„90 Jahre – 70 Jahre davon in Frieden und Freiheit. Das ist Anlass zu großer Freude und tiefer Dankbarkeit.“ Landrat Johann Kalb war beim Festakt „90 Jahre Landkreis Bamberg“ besonders angetan davon, dass mit der 103-jährigen Alexandra Draheim eine Tochter des ersten Bezirksoberamtsrates Paul Köttnitz den Festakt eindrucksvoll bereicherte.
Der Landkreischef würdigte Paul Köttnitz auch als Behördenchef, der gegen die Nationalsozialisten aufbegehrt und deshalb seines Amtes in Bamberg enthoben und nach Würzburg versetzt worden war. Die erfreuliche Entwicklung des Landkreises Bamberg machte Kalb auch an der Einwohnerentwicklung (von rund 57000 Anfang der 1930er Jahre auf fast 148000 aktuell), der Arbeitslosigkeit (26 Prozent bei Arbeitern, 17 Prozent bei Angestellten und 11 Prozent bei Hausangestellten Anfang der 1930er Jahre und weniger als 2 Prozent jetzt) fest.
Heute bescheinige das Institut für Demoskopie Allensbach dem Landkreis eine sehr hohe Lebensqualität. „Wir sind verwurzelt in unserer Heimat, dem Landkreis Bamberg. Wir sind als Franken fest verankert in der Metropolregion Nürnberg. Wir sehen Bayern als zuverlässigen Partner. Wir lieben unser deutsches Vaterland und sein Grundgesetz und sind überzeugte Europäer.“ All das drücke sich zum Beispiel in dem Leuchtturmprojekt „Zisterziensische Klosterlandschaften“ aus, das 18 Klöster in sechs europäischen Ländern verbinden werde.
Lebhafte Schilderung der Geburtsstunde
Obwohl sie 90 Jahre zurückliegt: Alexandra Draheim erinnerte sich sehr lebhaft an die Geburtsstunde des Landkreises – die Zusammenlegung der beiden Bezirksämter. Sie schilderte den Gästen in eine kleine Talkrunde, wie sie und ihre Familie Sonntag für Sonntag mit der Bahn die Region erkundete, erzählte vom Wiederstand ihres Vaters gegen die Nationalsozialisten und von den Werten, die ihr ihre Eltern vermitteln haben. Einen ausführlichen Beitrag darüber hatten wir in der vierten Ausgabe des Landkreismagazins im Dezember 2019.
Landrat Johann Kalb (rechts) überreicht an Alexandra Draheim (2. v. l.) einen Blumenstrauß.
Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz schlug den Bogen in die Neuzeit. Mit einer denkbar niedrigen Arbeitslosigkeit, einem enormen Beschäftigtenzuwachs, einer sehr guten Finanzkraft und einer Rückführung der Schulden sowie einem sehr ausgeprägten Ehrenamt sei der Landkreis bestens aufgestellt. „Hier wird nicht verwaltet! Hier wird aktiv gestaltet!“, so die Regierungspräsidentin. Im Blick auf die anstehende Kommunalwahl rief sie dazu auf, sich aktiv für die Gestaltung der Kommunen zu engagieren.
Wachsamkeit und Weitsicht
Kreisheimatpflegerin Annette Schäfer, M.A., ordnete die 90-jährige Geschichte historisch ein: „Dass der Landkreis Bamberg seinen 90. Geburtstag feiern kann, gründet in den umfangreichen Verwaltungsreformen des frühen 19. Jahrhunderts. Die Einteilung Bayerns in Kreise und Landgerichte war das Werk des königlich-bayerischen Ministers Maximilian von Montgelas. Was wir heute als Landkreis Bamberg kennen, waren die Landgerichte Bamberg I (rechts der Regnitz) und Bamberg II (links der Regnitz), die zunächst in Bezirksämter umgewandelt und ab 1929 zusammengelegt wurden. Damit schlägt am 1. Oktober 1929 die Geburtsstunde des Landkreises Bamberg.“
Erster Landrat (damals noch Bezirksoberamtmann), so Annette Schäfer, war Paul Köttnitz. Sein Dienstsitz war der Ebracher Hof am Kaulberg, bis er 1933 wegen seiner antifaschistischen Haltung von den Nationalsozialisten aus dem Amt entfernt wurde. Ihm folgten bis heute neun weitere Landräte und das Landratsamt veränderte seinen Standort zunächst an die Promenade und später an die Ludwigstraße. Herausragende Persönlichkeiten im Amt des Landrates waren unter anderem Dr. Thomas Dehler (1945-1946), Emil Kemmer (1964-1966) und Otto Neukum (1966-1996). In jeder Zeit hatte der Landkreis Bamberg die unterschiedlichsten Herausforderungen zu meistern.
Heute, so die Kreisheimatpflegerin, liege das Augenmerk auf wirtschaftlichen Fragen, dem Klimawandel oder dem Erstarken des Nationalismus. Für die Zukunft sei es wichtig, sich stets der individuellen Eigenheiten der Region bewusst zu sein und diese zu bewahren. Der Landkreis Bamberg sei Heimat für fast 150 000 Menschen, die sich hier wohlfühlen und die hohe Lebensqualität zu schätzen wissen. „Die Aufgabe der politisch Verantwortlichen ist es, wachsam in die Zukunft und mit Weitsicht in die Vergangenheit zu blicken.“
Das Tubaquartett „Tuba mirum“ mit Sophie-Marie Gunzelmann, Niklas Nüßlein, Michael Botlik und Johanna Krug umrahmten den Festakt musikalisch. Der Oberbürgermeister der Stadt Bamberg, Andreas Starke, gratulierte mit einer Geburtstagstorte.