Im Supermarkt ist das Leben an der Gemüsetheke noch in Ordnung. Die Kartoffeln sind von handtellerklein bis zweifaustgroß, aber definitiv rund oder oval. Okay, durch das Bamberger Hörnla sind auch längliche Kartoffeln bei uns als regionale Spezialität gefragt. Doch nicht nur äußerlich auch geschmacklich sind sich die angebotenen Sorten relativ ähnlich. Aber es geht auch anders: würzig, buttrig und sogar fruchtig oder einfach in Schwarz, Rot oder Blau – und das ist kein neumodischer Schnickschnack, sondern Kartoffelkultur, wie sie stellenweise auch bei uns zu finden ist.
Bunte Kartoffeln? Was in unseren Breitengraden eher exotisch anmutet, sind genau genommen die Vorfahren unserer heutigen Kartoffelsorten. Bekanntlich hat die Knolle erst nach Kolumbus den Weg auf unseren Kontinent gefunden, mit all der Vielfalt in Geschmack und Aussehen. Besonders in Kriegs- und Nachkriegszeiten diente sie der Ernährungssicherung, dafür wurden vor allem Sorten gezüchtet, die sehr viel Stärke enthalten, die Farben gingen mit der Zeit verloren. Die beliebteste Sorte bei deutschen Verbrauchern unter den an die 200 eingeführten Sorten ist zur Zeit Linda, doch auch sie kommt recht unscheinbar mit gelber Schale daher.
Im direkten Vergleich kommt die gelbschalige Kartoffel etwas unscheinbar und langweilig daher.
Ein kleines Sammelsurium der Extravaganz.
„Eine gute Kartoffel erkennt man nur beim Essen“
Einer, der besonderen Wert auf intensiven Geschmack und die Konsistenz seiner Kartoffeln legt, ist der Mürsbacher Kartoffelbauer Harald Albrecht. Neben den gängigen Sorten verwendet er mit besonderer Vorliebe auch alte und südamerikanische Sorten. Experimentierfreudig sucht er im Internet ihm noch unbekannte Sorten und baut sie in dem schweren festen Boden auf seinem Acker an. „Wenn die Kartoffel einmal im Boden ist, dann will sie eigentlich nur ihre Ruhe haben.“ Durch die Bodenbeschaffenheit nimmt die Knolle viele Mineralien auf, die sich dann auch auf den Geschmack auswirken. So kann die gleiche Kartoffelsorte in unterschiedlicher Erde gewachsen ganz unterschiedlich schmecken. Wenn übermäßig mit Kunstdünger gearbeitet wird, dann schmeckt die Kartoffel allerdings gar nicht mehr, wenn sie nicht schon während des Kochens im Inneren schwarz wird, verrät uns Harald Albrecht. „Besonders im Supermarkt liegen Kartoffel-Netze mit Fantasienamen, und man kann nicht sagen, wie die schmecken werden. Man kauft da immer die Katze im Sack.“ Dazu sind diese Kartoffeln bereits gewaschen. Das sieht zwar schöner aus, aber ist tödlich für die Kartoffel, da die natürliche Erd-Schutzschicht fehlt, somit faulen diese Kartoffeln auch schneller. Für die Lagerung empfiehlt es sich daher, die Erde dran zu lassen und die Kartoffeln in einer Papiertüte im Gemüsefach des Kühlschrankes oder eben im kühlen, feuchten Keller zu lagern.
Direkt vom Feld sind die Kartoffeln noch in eine schützende Erdschicht gepackt.
Mehr Vielfalt auf dem Tisch
„Es ist spannend, Sorten anzubauen, die sonst keiner hat, und auszuprobieren, wie die bei uns so werden und schmecken. Das sind Nischenprodukte, für die die Kunden sogar aus München zu mir kommen, weil sie die sonst nirgends bekommen.“ Doch auch in der Region kaufen die Menschen zunehmend wieder beim benachbarten Bauern oder auf dem Markt. Einerseits steigt das Bewusstsein der Verbraucher für traditionelle Gemüsesorten in der Region oder einfach für die Vorteile für eine regionale und saisonale Ernährung gerade bei jungen Familien.
Zum anderen regt die Flut an Kochsendungen die Nachfrage auch nach Sondersorten an, die es eben nicht im Supermarkt gibt. So schaffen es auch Sorten wie Shetland Black, Red King Edward oder Anya mit rosa Tannenzapfenform mit den entsprechenden Rezeptvorschlägen auf unsere Teller. Da bekanntlich das Auge mitisst, erregt spätestens ein dreifarbiger Kartoffelsalat das Interesse bei Kindern.
Außen blau-schwarz, innen blau-lila marmoriert; die französische Vitelotte wird auch Trüffelkartoffel genannt.
Die schottische Salad Blue Early und die englische Highland Burgundy Red.
Vielleicht ein kleiner Trick, mit dem auch Kinder wieder die Urform von Pommes und Chips kennen und lieben lernen. „Meine Kinder essen jetzt sogar Kartoffeln, aber nur Deine“, ein größeres Kompliment von einer Kundin gibt es wohl selten. Dagegen tun sich die alten Sorten in fränkischen Restaurants noch etwas schwer. Denn selbst geschält verleiht eine rotschalige Kartoffel wie Laura dem traditionellen Kartoffelsalat noch einen rötlichen Schimmer, der bei manchen Gästen nicht gut ankommt – „Was der Gast net kennt …“ – Hier wird es noch einiges an Überzeugungsleistung und Aufklärung brauchen.
Mutig sein
Für den Massenanbau sind solche Sondersorten nicht gut geeignet, da die maschinelle Ernte die empfindlichen Knollen schnell beschädigt und die Nachfrage für den konventionellen Handel zu gering ist, denn eines sind diese Kartoffeln nicht: einheitlich. Diese Nische besetzten also regionale Anbieter; auch Hobbygärtner erfreuen sich im Eigenanbau an den Schmankerln. Harald Albrecht hat für dieses Jahr einen halben Zentner Pflanzkartoffeln der ganz besonderen Art ergattert und gesteckt: Ob beziehungsweise wie gut die südamerikanische Urkartoffel Maya Gold auch im Mürsbacher Boden gedeiht, das wird sich erst nach der Ernte und der ersten Verkostung herausstellen.
Wer also mal etwas mutiger sein möchte, der kann sich am Mürsbacher Kartoffeltag (1. Sonntag im Oktober) vor Ort eindecken.
Regionale Anbieter für Kartoffeln finden Sie auch hier.
Die weiteren Teile unserer Bio-Serie:
- Auftakt: Bio oder regional: Wo ist wirklich Bio drin?
- Bio: Gut zu wissen, was alles nicht im Essen steckt