Klimaberater Robert Martin tourt zurzeit durch die Stadt- und Gemeinderäte des Landkreises, Zapfendorf dürfte eine seiner letzten Stationen gewesen sein. Seine Aufgabe: Die Idee der Regionalwerke zu erklären, die der Landkreis im Rahmen der Energiewende gründen möchte. In der Zapfendorfer Marktgemeinderatssitzung vom 10. Mai 2012 kamen dazu viele Fragen auf – und Martins Antworten überzeugten nicht alle Gremiumsmitglieder. Und dann kam es zu einem Abstimmungschaos.
Über Idee, Funktion und Sinn von Regionalwerken wurde in den vergangenen Monaten bereits ausführlich in den Medien berichtet, auch bei Nachrichten am Ort (siehe zum Beispiel im Artikel In der Fläche liegt die Energie noch brach – Strom aus der Region?). Nun stand das Thema ganz oben auf der Tagesordnung in Zapfendorf, und Robert Martin vom Landratsamt erläuterte in einem halbstündigen Vortrag die Beweggründe des Kreistages für die Prüfung der Regionalwerke-Gründung. Vor allem hob er die Bedeutung des ländlichen Raumes für die Energiewende hervor: „Energie wird nicht mehr allein in Großkraftwerken, sondern in der Fläche erzeugt. Landwirte werden damit zu Energiewirten.“
Dass sich die Regionalwerke noch in einem frühen Stadium befinden, zeigte er an den aktuellen Diskussionen über Finanzierung, Rechtsform, Zuständigkeit und Zeitfenster. Bei positiver Resonanz der Landkreisgemeinden, die mit wenigen Ausnahmen wie Memmelsdorf und Hallstadt ihren Beitritt zu den Regionalwerken erklärt haben, könnte das Projekt bereits im Herbst dieses Jahres starten. Neben der Beratung von Kommunen, die zur Energiewende beitragen möchten, sollen die Regionalwerke auch selbst als Energieerzeuger aktiv werden können und Windkraft- und Photovoltaikanlagen bauen.
Regionalwerke ein Schritt in Richtung Planwirtschaft?
Letzteres stieß im Zapfendorfer Marktgemeinderat auf Kritik. Gemeinderat Thomas Porzner (CSU) fragte konkret nach: „Wofür brauchen wir Regionalwerke? Die Produktivität ist bekanntermaßen im öffentlichen Dienst nicht so hoch wie in der Privatwirtschaft – und es gibt genügend private Investoren, die zum Beispiel Windkraft- oder Solaranlagen bauen wollen. Warum soll sich die öffentliche Hand in Dinge einmischen, die sie nichts angehen. Ich sehe in den Regionalwerken einen Schritt in Richtung Planwirtschaft.“ Ähnlich äußerte sich Dr. Christopher Rosenbusch (CSU): „Die Gemeindeordnung legt fest, dass eine Gemeinde nur dann als Unternehmer tätig werden kann, wenn sie Aufgaben wesentlich besser erledigen kann als private Unternehmen. In Fall der Regionalwerke wird sie zur Konkurrenz für den Privatsektor, wir beteiligen uns somit an der Planwirtschaft.“
Robert Martin entgegnete, dass der Antrieb zur Gründung von Regionalwerken stark an der Beteiligung der Bürger orientiert sei. „Alle sollen von der Energiewende profitieren können. Daher sollen die Regionalwerke auch keine Millionengewinne einfahren. Zudem sparen sie den Gemeinden Geld, da diese keine Energieexperten vorhalten müssen, sondern auf die Kompetenz der Regionalwerke zurückgreifen können.“ Außerdem seien Regionalwerke keine Konkurrenz für private Anbieter, da sie die gleiche Einspeisevergütung aus dem „Erneuerbare Energien Gesetz“ erhielten wie Energieunternehmen auch.
Planwirtschaftliche Züge könnte Marktgemeinderätin Dagmar Raab (SPD) nicht erkennen. „Ich finde es merkwürdig, dass das ein System der Planwirtschaft sein soll. Momentan wird der Markt durch einige wenige Unternehmen beherrscht. Regionalwerke machen uns unabhängig von den Energieriesen.“ Sie war der Meinung, dass man das Konzept noch weiter denken solle, um Kooperationen mit Forschungseinrichtungen aufzubauen und sich für EU-Förderungen zu qualifizieren.
Entscheidend: Speichertechnologien für erneuerbare Energien
Auch die Diskussion über den großflächigen Ausbau der erneuerbaren Energien kam auf. Baptist Schütz (CSU) fragte nach der Energieautarkie für den Landkreis Bamberg. Martin: „Die Potenzialanalyse kam zu dem Ergebnis, dass Stadt und Landkreis bis 2035 bei Strom und Wärme die Energieautarkie erreichen können. Der Fokus sollte nicht auf dem Strom allein, sondern auch auf dem Wärmebereich liegen, die Stromautarkie werden wir schon in absehbarer Zeit erlangen, unter anderem durch den Ausbau der Windkraft. Die Regionalwerke sind aber langfristig gedacht und setzen auch auf baldmöglichst aufkommende Speicherlösungen, zum Beispiel durch Methanisierung. Somit werden die erneuerbaren Energien grundlastfähig.“ Gemeinderat Harald Hümmer (Wählergemeinschaft Oberleiterbach, WOB) stimmte dem aufgrund seiner beruflichen Erfahrung nicht zu: „Speicherlösungen sind momentan noch nicht in Sicht.“
Bürgermeister Josef Martin wies vor der Abstimmung darauf hin, dass es heute nicht um eine endgültige Entscheidung gehe, sondern erst einmal um eine positive Absichtserklärung. Daraufhin stimmte der Gemeinderat zunächst darüber ab, ob noch Bedenkzeit bis zur nächsten Sitzung gewährt werden solle oder ob heute eine Entscheidung gewünscht sei. Dem stimmten zwölf der 19 anwesenden Marktgemeinderäte zu. Danach folgte die Abstimmung über die Regionalwerke selbst, die das Gremium mit neun zu zehn Stimmen ablehnte.
„Ich finde das persönlich eine eigenartige Entscheidung“, sagte Bürgermeister Martin. Ein Gemeinderat äußerte, er habe die erste Abstimmung für die „eigentliche Abstimmung“ gehalten und bei der zweiten nicht wirklich „aufgepasst“. Da zwei Abstimmungen zum gleichen Thema in einer Sitzung nicht zulässig sind, ist es gut möglich, dass das Thema Regionalwerke in einer der nächsten Sitzungen erneut zur Abstimmung gestellt wird.
Regionalplan Oberfranken West: Neue Windräder im Gemeindegebiet?
Bürgermeister Josef Martin informierte die Gemeinderäte über die Änderung des Regionalplans Oberfranken West. Im Gemeindegebiet liegen zwei Vorrangflächen für Windkraftanlagen. Neben dem Gebiet bei Sassendorf, wo bereits ein Windrad steht, ist auch eine Fläche zwischen Oberleiterbach, Reuthlos, Kirchschletten und Oberoberndorf dabei. Gemeinderat Stefan Fischer (SPD) äußerte Bedenken, da die Vorranggebiete lediglich Mindestabstände zu Wohngebieten vorsehen, allerdings keine topographischen Gegebenheiten berücksichtigen, die etwa Auswirkungen auf den Schattenfall mit sich bringen. Harald Hümmer (WOB) beklagte, dass zu Oberleiterbach der Mindestabstand zu Wohngebieten von 1.000 Metern nicht eingehalten werde. Laut Karte ist die Vorrangfläche von Oberleiterbach nur 720 Meter, von Reuthlos 730 Meter und von Kirchschletten knapp 800 Meter entfernt.
Zwei Vorranggebiete (schraffierte Flächen) befinden sich im Zapfendorfer Gemeindegebiet. Aufgrund der Mindestabstände wurde das Gebiet bei Sassendorf etwas nach Westen verschoben (zum Vergrößern anklicken).
Johannes Michel. Titelfoto: Johannes Michel (Windrad bei Sassendorf). Grafiken: Energieatlas Bayern