„Die Nahrungsweise der Bezirksbevölkerung, gemeint war im Bezirk Baunach, ist eine ganz einfache. Sie besteht größtenteils aus Kartoffeln, dem alleinherrschenden Nahrungsstoffe der bäuerlichen Bevölkerung, ferner aus Milch und Brot. Sie ist in diesen genannten Stoffen reichlich zu nennen. Das vorherrschende Getränk künstlicher Bereitung ist das Bier“, schrieb 1861 ein Amtsarzt des Landgerichts Baunach. Diese und viele weitere Geschichten rund um Bier und Brauereien in Baunach und Franken erzählte Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold bei der Festrede anlässlich der Bürgerhaus-Einweihung in Baunach.
Der Ort war perfekt gewählt, war doch der große Veranstaltungssaal des heutigen Bürgerhauses in Baunach einst der Kesselsaal der „Lechner Bräu“. Die Wand- und Deckengestaltung mit ihren Bögen, die Treppenaufgänge mit Wasserrohr-ähnlichen Handläufen – an vielen Stellen erinnert das Bürgerhaus an die ehemalige Nutzung. Dippold gefiel das, was er sah: „Die Stadt Baunach, ihre Bürgerschaft, sie beschenkt sich heute selbst mit diesem Bau. In ihm spiegeln sich gleichermaßen Geschichtsbewusstsein und Baukultur, und darauf können Sie stolz sein. Das macht Ihnen so rasch keiner nach. Ich bin überzeugt, heute hat Baunach eine neue Mitte erhalten. Herzlichen Glückwunsch!“
Bier galt schon immer als Kraftspender
Zurück zu seiner Festrede. „Warum eigentlich Bier?“, fragte Dippold. Dank der Hitze bei der Herstellung und dank des Alkoholgehalts war Bier ein hygienisches Getränk. Noch im 19. Jahrhundert kamen täglich Fuhrleute und Kutscher nach Baunach, die sich stundenlang in praller Sonne aufgehalten hatten. Sie brachten den nötigen Durst mit – und das Trinkwasser war seinerzeit seines Namens nicht wert. „Bier war das eindeutig hygienischere Getränk, und es war preisgünstiger als Wein“, führte Dippold aus. Und es galt als Kraftspender.
Prof. Dr. Günter Dippold verlässt nach seiner Rede die Bühne – mit einem Geschenk von Bürgermeister Ekkehard Hojer. In der Schachtel befindet sich ein Zapfhahn mit Lechner-Bräu-Aufschrift.
In den meisten Orten wurde Bier in stadteigenen Gemeinschaftsbrauhäusern hergestellt. Nicht aber in Bamberg, wo die Brauwirtschaft in privater Hand war. „1810 existierten in Bamberg sage und schreibe 63 Brauereien. Auch in Baunach scheint es kein öffentliches Brauhaus gegeben zu haben. Der Durchgangsverkehr brachte wohl genug Konsum, so dass 1729 immerhin sieben Brauer nebeneinander bestehen konnten.“ Und dann kam der Wandel. Im frühen 19. Jahrhundert kommen neue Getränke auf, allen voran Kaffee, Branntwein, Schnaps. Während vor allem in Norddeutschland die Brauereien in großer Zahl schließen mussten, blieben sie in Bayern und Franken weitgehend intakt, und nach und nach entstanden Großbrauereien, die sich, aufgrund des Verkaufs außerhalb Bayerns, Exportbierbrauereien nannten.
Die kleineren Brauer wollten ebenso davon profitieren. „Ein Beispiel dafür ist wohl jener Georg Lechner aus Reckendorf, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Witwe des Brauers Theodor Mantel heiratete und dadurch den Betrieb übernahm. Bis zum Ersten Weltkrieg steigerte er den jährlichen Ausstoß der „Lechner-Bräu“ auf 800 Hektoliter, und er errichtete eine eigene Mälzerei, die auch andere Brauereien belieferte. 1924/25 baute er ein neues Brauhaus und legte neue Lagerkeller an. Er schloss Lieferverträge mit Coburger Gastwirtschaften, schuf ein Lager in Nürnberg, gründete für seinen Stiefsohn eine eigene Brauerei in Hallstadt, kaufte mehrere Gastwirtschaften in der Umgebung, führte nach Thüringen aus. Um 1930 erzeugte er 5.000 Hektoliter, also das Sechsfache des Vorkriegsstandes. Stolz nannte er seinen Betrieb Erste Baunacher Exportbierbrauerei und Malzfabrik“.
„Wegreißen, das ist mit solchen brachliegenden Industriebauten oft, allzu oft geschehen.“
Nach dem Einbruch in den 1930er Jahren dauerte es bis 1948, bis wieder Bier in Baunach gebraut wurde. „Das Edel-Märzen von Michael Lechner hatte 1954 sogar einen Preis in Brüssel errungen. Sein bekanntes Rauchbier fand Absatz bis in die Oberpfalz, in den Frankenwald und nach Nürnberg“, erklärte Dippold. „1981 verkaufte Michael Lechner seine Brauerei. Der Käufer wollte sie fortführen, baute um, eröffnete 1984 das „Baunacher Brauhaus“, schloss aber schon nach drei Jahren wieder. Eine jahrhundertelange Brauereitradition auf diesem Anwesen war zu Ende.“
Zum Umbau zu einem Bürgerhaus positionierte Dippold sich klar: „Nun standen also die Anlagen da, eine Dominante im Ortsbild. Ich habe die Diskussion nicht verfolgt, aber vermutlich ist in Baunach so geredet worden wie an anderen Orten. Reißt das alte Gerutsch doch fort! Wegreißen, das ist mit solchen brachliegenden Industriebauten oft, allzu oft geschehen. Ich könnte Beispiele erzählen von Brauereien in meinem Heimatlandkreis Lichtenfels, die in den 70er, 80er Jahren aufgeben mussten, mittelgroße Betriebe, einstige Exportbierbrauereien mit vier- oder niedrigen fünfstelligen Hektoliterzahlen. Reißt es doch weg, das alte Gerutsch! So ist es gekommen, in Bad Staffelstein, in Lichtenfels, in Redwitz, und kommende Woche wird eine ehemalige Malzfabrik in Maineck in wesentlichen Teilen abgebrochen. In der Nachfolge entstehen Parkplätze, Supermärkte oder leere Flächen, auf denen Unkraut wuchert. So oder so keine Glücksfälle für die Ortsbilder. Baunach hat es anders gemacht. Dazu gehört Mut, und für diesen Mut zolle ich den Verantwortlichen meinen tiefen Respekt. Hier könnte eine Lücke klaffen, hier könnte seelenlose Serienarchitektur stehen. Das ist nicht geschehen, und das ist ein Glücksfall für Baunach.“
Johannes Michel. Fotos: Lena Thiem, Johannes Michel
Unseren Live-Bericht vom Eröffnungstag mit Video und über hundert Fotos finden Sie hier. Außerdem möchten wir auf unsere umfangreiche Artikelsammlung zum Thema Bürgerhaus Baunach hinweisen.