Nachwuchssorgen? Die kennt Andreas Schmittwolf, Vorsitzender der SpVgg Rattelsdorf, nicht. Um die 250 Kinder, Jugendliche und Sportler unter 30 Jahren sind Mitglied. Oft sind es auch nicht die Sportvereine, die sich mit Nachwuchssorgen herumschlagen müssen, sondern kleinere Vereine, die mit ihren Angeboten häufig das (kulturelle) Leben in Städten und Gemeinden begeistern oder sogar mit über ihre Zukunft entscheiden. Was tun? Nachrichten am Ort sammelt Ideen – auch Ihre Meinung ist gefragt…
Anfang November besuchte ich als Delegierter für Bayern den Deutschen Journalistentag in Hannover. Wieder einmal gehörte ich zu den fünf jüngsten Delegierten – und das bei 300 Journalistinnen und Journalisten aus ganz Deutschland. Aus Bayern war ich gar der jüngste. Dabei gibt es sie, die jungen Journalisten. Sie kommen nur nicht auf die Idee, bei einer „Jahreshauptversammlung“ aufzutauchen.
Vorhanden, aber nicht eingebunden. Oder nicht einzubinden?
Das Beispiel zeigt: Der Nachwuchs wäre da, interessiert sich aber nicht für die Verbands- und Vereinsarbeit. Positive Angebote dagegen werden gerne mitgenommen. Beim Journalistenverband denke ich an die Rechtsberatung, bei einem Dorfkrippenverein an den Weihnachtsmarkt. Wenn es aber darum geht, die Zukunft zu gestalten, Aktionen zu planen, selbst – über Sport und Spaß hinaus – aktiv zu werden, sieht es mau aus. Aber warum ist das so?
Viel ist in den vergangenen Jahren über die gesellschaftlichen Veränderungen geschrieben worden, das (Un-)Wort „Spaßgesellschaft“ geisterte schon vor 15 Jahren durch die Medien, Schwarzmaler übernahmen die Meinungsführerschaft. Ganz so schlimm ist es freilich nicht, eines zeigt der Trend aber: Ohne einen gewissen „Eventcharakter“ geht kaum noch etwas. Selbst die Kirchen haben das mehr und mehr erkannt und bieten „Gottesdienste für Junggebliebene“, „Taizé-Gebete“ und Meditationen an. Solche Angebote sorgen für mehr Besucher, die Gewinnung von Menschen, die sich darüber hinaus engagieren, ist etwas ganz anderes. Und genau letztere fehlen bei den meisten Vereinen an allen Ecken und Enden. Und wenn sich zur Neuwahl eines Vorstandes gerade einmal zehn Prozent der stimmberechtigten Mitglieder einfinden, steht es um die Legitimation nicht gerade rosig.
Gefährlich: Politische Meinungsbildung kommt viel zu kurz
Besonders erschreckend sieht es bei den politischen Vereinigungen aus. Hans-Jürgen Scheerbaum, Vorsitzender des CSU-Ortsverbandes Rattelsdorf, kann kein Mitglied unter 30 in seiner Liste verbuchen. Zwar gibt es das Ferienprogramm für Kinder und junge Eltern sowie Fahrten, Ausflüge, Winterwanderungen. Die Erfolge wollen sich aber nicht einstellen.
Viele Experimente haben gezeigt: Ein Patentrezept, die Jugend ins Vereinsleben einzubinden, gibt es nicht. Klar ist aber: Die Jugendarbeit muss zunächst einmal damit beginnen, Angebote zu schaffen. Sei es eine Jugendgruppe, ein Jugendorchester, eine Jugendfeuerwehr. Steht für die Gruppen dann noch ein attraktives Programm zur Verfügung und beginnen die Kinder, Jugendlichen und jungen Menschen, sich mit dem, was sie tun, zu identifizieren, ist schon einmal viel gewonnen. Bei einer politischen Vereinigung könnte das vielleicht ein Politik-Workshop sein: Die Kinder und Jugendlichen dürfen für einen Tag Gemeinderäte spielen und die Zukunft ihres Ortes durchspielen. Sicher würden auch die Schulen mitmachen, die politische Bildung kommt bei uns in Deutschland ohnehin zu kurz. Begeistert war ich zum Beispiel 2012 von einer Aktion ist Zapfendorf im Rahmen des Städtebaulichen Entwicklungskonzeptes im vergangenen Jahr: Die Schulkinder sammelten, wo sie im Ort Handlungsbedarf sehen und überlegten sich Strategien.
Schulprojekt in Zapfendorf: Wie soll der Ort in Zukunft aussehen?
Sorgenkind „Jahreshauptversammlung“
Folgen muss aber ein Schritt, der vielen Vereinen noch immer schwerfällt. Betrachten wir die Einladung zu einer Jahreshauptversammlung, wie sie hundertfach in den Amts- und Mitteilungsblättern erscheint: 1. Begrüßung, 2. Totengedenken, 3. Bericht der Vorstandschaft, 4. Berichte aus den Abteilungen, 5. Entlastung der Vorstandschaft, 6. Neuwahlen, 7. Sonstiges. Sie kennen das, oder? Natürlich schreibt das Vereinsrecht solche Tagesordnungspunkte vor. Nur: Hinter dem Ofen hervor locken die Themen kaum jemanden.
Warum nicht den offiziellen Teil auf eine Stunde begrenzen? Warum nicht die Berichte entschlacken, Redezeiten scharf regulieren? Und stattdessen die Versammlung um andere Dinge ergänzen: Einen Auftritt der Jugendgruppe, einen Kurzfilm über die Aktivitäten der Kinder im abgelaufenen Jahr, einen Workshop zu spannenden Themen. Vielleicht bietet es sich an, Gäste einzuladen, die von ihrer Arbeit berichten und neue Ideen mitbringen. Aus der Jahreshauptversammlung muss ein Vereinsabend oder ein Vereinsnachmittag werden, bei dem für die Mitglieder das Erscheinen nicht zum Zwang wird, sondern es Spaß macht, den Aktionen zu folgen und die Zukunft des Vereinslebens mitzugestalten. Es muss um mehr gehen als um das Händchenheben.
Ein Beispiel: So sieht’s oft bei einer Jahreshauptversammlung aus.
Eine Diskussion um die Zukunft vieler Vereine ist dringend notwendig, sie darf nicht aufgeschoben werden. Insbesondere die politischen Vereinigungen vor Ort müssen sich im Klaren sein: Ein „weiter so“ gibt es nicht. Und beim Gestalten der Zukunft könnte eine wichtige Rolle den Ortskulturringen zufallen. Warum nicht bei der nächsten Versammlung über Kinder, Jugend und die Zukunft diskutieren? Warum nicht Ideen sammeln? Sicher gibt es bereits einige positive Ansätze, von denen so mancher Verein den anderen berichten könnte.
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Fotos: Johannes Michel, © S. Hofschlaeger / PIXELIO