Der Anblick ist schon faszinierend. Riesige LKWs, Kräne, Bohrer, Bagger. Die ICE-Baustelle zwischen Breitengüßbach und Zapfendorf zieht viele Schaulustige an – und passt eigentlich eher in eine Großstadt als in die ländliche Gegend. Oft wurde die Frage gestellt: Macht dieses Großprojekt überhaupt Sinn? Bei Planung und Start ist vieles ist gut, anderes schlecht gelaufen. Eine Spurensuche.
Berlin – München in vier Stunden. Der Zug als echte Alternative zu Auto und Flugzeug. Ein wichtiger Lückenschluss im europäischen Schnellbahnnetz. Das sind die Schlagworte, mit denen die Deutsche Bahn auf den Informationsseiten im Internet zum „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit, Schiene Nr. 8“ (VDE8) argumentiert. Schon 1991 wurde das Projekt von der damaligen Bundesregierung beschlossen – und es folgte ein Auf und Ab. Denn eigentlich sollte schon in den 1990ern gebaut werden, die politisch Verantwortlichen und die Kommunalverwaltungen, ob in Breitengüßbach, Kemmern, Rattelsdorf, Zapfendorf und auch in Hallstadt, können davon ein Lied singen. Dann erfolgte der Projektstopp, und schließlich, nach über einem Jahrzehnt Pause, die Wiederaufnahme.
Wie viele Stunden ihrer Arbeitszeit die Verwaltungen in das Thema Bahnausbau wohl investiert haben? Wie viele tolle andere Ideen sich in dieser Zeit hätten umsetzen lassen? Wir wissen es nicht. Natürlich haben Kommunen in anderen Ecken des Landkreises Bamberg auch ihre Probleme, ein derartiges Großprojekt vor der Haustür haben sie aber nicht. Und: Sie müssen sich nicht mit einem derartigen Konstrukt wie der Deutschen Bahn herumschlagen, einem Unternehmen, das dem Staat gehört und sehr bürokratisch arbeitet. Man könnte auch sagen: Unbeweglich. Wobei: Das stimmt nicht ganz. Denn die Bahn hat durchaus ihre Zugeständnisse gemacht – oft allerdings erst nach vielen Verhandlungsrunden und Druck „von oben“, etwa beim Thema Barrierefreiheit der Bahnhöfe.
Behelfsbrücke: Wozu?
Nach mehreren Verschiebungen war es schließlich im Januar 2016 soweit: Die Großbaustelle begann, mit ihr einher geht eine rund neunmonatige Vollsperrung der Bahnstrecke. Die wurde oft kritisiert, macht aber Sinn. Denn es gilt, die Belastung für die Anwohner möglichst gering zu halten – und eine Baustelle, die bei laufendem Bahnverkehr stattfände, würde um einiges länger dauern, als dies nun der Fall sein wird. Leidtragende sind die Pendler, auch diejenigen, die mit ihrem Auto nun morgens und abends auf der Autobahn A73 im Stau stehen. Denn die Autobahn wurde in Teilen auf eine Fahrspur pro Richtung verengt.
Wirklich zu kritisieren gibt es anderes, nämlich die zeitliche Planung an sich. Ein Beispiel: Nachdem in Zapfendorf die beiden Bahnübergänge wegfallen, entstehen im Norden und Süden Über- beziehungsweise Unterführungen. Bis die aber fertig sind, muss der Verkehr nach wie vor irgendwie über die Trasse gelangen, als Zugang zum Gewerbegebiet, aber auch in Richtung Rattelsdorf und Ebing. Was passierte? Die Bahn baute im Süden von Zapfendorf eine Behelfsbrücke, die diesen Verkehr nun aufnimmt, und eine Westumfahrung auf der Trasse, die in Zapfendorf bereits als geplante Westtangente in der Schublade liegt. Das läuft, die Behelfsbrücke funktioniert.
Die Behelfsbrücke verbindet Zapfendorf West und Ost.
Nur: Sie ist eigentlich überflüssig. Denn, insbesondere auf Druck der Bahn selbst, hatte die Gemeinde Zapfendorf schon im Jahr 2014 die Voraussetzungen geschaffen, den Bau der Nordüberführung beim Sportplatz vorzuziehen. Ein Bebauungsplan wurde aufgestellt, die Kreuzungsvereinbarung geschlossen. Und damals hieß es noch, der Bau könnte in 2014 beginnen. Nur dann passierte: nichts. Was dahintersteckt? Scheinbar kam die Bahn mit Grundstücksverhandlungen in diesem Bereich nicht voran. Und so startete der Brückenbau erst im Herbst 2015, die Überführung konnte nicht mehr als Umleitungsstrecke während der Bahnbaumaßnahme genutzt werden. Also musste eine zusätzliche Behelfsbrücke her, deren Kosten enorm sein dürften, für die Brücke selbst, aber auch durch die Anlieferung vom unzähligen Ladungen Erde für die Auffahrten. Und irgendwann muss die wieder abtransportiert werden. Insgesamt also ein teures Unterfangen, für die Bahn, und damit für den Steuerzahler, also für jeden von uns.
Lieber zweimal als einmal Baustelle
Zum Thema Westtangente gäbe es noch viel mehr zu sagen. Nur ein weiterer Punkt: Die Umfahrung soll einmal zur Staatsstraße werden und damit den Ortsbereich entlasten. Wie gut wäre es gewesen, wenn sie direkt nach Abschluss der Bahnbaustelle in Betrieb gehen könnte – vielleicht, nachdem der Untergrund noch einmal überarbeitet würde, musste er doch viel Schwerlastverkehr ertragen. Nur: So einfach ist es nicht. Denn die Behelfsstraße, die von der Bahn errichtet wurde, ist für eine Staatsstraße zu schmal. Ebenfalls für den Laien kaum zu verstehen: Die Bahn muss nördlich von Unteroberndorf (Gemeinde Breitengüßbach) die bestehende Staatsstraße Richtung Hang verlegen, dafür sind aufwändige Hangsicherungen nötig. Da wäre es doch einfach gewesen, gleich den ohnehin geplanten Fahrradweg zwischen Unteroberndorf und Zapfendorf direkt mitzubauen. Aber Fehlanzeige, denn dafür ist nicht die Bahn, sondern das Staatliche Bauamt Bamberg zuständig. Und dort wurde scheinbar entschieden, den Radweg lieber später nachträglich selbst anzubauen.
Bei Unteroberndorf wird die Staatsstraße in den Hang (links) verlegt, aber vorerst ohne Radweg.
Ein weiterer Aspekt, der die zeitliche Planung betrifft, führt in den Süden von Breitengüßbach, an Kemmern vorbei, bis nach Hallstadt. Denn hier wird aktuell nicht an der neuen Strecke gearbeitet. Die Baustelle hört im Süden von Breitengüßbach auf, lediglich die neue Wirtschaftsweg-Überführung als Ersatz für den Bahnübergang bei Kemmern wird gebaut. Und ab hier bleibt die Strecke erst einmal zweigleisig. Als Begründung wurden knappe Finanzmittel genannt, entscheidend dürfte aber auch die Stadt Bamberg sein. Denn dort waren die Proteste gegen einen Ausbau groß, Lösungen wie eine Ostumfahrung oder gar eine Untertunnelung wurden ins Spiel gebracht. Aktuell ist es zwar unwahrscheinlich, dass eine Ostumfahrung gebaut wird. Würde sie aber kommen, träfe sie irgendwo nördlich von Hallstadt auf die bisherige Strecke. Ein Ausbau durch Hallstadt wäre dann hinfällig – und auch der Lärmschutz für die Anwohner. Bei einer solchen Sachlage muss jeder Planer zögern. Für die Bahnkunden und Pendler bedeutet das: Mindestens zweimal Baustelle. Das hätte sich vermeiden lassen.
Dieser Artikel ist der erste Teil unserer Serie zum Bahnausbau. In Teil 2, der in Kürze erscheint, lesen Sie mehr darüber, wie die Kommunikation zwischen Bahnvertretern und den Gemeinden vor Ort funktioniert(e), erhalten Infos zu aktuellen Entwicklungen und erfahren, warum ohne die Initiative in den Gemeinden kein Bahnhof oder Haltepunkt so aussähe, wie das nach Abschluss der Baustelle der Fall sein wird.
Sehr wichtig finde ich die „Barrierefreiheit“, denn jünger werden wir alle nicht. Bei den alten Lichtenfelser Zügen musste man ja schon heraushüpfen, wenn man etwas kleiner ist.