Apfel & Co.: Obst von der Streuobstwiese – Mehr Bio geht nicht

Wer kein zertifiziertes Bio-Siegel braucht, sondern Wert auf ungespritztes und natürlich gewachsenes Obst, mit all seinen Flecken und Macken legt, der kann bis Ende Oktober in unserer Region aus dem Vollen schöpfen. Denn die Anzahl der unterschiedlichen Apfelsorten im Supermarkt kann man an zwei Händen abzählen. Das ganze Jahr über bekommt der Kunde eingeführte Sorten wie Elstar, Braeburn, den giftig-grünen Granny Smith oder zumindest dem Namen nach exotische Pink Lady …

Zirka sieben verschiedene Sorten liegen regelmäßig und das ganze Jahr im Neonlicht – derweil gibt es in Deutschland Hunderte verschiedener Sorten, die nicht nur schillernde Namen haben, sondern vor allem eine unglaubliche Palette an Farben und spannenden Aromen.

Das ganz eigene Paradies

Am besten hat es derjenige, der Obstbäume im eigenen Garten stehen hat, denn er weiß am besten, ob sie gespritzt wurden. Nicht nur einen Baum sondern gleich drei Streuobstwiesen bewirtschaftet Otto Buchberger. Dort gedeihen eine große Anzahl an verschiedenen Zwetschgen-, Birnen-, Apfel- und Nussbäumen verschiedenster Sorten. Die Äpfel zum Beispiel sind nicht nur farblich und in ihrem Charakter grundverschieden, sondern haben auch unterschiedliche Erntezeiten. So hat sich Buchberger seinen eigenen Wunsch erfüllt und kann „ab August hier über die Wiese gehen und die unterschiedlichsten Sorten an Äpfeln pflücken und einfach reinbeißen.“ Begeistert erzählt er über die Sorten und ihre Besonderheiten: Wie Piros und Alkmene, die ab Anfang September geerntet werden. Schwärmt von dem unglaublich nussigen Geschmack der Gold Parmäne, einer uraltenSorte. Der Melrose sticht mit seiner lilafarbenen Schale aus dem sonst gelbgold-orange-roten Farbenspiel heraus, wird aber als Herbstapfel erst später geerntet. Auch Wintersorten wie Boskoop und der Winter Rambour sind vertreten.

2014 Bio-Strecke StreuobstwiesenDer Melrose besticht mit seiner tollen lilafarbenen Schale.

2014 Bio-Strecke StreuobstwiesenOtto Buchberger in seinem eigenen Schlaraffenland.

Mitarbeiter auf der Streuobstwiese wie beispielsweise Bienen und Hummeln werden durch bestimmte wild wachsende Blumen oder Klee angelockt. Brennnesseln dienen Schmetterlingen als Brutplatz. „Ob ein Baum lebt, kann man hören“, freut sich Buchberger über das Summen und Brummen in den Obstbäumen. Hohe Stangen dienen Bussarden als Ansitz, sie lauern auf Mäuse. Gleichzeitig ist die Wiese ein Rückzugsraum, den sie auf den planen Ackerflächen kaum noch finden.

Streuobstwiesen sind ganz eigene schützenswerte ökologische Systeme und die traditionellste Art, Obst anzubauen. Auch der Landkreis Bamberg unterhält zwei Streuobstwiesen (in Lauf und in Roth), und legt dort Wert darauf, vor allem alte Sorten zu erhalten. Was im frühen Herbst aussieht wie das Schlaraffenland, verlangt dennoch Pflege und vor allem Wissen um die einzelnen Bedürfnisse der Obstsorten und die ökologischen Zusammenhänge. Um die Bäume in ihrem Wuchs zu unterstützen, achtet Buchberger zum Beispiel darauf, die Bäume „ihrem Charakter nach“ zu schneiden, damit jeder Apfel genug Licht und Sonne zum Wachsen und Reifen bekommt. Mit Pferdedung und abgemähtem Gras mulcht er die Bäume mit natürlichen Mitteln, ohne zur chemischen Keule zu greifen. Durch die langsame Verwitterung senken sich die Nährstoffe über einen langen Zeitraum allmählich in den Boden, so dass die Bäume ständig über die Wurzeln versorgt werden. Das steigert vor allem die Qualität der Äpfel, aber nicht zwingend den Ertrag, auf den der konventionelle Anbau angewiesen ist.

„Sobald man eine Leiter braucht, wird es unrentabel“

Die Bäume hängen voll, die Ernte wird heuer besser ausfallen als letztes Jahr, aber „wirtschaftlich ist eine Streuobstwiese nie“ und auch die Kosten, eine Bio-Zertifizierung zu erhalten, lohnen sich für Streuobstanbieter nicht. Während im Erwerbsanbau die Bäume in der Regel maximal zwei Meter groß werden dürfen, um sie maschinell mit Pflückmaschinen ernten und auch besser mit Spritzmitteln erreichen zu können, gibt es auf den Streuobst oft hochgewachsene Bäume, die alleine mit Hilfe von Leitern abgeerntet werden.

2014 Bio-Strecke StreuobstwiesenErnte auf der Streuobstwiese ist Handarbeit.

Absatz findet das Streuobst über den Verkauf ab Hof oder speziellen Märkten und nicht im Supermarkt, denn dort herrscht der Verbraucher: Ob Bio oder konventioneller Anbau, ob Apfel oder Birne, viele Verbraucher möchten schönes Obst ohne Schorf, Flecken oder Wurmlöcher und bestimmen damit die Nachfrage, die der Händler an die Erzeuger weitergibt. Die wiederum werden gezwungen, nur perfekt aussehende Äpfel anzubieten. Alleine durch Züchtung und Einsatz von Spritzmitteln sehen solche Äpfel auch nach zehn Tagen noch knackig und frisch in der Obstschale im Wohnzimmer aus. Es führt aber auch dazu, dass im Erwerbs-Obstanbau nur noch bestimmte robuste Sorten kultiviert werden, zurzeit sind das zwischen 20 und 30 Sorten in Deutschland. Doch wo bleibt da der Geschmack – und welche Giftstoffe nehmen wir bei jedem Biss in den „gesunden Apfel“ mit auf?

Um das ganze Jahr über Äpfel im Supermarkt anbieten zu können, wird viel Energie in die Lagerung, die Haltbarmachung und den Transport investiert. Wer dagegen bei regionalen Streuobstanbietern in der Nachbarschaft kauft, der bekommt eine geschmackliche Vielfalt, die ihresgleichen sucht und „unterstützt den Erhalt der Kulturlandschaften und der Natur“. Den eigenen Apfelvorrat zu Hause lagert man am besten in der Garage und bedeckt das Obst mit einer Decke. Bei längerem Frost muss man die Äpfel allerdings in den Keller umziehen. Unerlässlich ist, die eingelagerten Äpfel immer wieder zu kontrollieren, um faulende auszusortieren. Für die Liebhaber von flüssigem Obst bieteen sich Most und Saft an. Auch hier gibt es regionale Anbieter.

Informieren, wer in Ihrer Nähe Obst anbietet, wo Sie ihr eigenes Obst zu Saft oder Most verarbeiten lassen können, können Sie sich bei der Streuobstbörse des Landratsamtes. Wenn Sie selbst zu viel Obst haben und es verkaufen oder von Interessenten abernten lassen wollen, können Sie sich dort auch auf die Liste der Anbieter setzen lassen. Auf dem jährlichen Apfelmarkt des Landkreises (12. Oktober 2014 in Priesendorf) bietet sich eine Sortenvielfalt an heimischem Obst, das von der Sortenvielfalt und geschmacklich jedes Angebot aus dem Supermarkt schlägt.

Lesen Sie auch die weiteren Teile unserer Bio-Serie:

 

Weitere Apfel-Fotos, aufgenommen in der Streuobstwiese in Lauf, finden Sie in unserer Bildergalerie (zum Öffnen einfach ein beliebiges Foto anklicken, zum Beenden der Anzeige das X in der linken Ecke oben wählen).

Fotos: Lena Thiem, Nadine Rener, Johannes Michel
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