MIT INTERVIEW UND GROSSER BILDERGALERIE!
Schlag auf Schlag finden momentan in Breitengüßbach die Termine statt. Nach den beiden spannenden Wahltagen (3. und 17. März) und dem Sieg von Sigrid Reinfelder bei der Stichwahl wird Bürgermeister Reiner Hoffmann, der nicht mehr kandidierte, bereits zum 2. April seinen Posten räumen. Im Rahmen eines Festabends wurde er nun verabschiedet. Wir haben einen Tag zuvor mit ihm über seine zwölfjährige Amtszeit gesprochen.
26. März 2013, Frankenstuben Breitengüßbach. Fast hundert Menschen sind versammelt – aus der Gemeindeverwaltung, dem Bauhof, dem Gemeinderat, der Kindertagesstätte, der Grund- und Mittelschule. Auch Pfarrer Valentin Tempel und das evangelische Pfarrersehepaar Schlechtweg sowie Kemmerns Bürgermeister Rüdiger Gerst haben sich eingefunden. Und, nicht zu vergessen, auch Mitglieder des Musikvereins sind da, um ihrem Förderer Reiner Hoffmann ein Abschiedsständchen zu spielen.
„Immer gute Lösungen gefunden.“
Paul Förner, Dritter Bürgermeister der Gemeinde, übernimmt die offizielle Verabschiedung. In Stichpunkten führt er noch einmal das Erreichte in den vergangenen zwölf Jahren auf. Hoffmann habe viel geleistet für die Entwicklung der Gemeinde – und immer konstruktiv mit dem Gemeinderat zusammengearbeitet. Auch Geschäftsstellenleiter Stefan Neubauer, der zwar betont, dass man nicht immer einer Meinung gewesen sei, sagte: „Wir haben dennoch immer gute Lösungen für die Gemeinde gefunden. Man hört immer, was sich nach einer Wahl ändern soll, aber nicht das, was gut gelaufen ist.“
Ein Geschenk gab es vom Dritten Bürgermeister Paul Förner (rechts) für Reiner Hoffmann.
Der Musikverein Breitengüßbach spielte zum Abschied auf.
Für die Fraktion des Unabhängigen Bürger Blocks (UBB) spricht Anja Nüßlein. Schon in jungen Jahren sei Hoffmann zur UBB gestoßen und habe sich auch immer sehr persönlich engagiert. Sie bat ihn, der Fraktion auch weiterhin beratend zur Seite zu stehen. Pfarrer Valentin Tempel meinte: „Wir haben uns in den vergangenen zwölf Jahren ein familiäres Miteinander angeeignet. Sie haben den Herrgott während ihrer Amtszeit nie vergessen.“ Hoffmann bedankte sich abschließend für die netten Worte, besonders bei seinen Mitarbeitern, Unterstützern und seiner Familie. Die neue Bürgermeisterin Sigrid Reinfelder, ebenfalls vom Unabhängigen Bürger Block, wird die Amtsgeschäfte von Hoffmann bereits am Dienstag, 2. April, übernehmen.
„Jeden Beruf kann man lernen, in das Bürgermeisteramt aber muss man hineinwachsen.“
Zum Abschluss sprachen wir mit Bürgermeister Reiner Hoffmann über seine zwölfjährige Amtszeit. Schwerpunkte waren das Erreichte, aber auch die Schwierigkeiten, die besonders im Zusammenhang mit der Bioenergie Breitengüßbach auftraten.
Nachrichten am Ort: Am Sonntag vor einer Woche haben Sie vor dem Rathaus das Ergebnis der Stichwahl verkündet. Danach standen Sie vor der Rathaustür, während die Anhänger von Sigrid Reinfelder ihr zu jubelten. Was dachten Sie in diesem Moment?
Reiner Hoffmann: Es war der Augenblick gekommen, wo offensichtlich wurde, dass die Amtszeit in Kürze zu Ende geht und damit auch die Verantwortung in andere Hände gelegt wird. Jemand Neues kommt, übernimmt die eigenen Aufgaben, man selbst hingegen zieht sich zurück. Das fällt natürlich nicht leicht, da man nun einmal zwölf Jahre immer in der ersten Reihe gestanden hat.
Wenn Sie zurückblicken: Was war das schönste Erlebnis in Ihrer zwölfjährigen Amtszeit?
Am schönsten war ganz klar die 1200-Jahrfeier. Dieses sehr gelungene Fest hat gezeigt, dass Breitengüßbach und auch die Ortsteile sehr gut zusammenarbeiten können. Die Vereine haben sich eingebracht, viele Helfer sich ehrenamtlich engagiert. Dass alles so positiv verlaufen würde, hatte ich vorher nicht gedacht. Ein schönes Ereignis war für mich aber auch der Kauf des Munadepots und die Umwandlung des Geländes in Wohngebiete und das gerade entstehende Umweltzentrum.
In Ihrer letzten Gemeinderatssitzung haben Sie das Bürgermeisteramt als „eines der vielseitigsten Ämter, die es gibt“, bezeichnet. Warum ist es aus Ihrer Sicht so vielseitig?
Zunächst einmal bringt es eine große Schwierigkeit mit sich: Man kann es nicht erlernen. Jeden Beruf kann man lernen, in das Bürgermeisteramt aber muss man hineinwachsen. Stündlich wechseln die Themen – gerade sitzen wir hier zum Interview zusammen, in einer halben Stunde kommt eine Delegation und schaut sich unsere Aussegnungshalle an und will Zahlen und Fakten dazu wissen. Das zeigt auch: Viele unterschiedliche Menschen gehen im Rathaus ein und aus. Wichtig war mir immer, Maß zu halten und jeden gleich zu behandeln, egal ob eine ältere Bürgerin, die mit einer Frage zu mir kam oder der Jungunternehmer, der über eine Gewerbeansiedlung nachdenkt.
Bei der Verabschiedung in den Frankenstuben durfte Hoffmann noch einmal „dirigieren“…
Sie haben auf wichtige Projekte während der letzten zwölf Jahre hingewiesen. Breitengüßbach ist gewachsen, bekam neue Wohn- und Gewerbegebiete. Ihre Nachfolgerin Sigrid Reinfelder bezeichnete Breitengüßbach als „abwechslungsreichste Gemeinde im Landkreis“. Was macht Breitengüßbach aus?
Man sieht es auch an der Wahl: Breitengüßbach ist nicht mehr die reine Wohngemeinde, sondern wir haben viele Neubürger, die verkehrsgünstig wohnen möchten und natürlich viele mittelgroße Firmen, die auch durch die Anbindung an die Autobahn profitieren. Alle Unternehmer, mit denen ich gesprochen habe, nennen dies als Vorteil. Entscheidend ist die Mischung: Neubürger, Altbürger, Gewerbe. Auch früher war es schon so, als viele Eisenbahner hierher zogen. Wir haben außerdem eine gute Nahversorgung – und die Bauplätze sind noch erschwinglich.
Was waren die größten Schwierigkeiten, sich damals im neuen Job einzufinden?
Die größte Herausforderung war für mich gleich zum Start vor zwölf Jahren das Baugebiet Gewerbepark, wo ich im ersten Jahr 160 Tauschgeschäfte durchführen musste und 90 Notartermine hatte. Aber ich habe auch schnell gemerkt, dass ein Bürgermeister zwischen den verschiedenen Informationsständen umschalten können muss – Verwaltung, Bauhof, Bürger, jeder hat einen anderen Informationstand. Man muss seine Worte daher immer darauf zuschneiden und jeden so informieren, wie es nötig ist.
Vieles ist in den vergangenen Jahren gut gelaufen, anderes auch weniger gut. In welchen Bereichen haben Sie oder die Gemeindeverwaltung Fehler gemacht – und was würden Sie heute anders machen?
Hier möchte ich zwei Dinge nennen. Als das Gewerbegebiet Kemmerer Weg entstehen sollte, dachte ich, wir ziehen das genauso durch wie beim Gewerbepark an der Autobahn. Allerdings lief hier alles genau andersherum. Eine Firma, die heute in Strullendorf ansässig ist, wollte sich ansiedeln, wir hatten allerdings noch keinen Bebauungsplan aufgestellt. Alles musste schnell gehen, und auch die Anwohner hatten Einwände. Am Ende lief es nicht so, wie geplant. Und: Die Gründung der Entwicklungsgesellschaft Breitengüßbach für das ehemalige Munagelände war eine gelungene Geschichte. Also dachte ich, wir machen das auch in Sachen Bioenergie so und setzen einen Geschäftsführer ein. Aus jetziger Sicht hätten wir mehr Fachleute hinzuziehen müssen. Vielleicht wäre heute, wo die Regionalwerke Beratungsleistungen übernehmen können, die Bioenergie ein voller Erfolg. Auch heute noch bereitet es immer wieder Schwierigkeiten – und ich bekomme mein Fett weg, die Geschäftsführerin hingegen bleibt außen vor. Wir hatten unterschätzt, dass die Bauherren, die Häuser im Neubaugebiet bauten, unabhängig von Energielieferungen sein wollten. So haben im Endeffekt nicht genügend Bauherren an die Bioenergie angeschlossen und die Rechnung ging nicht auf. Uns ist es einfach nicht gelungen, die Vorteile zu vermitteln.
Reiner Hoffmann gratuliert am 17. März 2013 seiner Nachfolgerin Sigrid Reinfelder.
Alois Ludwig hat sich als Zweiter Bürgermeister zurückgezogen, sein Fraktionskollege Ottmar Geuß will nicht mehr die Rechnungen der Gemeinde als Vorsitzender des Rechnungsausschusses prüfen. Macht es das für Ihre Nachfolgerin deutlich schwerer, wenn langjährig tätige Personen ihre Ämter abgeben?
Die Reaktion von Alois Ludwig ist verständlich, er bleibt aber ja im Gemeinderat. Der Rücktritt von Ottmar Geuß hingegen kam relativ spontan. Es wurden ja Rechnungsprüfungen durchgeführt, die Prüfung des Jahres 2009 hat aber einfach länger gedauert als üblich, eben wegen der Geschichte mit der Bioenergie. Dann kam die 1200-Jahrfeier und es fehlte auch an Zeit. Man muss immer bedenken, dass die Rechnungsprüfer ehrenamtlich arbeiten. Außerdem stellt der Kämmerer gerade die Rechnungsprüfung auf eine Computerunterstützung um, ab April sollen dann die Jahre 2010 und 2011 digital geprüft werden. Ich habe immer darauf hingewiesen, dass geprüft werden kann, bin aber für die Einberufung des Rechnungsprüfungsausschusses nicht verantwortlich. Das Gemeinderatsmitglied Bernhard Milsch, der von Geuß den Rücktritt gefordert hat, hat einfach überzogen. Es gibt Vorschriften, aber wir haben uns im Landratsamt erkundigt, dass Verschiebungen durchaus möglich sind.
Ab der kommenden Woche verabschieden Sie sich aus dem Rathaus. Was werden Sie künftig machen? Dinge, zu denen Sie lange keine Zeit hatten?
Erst einmal muss ich etwas Abstand gewinnen. Dann werde ich mich auf Ehrenämter konzentrieren, ich habe ja zum Beispiel den Musikverein und den Dorfkrippenverein mit gegründet. Außerdem kennen mich viele als Unterstützer unserer Breitengüßbacher Basketballer. Und: Ich möchte wieder mehr Akkordeon spielen und mit der Tuba noch ein neues Instrument lernen.
Johannes Michel
Fotos von der Verabschiedung von Reiner Hoffmann am 26. März 2013 finden Sie in unserer Bildergalerie(zum Öffnen der Galerie einfach auf ein beliebiges Foto klicken, zum Beenden der Anzeige genügt ein Klick auf das geöffnete Bild)…