„Antrag mit Augenmaß“ im Fall Schneiderbanger

Etwas mehr als ein halbes Jahr ist vergangen, als Zapfendorf erschüttert wurde: Bürgermeister Matthias Schneiderbanger wurde verhaftet, der Vorwurf: Untreue. Sechs Monate Untersuchungshaft, Ermittlungen und die Verhandlung selbst am 21. Mai 2015 am Amtsgericht Hof haben gezeigt: Die Berichte aus dem Dezember 2014 haben sich größtenteils bestätigt.

„Der Angeklagte wird beschuldigt, in 28 Fällen die (…) Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm (…) obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hatte, Nachteil zugefügt zu haben, wobei er in allen Fällen seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbrauchte. Strafbar als schwere Untreue in 28 Fällen gemäß § 266 Absätze 1 und 2, 263 Absatz 3 Nr. 4, 53 StGB.“ Staatsanwalt Michael Hoffmann verlas im Sitzungssaal 024 des Amtsgerichts Hof um 9.15 Uhr die Anklageschrift. Im relativ kleinen Saal hatten rund 40 Zuhörer, inklusive zahlreichen Pressevertretern, gerade so Platz gefunden.

Schneiderbanger, der wenige Minuten zuvor in Fußfesseln in den Saal geführt wurde, wurde, da sich der Sitzungsbeginn um eine knappe halbe Stunde verzögerte, lange Zeit von Fotografen und Kameramännern belagert, und fühlte sich, wer wird es ihm verdenken, dabei alles andere als wohl. Mit gesenktem Kopf saß er neben seinem Verteidiger. „Dank der ersten Reihe (dort saßen die Pressevertreter, d. Red.) wird die nähere Umgebung für mich wohl beruflich und privat passé sein“, sagte Schneiderbanger später.

279.500 Euro von der Gemeinde, rund 160.000 Euro privat

Die Anklageschrift zeigte detailliert die einzelnen Buchungsvorgänge, mit denen Schneiderbanger es schaffte, insgesamt 279.500 Euro aus der Gemeindekasse zu entnehmen. Mit dabei waren zahlreiche Barauszahlungen und Überweisungen – letztere nennen als Ziel oftmals den Ortskulturring (OKR), wo Schneiderbanger Kassenverwalter und zudem alleinig zeichnungsberechtigt war. Hinter den Buchungen steckte System, „kriminelle Energie“, wie Staatsanwalt Hoffmann später ausführte.

Über seinen Vermögensberater war Schneiderbanger schon 2008 in Kontakt mit einem gewissen Hermann Josef O. gekommen, der in der Dominikanischen Republik lebt. Dieser, so die Anklageschrift, wollte dort eine Zigarrenfabrik aufbauen und suchte private Geldgeber. Schneiderbanger transferierte in der Folge fast 160.000 Euro an Privatvermögen an O. – vielleicht sogar mehr, bevor er sich ab 2013 unrechtmäßig aus der Gemeindekasse bediente. Er kam damit weiteren Geldforderungen nach, da ansonsten, nach Angaben von O., ein Totalverlust drohte. Als stellvertretendem Kassenverwalter und gleichzeitig Vorgesetztem des Kassenverwalters, einem unglücklichen Umstand, wie später der einzige Zeuge im Prozess, Zapfendorfs Kämmerer Klaus Helmreich erklärte, gelang es ihm so, sich 279.500 Euro anzueignen. Um nicht entdeckt zu werden, manipulierte Schneiderbanger gleichzeitig die Buchführung in der Gemeinde. „Dabei nutzte er weiter den Umstand aus, dass er im Kollegenkreis beliebt war und als äußerst integer galt“, so Staatsanwalt Hoffmann.

Schneiderbanger selbst bestätigte in der Folge den Inhalt der Anklageschrift. O. habe ihn immer wieder bei den Rückzahlungen vertröstet, zuletzt sei noch immer von einem Betrag von 300.000 Dollar die Rede gewesen. Ob Krankheit, neue Zollbestimmungen oder aufgrund eines Prozesses kein Zugriff auf das Firmenkonto – O. habe viele Argumente gefunden, warum es zu Problemen kam. Er selbst sei sogar vor Ort gewesen und habe sich die vermeintliche Zigarrenfabrik anschauen können – und keinen Verdacht geschöpft. Vielfach ist im Gerichtssaal von der Redegewandtheit des Herrn O. die Rede.

Schneiderbanger Verhandlung 2015 1 450
Matthias Schneiderbanger (rechts) mit seinem Verteidiger …

Schneiderbanger Verhandlung 2015 2 450
… und umringt von Kameras.

Ende November 2014 flogen die Buchungen auf

Und dann kam der 27. November 2014. Routinemäßig, beim Haushaltsabgleich, fielen im Zapfendorfer Rathaus Unregelmäßigkeiten auf, wie Zeuge Klaus Helmreich berichtete. Bei Verwahrgeldern, also reinen Kassengeldern, die nicht im Haushalt auftauchen. „Matthias Schneiderbanger war immer eine Vertrauensperson im Rathaus und auch im Gesellschaftsleben der Gemeinde“, so Helmreich, niemand habe sich dies vorher vorstellen können. Schneiderbanger selbst sei damals noch der Überzeugung gewesen, das Geld ließe sich zurückholen. Nach der Anzeige beim Landratsamt Bamberg auf Anraten von Altbürgermeister Josef Martin folgten die bekannten Schritte – bis hin zur Verhaftung am 2. Dezember 2014.

Helmreich schloss aus, dass es Mitwisser im Rathaus gegeben habe. Ein wichtiges Detail zeigte sich auch – eine Anordnungsänderung aus dem Jahr 2011, als der damalige Bürgermeister Josef Martin laut Helmreichs Aussage ein Formular unterschrieb, das für gewisse Vorgänge ein Zweiaugenprinzip einführte, statt des bisherigen Vieraugenprinzips. Absichtlich, so Helmreich, sei das aber nicht geschehen, es lasse sich auch nicht mehr nachvollziehen, wer das unübersichtliche Dokument, wo nur ein „E“ statt ein „A“ in einer Spalte die Definition „Einzeln“ auswies, zur Unterschrift vorgelegt habe.

Geständnis und Kooperation wurden Schneiderbanger hoch angerechnet

Aufgrund des Geständnisses und der Kooperationsbereitschaft von Schneiderbanger beantragte Staatsanwalt Hoffmann in seinem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen schwerer Untreue, ausgesetzt zur Bewährung (vier Jahre). Außerdem sollte Schneiderbanger ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt werden. 250 Stunden gemeinnützige Arbeit kamen obendrauf. Er sah eine positive Sozialprognose.

Verteidiger Till Wagler schloss sich dem Plädoyer an – einem „Antrag mit Augenmaß“, wie er sagte. Im Rahmen seines „letzten Wortes“ entschuldigte sich Schneiderbanger bei der Gemeinde und den Bürgern, „die an mich glaubten und mich unterstützten, mit mir eine gute Zukunft für Zapfendorf gehen wollten“. Er versprach, alles zu tun, um den Schaden für die Gemeinde wieder gut zu machen. Nach seinen letzten Worten wurde Schneiderbanger, auf Anordnung von Richterin Diana Fritzsche, die Fußfessel abgenommen.

Das Urteil des Schöffengerichts orientierte sich vollständig am Antrag der Staatsanwaltschaft, der Haftbefehl wurde somit aufgehoben, Schneiderbanger konnte das Gerichtsgebäude verlassen. „Sie haben das Verfahren durch ihr Geständnis wesentlich verkürzt“, so die Richterin. „Sie standen unter dem Einfluss eines professionellen Betrügers. Es wird lange dauern, bis Sie in einer neuen Beschäftigung wieder Vertrauen gewinnen.“ Fritzsche erwähnte auch die geringe Lebenserfahrung von Schneiderbanger. Sechs Monate Haft müssten allerdings genügt haben, um einen „Hafteindruck“ zu erlangen. Auf Rechtsmittel wurde von der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung verzichtet, somit ist das Urteil rechtskräftig.

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Schwierige Zukunftsaussichten

Schneiderbangers berufliche, private und auch finanzielle Zukunft ist auf den ersten Blick düster. Zwar überschrieb er der Gemeinde, wie im Verfahren deutlich wurde, ein Grundstück sowie einen Bausparvertrag, ein großer Teil der 279.500 Euro verbleiben damit aber als Restschuld, die auch verzinst wird. Mit dem Urteil kann Schneiderbanger nicht mehr in einer öffentlichen Verwaltung arbeiten – einen Beruf, auf den seine gesamte Ausbildung ausgerichtet war. Staatsanwalt Michael Hoffmann hatte schon in seinem Plädoyer auf eine notwendige Neuorientierung hingewiesen – Schneiderbanger könnte wohl nicht mehr in den Ortskern von Zapfendorf zurück.

Was bleibt? „Die Welt ist viel geschickter und böser, als man sich das in Zapfendorf vorstellen kann. Wenn man von außen draufschaut, denkt man immer: Wie konnte er nur …“, so Verteidiger Till Wagler. Auch er habe mit O. Kontakt gehabt: „Ich bin einem gerissenen Betrüger begegnet, der gehört schon zur Oberklasse.“

 

Tipp zum Weiterlesen: Unsere Artikelsammlung zum Fall Matthias Schneiderbanger listet alle Artikel aus den vergangenen Monaten auf.

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Ein Kommentar

  1. So ist das eben im Amigo-Land! Erwarten wir wirklich Gerechtigkeit? Niemand muss sich mehr wundern, wenn keiner mehr wählen geht. Es ist zum Kotzen!

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