Fast vier Monate waren die Kampfmittelsucher entlang der Bahntrasse zwischen Breitengüßbach und Zapfendorf unterwegs. Ihr Auftrag: Munition und Kampfmittel finden. Besonders „erfolgreich“, wie ein Mitarbeiter sagte, war das Team in Zapfendorf. Denn was nach der Explosion eines Munitionszugs am 1. April 1945 zugeschüttet wurde, kam nun ans Tageslicht. Mit dabei: Munition, Granaten, Waffenteile, aber auch viel Schrott.
Schon lange, bevor die Bahn so richtig mit ihrer Baustelle begann, war Reinhard Scheler aktiv. Der erste Eintrag seines Arbeitsprotokolls datiert vom 15. Oktober 2015, gefunden wurde eine 7,5cm-Sprenggranate ohne Zünder. Danach folgen viele weitere Einträge, sie beziehen sich auf Gebiete zumeist im Umfeld der Bahngleise, aber auch davon entfernt. Teilweise lagen dort Granaten in weniger als 30 Zentimeter Tiefe, im Feld oder auch unter dem Schotter der Bahngleise, zusammen mit vielen Tonnen Schrott, insbesondere im und rund um das große Detonationsloch, das im Luftbild nach der Zerstörung von Zapfendorf gut zu erkennen ist.
„Die Geschosse waren voller Sprengstoff, aber ohne Zünder“, erklärte Scheler bei einem Termin im Zapfendorfer Rathaus. Eine unmittelbare Gefahr bestand somit nicht, aber, das betonte er ausdrücklich, die Munition werde über die Jahre nicht besser. „Die Stabilisatoren können ausgasen, somit kann es über die Jahre zu Instabilitäten kommen.“ Viel kam also ans Licht, das 1945 nach der Explosion einfach vergraben wurde. 17 Waggons hatte der Zug, der im Bereich des Bahnhofs abgestellt war und von amerikanischen Tieffliegern bombardiert wurde, fünf davon wurden im Rahmen der Untersuchungen ausgegraben. Neben Scheler waren weitere Mitarbeiter einer Spezialfirma für Kampfmittelsuche unterwegs – bis Ende Januar 2016. Erst nachdem sie das Gebiet abgesucht hatten, durfte die Bahn mit ihren Bauarbeiten an der ICE-Strecke beginnen.
Ein Luftbild der Amerikaner zeigt das Ausmaß der Zerstörung. Rechts außen mittig: Die katholische Pfarrkirche. Bild: Gemeindearchiv Zapfendorf
Was war wirklich auf dem Zug?
Aber nicht nur Munition, sondern Wagenräder, Achsen, Gasmasken und Waffenteile fanden die Kampfmittelsucher. Ebenso Wetzsteine, ein ganzer Waggon müsse damit voll gewesen sein, so Scheler. Ein Teil der Funde wurde gesichert und soll, sagte Bürgermeister Volker Dittrich, den Zapfendorfern im Rahmen einer Ausstellung präsentiert oder im Rathaus gezeigt werden. Die noch mit Sprengstoff gefüllten Granaten wurden zu einem Sprengplatz in der Nähe von Nürnberg gebracht – einige könnten nach dem Entschärfen nach Zapfendorf zurückkommen.
Für die Kampfmittelsucher ist aber auch interessant, was genau am 1. April 1945 passiert ist. Denn die Gewalt der Explosionen mit einem vier Meter tiefen Krater und einer breiten Ausdehnung spreche nicht für normale Granaten und Sprengstoffe. Aufgrund der Druckwelle könnten durchaus eine V-Waffe oder Teile davon auf dem Zug gelagert gewesen sein, denn die Munition selbst würde, da ohne Zünder transportiert, nicht einfach explodieren. Diese Theorie lässt sich aber heute nicht mehr beweisen.
Eine große Hilfe für das Team waren die Luftbilder, die nach der Explosion von den Amerikanern aufgenommen wurden und die auch im Buch „Dorf in Flammen“ das 2013 neu aufgelegt wurde, gezeigt werden. Es enthält größtenteils Augenzeugenberichte – die Menschen schildern, wie sie den 1. April 1945 erlebt haben. Mehr Informationen zum Buch gibt es unter www.dorfinflammen.de – zu haben ist es in der Gemeinde Zapfendorf. Und am 1. April wird in Zapfendorf wieder mit einem Gottesdienst an die Opfer der Katastrophe erinnert – um 18.30 Uhr in der katholischen Pfarrkirche.
Tipp zum Weiterlesen: Zum 1. April 1945, der Tag, an dem Zapfendorf zu großen Teilen zerstört wurde, finden Sie bei uns eine umfangreiche Artikelsammlung.
Fotos von den Funden und den Arbeiten haben wir in unserer Bildergalerie zusammengestellt. (zum Öffnen einfach ein beliebiges Foto anklicken, zum Beenden der Anzeige das X in der linken Ecke oben wählen). Danke an die Firma KaMiSu für die Fotos.