ist 47 Jahre alt, in Niederbayern aufgewachsen und hat in München, Heidelberg und Singapur Politikwissenschaften studiert und mit dem Magister Artium (M.A.) abgeschlossen. Er lebt seit 2005 in Kemmern und hat mit seiner Partnerin drei Töchter. Seit 2007 führt er erfolgreich ein Textilunternehmen, das Taschen und Kleidung aus fair gehandelter Biobaumwolle herstellt und auf dem europäischen Markt vertreibt. Er ist Hobbymusiker und spielt in der Altherrenmannschaft des SC Kemmern. Seit 2014 ist er in der Wählergruppe „Zukunft für Kemmern“ aktiv.