Das Schul- und Bildungssystem ist in Deutschland zu einem thematischen Dauerbrenner geworden. Rückläufige Kinderzahlen, Reformen, die (drohende) Schließung von Schulen, wie jüngst in Rattelsdorf, beschäftigen Politik und Gesellschaft. Aber wie sieht die Situation eigentlich in Bayern aus und vor allem wie genau verhält es sich in der Region? Wie steht es um die Grund- und Mittelschulen in Baunach, Breitengüßbach, Hallstadt, Kemmern, Rattelsdorf und Zapfendorf?
Ein häufig angesprochenes Problem sind die sinkenden Zahlen von Haupt- und Mittelschulen in Bayern. Häufig werden Schulen zusammengelegt oder geschlossen, wenn zu wenige Schüler nachkommen. So gab es von den bayernweit 1.533 Hauptschulen aus dem Jahr 2004/05 nur noch 1.033 zum Schuljahr 2012/13.
Ihre Anzahl ging also deutlich zurück. Das lässt sich nur zum Teil auf generell sinkende Kinderzahlen zurückführen. Denn daneben erschweren auch die vielen Übergänge auf Realschulen und vor allem Gymnasien den Haupt- und Mittelschulen das (Über-)Leben. 2004/05 gab es in Bayern 342 Realschulen, 2012/13 ist ihre Zahl auf 368 gestiegen. 405 Gymnasien waren es 2004/05, im Schuljahr 2012/13 dagegen 418.
Diese Entwicklungen zeigen sich auch deutlich an den Schülerzahlen und Übertritten von der Grundschule auf die jeweiligen Schularten. 407.053 Grundschüler besuchten 2012/13 die Grundschule und von den Viertklässlern wechselten 29,9 Prozent auf die Mittel- bzw. Hauptschule, 27,1 Prozent auf die Realschulen und 37,6 % Prozent auf Gymnasien. Zum Vergleich: 2004/05 gingen ganze 41,2 Prozent der Viertklässler auf Haupt- und Mittelschule, während auf die Realschule nur 20,3 Prozent und auf das Gymnasium 33,5 Prozent der Schüler entfielen. Damit hat sich die Zahl von Kindern, die von der Grund- auf die Hauptschule wechselten, um fast 15 Prozentpunkte verringert. Insgesamt besuchten im Jahr 2012/13 208.195 Schüler die Hauptschule (2004/05: 294.265), 242.395 die Realschule (2004/05: 219.674) und 351.827 (2004/05: 349.203) das Gymnasium.
Schulabschlüsse machen die Situation deutlich
Interessant sind die Schulabschlüsse über die Jahrzehnte hinweg. Während 1975 circa 86.000 Schüler ihren Haupt- beziehungsweise Mittelschulabschluss machten, waren es im Jahr 2000 nur 52.000 und im Jahr 2012 nur noch rund 38.000. Die Anzahl der Abschlüsse hat sich also bis 2012 mehr als halbiert.
Die Schulabschlüsse zeigen über die Jahre hinweg große Veränderungen.
Den mittleren Schulabschluss machten dagegen um die 49.000 Schüler im Jahr 1975, 2000 waren es rund 59.000 und 2012 73.000. Einen noch deutlicheren Sprung nach oben ist beim Abitur ersichtlich: 1975 erhielten 16.000 die Allgemeine Hochschulreife, im Jahr 2000 waren es dann schon rund 26.000. Bis 2012 ist die Zahl auf ungefähr 40.000 angestiegen. Damit haben sich die Abschlüsse mit Abitur über nicht ganz 40 Jahre mehr als verdoppelt. Das zeigt, dass der große Rückgang von Schülerzahlen an Hauptschulen und der Zulauf zu Realschulen und Gymnasien, keine Neuerscheinung ist. Diese Tendenz etabliert sich schon über die letzten Jahrzehnte.
Wie sieht es mit den Schulen in der Region aus?
Die Hans-Schüller-Volksschule in Hallstadt kommt auf eine Gesamtzahl von 353 Schülern. Dabei besuchen dieses Schuljahr 254 Kinder die Grundschule und 99 Schülerinnen und Schüler die Mittelschule.
Die Grundschule in Kemmern ist eine kleine Schule und Direktorin Gisela Koschwitz betont: „Da muss man schon um jeden Schüler kämpfen“. Aber es sieht gut aus für die Grundschule: die Schülerzahlen steigen. 2012 waren es 63 Kinder, 2013 bereits 65 und in diesem Schuljahr freut sich die Schule über 72 Schüler. Und in der Vorschule befinden sich momentan auch wieder etwa 28 Kinder. Wie sieht es nach der Grundschule aus? Auf welche Schulen gehen die Kinder danach? Direktorin Koschwitz sieht keine richtige Tendenz, denn es ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich und es kommt auf den Jahrgang an. Das letzte Jahr war ziemlich ausgeglichen, die Schüler verteilten sich. Ungefähr zwei Drittel der Schüler gingen auf die Realschule und das Gymnasium. Dieses Jahr sind es im Vergleich weniger.
Rattelsdorf, Breitengüßbach, Zapfendorf und Baunach: vier Gemeinden, ein Verbund
Die Hauptschulen aus Rattelsdorf, Breitengüßbach, Zapfendorf und Baunach haben 2010 gemeinsam einen Verbund gegründet. Der „Mittelschulverbund Oberes Maintal“ entstand vor dem Hintergrund, dass einzelne Schulen häufig kaum überlebensfähig sind. Mittelschulen müssen verschiedene Bedingungen erfüllen: es muss ein M-Zug angeboten werden, so dass Schüler den Mittleren Bildungsabschluss erreichen können. Zudem muss es ein Ganztagesangebot geben und Schüler müssen die Möglichkeit haben, sich in einem der drei Bereiche Soziales, Wirtschaft oder Technik zu spezialisieren. Eine einzelne Schule kann dies kaum leisten, daher schlossen sich die vier Schulen zusammen, um diese Bedingungen zu erfüllen und ein möglichst breit gefächertes Angebot auf die Beine zu stellen.
In einem Zusammenschluss von Mittelschulen wird zudem aber viel über das Wie diskutiert. Es müssen die Interessen von vier Schulen unter einen Hut gebracht werden, aber ebenso die der Eltern, Schüler und vor allem auch die der vier Gemeinden. Die Gemeinden schaffen die Rahmenbedingungen für den Verbund und finanzieren zum Beispiel die Beförderung der Schüler. Daher müssen Koordination und Kooperation großgeschrieben werden. „Die Baustellen sind relativ komplex“, so Michael Wild, Schulleiter in Baunach und Leiter des Schulverbunds Oberes Maintal. Die Koordination sei schon eine Herausforderung, die Kommunikation untereinander aber gut. Dabei helfen gemeinsame Verbundsitzungen mit den Schulleitern, Elternbeiräten und Gemeinden.
Große Investitionen: Das Schulhaus in Zapfendorf wurde 2011 saniert.
Der Verbund will mit seinem Angebot überzeugen
Das aktuelle Schuljahr ist für den Verbund von den Schülerzahlen her ein schwächeres Jahr. Zum Vergleich: 2012/13 waren insgesamt 430 Schüler im Verbund, 2013/14 blieb die Zahl mit 436 Schülern stabil. Dieses Jahr kommt der Verbund insgesamt auf eine Zahl von 408 Mittelschülern. Davon besuchen 265 Schüler die Schule in Baunach, 92 sind in Zapfendorf, 51 in Breitengüßbach untergebracht und die Rattelsdorfer Schüler verteilen sich auf die anderen Schulen.
Für einen solchen Schulverbund ist enorm wichtig, was er seinen Schüler bieten kann. Es geht vor allem darum, das Interesse von Schülern und Eltern an der Mittelschule zu wecken. „Alle sind sehr bemüht, den Schülern ein attraktives und zukunftsfähiges Angebot zu bieten“, betont Wild. Dabei gibt es im Verbund einiges zu entdecken.
Eines dieser Angebote für alle Verbundsschüler ist in Baunach das Modul „Netzwerk 4+1“. Dieses bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler der 8. Jahrgangsstufe vier Tage pro Woche ganz normal den Unterricht besuchen, am fünften Tag arbeiten sie in einem Betrieb. Damit sollen sie praktische Erfahrungen abseits der Schulbank sammeln, ihre Fähigkeiten kennenlernen und Einblicke in die Berufswelt bekommen. Dabei kooperieren die Schule, die jeweiligen Betriebe und die Arbeitsagentur miteinander und schaffen für die Schüler eine sehr gute Ausgangslage für die Berufswahl. Zudem bietet die Schule seit diesem Jahr die sogenannte 9+2-Klasse an. Dabei können Schüler der 9. Klasse den Mittleren Schulabschluss in zwei statt einem Schuljahr erreichen. Dies ist eine gute Möglichkeit für Schüler, die mehr Zeit brauchen oder sich unsicher sind, aber auch für Abgänger von Gymnasium und Realschule.
Außerdem gibt es in Baunach nun eine Tablet-Klasse, bei der neue Lernwege erschlossen und die Medienkompetenz der Schüler gestärkt werden soll. Zudem wird in Baunach eine offene Ganztagesschule angeboten. In Breitengüßbach hingegen gibt es das Angebot einer gebunden Ganztagesschule. Außerdem findet verbundsintern eine Ausbildungsmesse mit zahlreichen Unternehmen statt.
Mittelschulen wollen nicht „drittes Rad am Wagen“ sein
Um ein attraktives Angebot zu gewährleisten, benötigt eine Schule aber auch dementsprechend Ressourcen. Dabei liegen die Prioritäten in der Politik nicht gerade bei den Mittelschulen, so Wild. Im Gegenteil: Mittelschulen „genießen nicht einen solchen Stellenwert wie Realschulen oder Gymnasien“. Es mangelt an Ressourcen, die Schulen haben wenig Spielraum und müssen um jede Lehrerstunde kämpfen.
Hinzu kommt die Übergangsproblematik. Die Kinder sollen schon in der vierten Klasse wählen, wie es danach schulisch weitergeht. Dabei werden viele Kinder fehlgeleitet, so Wild. Häufig wird die Schulwahl zur Prestigesache. Der Druck auf Kinder wird zu groß, sie sind gestresst und haben keinerlei Freude mehr an Schule. Es hagelt schlechte Noten, oft hängt damit auch daheim der Haussengen schief. „Alles dreht sich nur noch um Schule“, betont Wild, der mit solchen Fällen nicht selten zu tun hat. Er führt viele Gespräche mit Familien, denen es so ergangen ist.
Daher ist es für alle Beteiligten wichtig, dass Mittelschulen gerade nach außen hin wieder vermehrt wahrgenommen werden und beweisen können, dass sie mit ihrer Praxisorientiertheit eine sinnvolle Alternative darstellen. Die Schulen wollen wieder ein festes Standbein in der Bildungslandschaft werden und nicht nur das dritte Rad sein, so Wild. Ein klares, zukunftsorientiertes Angebot soll im Verbund dabei helfen und für die Schüler eine gute Ausgangslage für die Zukunft schaffen.