Teilrückzug: Kinderhaus kommt, Senioreneinrichtung erst einmal nicht

Dezember 2016. In einer Gemeinderatssitzung in Kemmern sind erstmals öffentlich Pläne für ein Mehrgenerationenzentrum zu sehen: Neben einer Kindertagesstätte sollen auch seniorengerechte Wohnungen entstehen, eine Tagespflege rundet das Konzept ab. Nun hat sich, zumindest zunächst, ein Teil der Planungen zerschlagen.

Matthias Kirsch, seit vergangenem Herbst Geschäftsführer des Arbeiterwohlfahrt (AWO) Kreisverband Bamberg Stadt und Land, sowie der AWO-Kreisvorsitzende Klaus Stieringer waren in der Kemmerner Gemeinderatssitzung vom 5. November 2020 zu Gast. Schon mehrfach war von verschiedenen Gemeinderäten eine Information zum aktuellen Stand in Sachen Mehrgenerationenprojekt eingefordert worden – und den gab es nun. Kirsch ging zunächst auf das Kinderhaus ein. Durch die Corona-Pandemie sei es zu Verzögerungen gekommen, da auch bei der AWO seit März Ausnahmezustand herrsche und viele Ressourcen in die Bewältigung der Krise einfließen mussten und müssen. Nun seien aber die ersten Aufträge vergeben worden, etwa die Tragwerksplanung, Heizung, Lüftung, Sanitär und Elektro. Für den Gesamtplan zeichne sich weiterhin Architekt Karl-Heinz Rösch verantwortlich, der in Kemmern durch die Ortskernsanierung oder das Feuerwehrhaus bereits bekannt ist.

Dann ging Kirsch zum Seniorenbereich über. „Schon kurz nach meinem Amtsantritt habe ich mich mit dem Thema beschäftigt. Ich wollte mir aber Zeit lassen. Wir haben umfangreiche Analysen durchgeführt und kamen immer wieder zum gleichen Ergebnis, nämlich dass aktuell eine Tagespflege nicht möglich ist, wenn man den Markt und die Wirtschaftlichkeit betrachtet. Auch für das betreute Wohnen sehe ich keinen Raum für eine Trägerschaft durch die AWO aus den gleichen Gründen.“ Im Umfeld von Kemmern stünden insgesamt 300 Tagespflegeplätze zur Verfügung, von denen auch welche frei seien. Außerdem herrsche ein großer Fachkräftemangel. „Wir könnten aktuell die Fachkräfte nicht gewinnen, die wir für einen Ausbau unserer Betreuungsaktivitäten brauchen würden“, so Kirsch weiter. Stieringer ergänzte, dass das Thema Tagespflege aktuell ohne schwierig sei. „Hier muss der Betreiber immer von einer Maximalbelegung ausgehen und dafür das Personal vorhalten.“ Das bedeute immer volle Kosten, auch bei nur halber Belegung. Auch daher sei im Vorstand die Entscheidung gegen Kemmern gefallen.

Das gesamte Areal (Stand 2019): Links die neu zu bauende Straße mit anschließendem Seniorenzentrum (grau), in der Mitte oben die neue Kita, rechts oben die bestehende Kita St. Maria. Unten das Schulgelände (zum Vergrößern antippen oder anklicken). Plan: Architekt Rösch, Gemeinde Kemmern

Projekte gehören zusammen

Im Gemeinderat herrschte für den Rückzug der AWO aus dem Projekt kein Verständnis. Gemeinderat Günter Schwank (UBB) meinte, es wäre doch zumindest angebracht gewesen, Signale an die Gemeinde auszusenden. Für Jochen Gottwald (Zukunft für Kemmern, ZfK) bedeutete der Ausstieg der AWO aus dem Seniorenprojekt Rosinenpickerei. „Sie haben jetzt das Zuckerstück, die Kindertagesstätte.“ Ulrich Brehm (CSU) wies darauf hin, dass es auch schon bei den ersten Planungen eine, damals positive, Wirtschaftlichkeitsanalyse gegeben habe. Und Dr. Oliver Dorsch (Grüne) richtete scharfe Kritik an dem ehemaligen AWO-Geschäftsführer Werner Dippold: „Viele Aussagen von Herrn Dippold waren für mich nie vertrauenswürdig. Er hat sich mit dem Seniorenzentrum eine Tür in Kemmern geöffnet. Beide Projekte waren aber aneinander gekoppelt, darum die Bezeichnung Mehrgenerationenprojekt. Der Mehrwert für uns steht und fällt mit der Tagespflege.“ Kirsch erwiderte dazu, dass die Grundidee gut sei. „Wenn sich die Gemeinde entschließt, eine betreute Wohnanlage zu bauen, wäre die AWO mit den mobilen Pflegediensten natürlich zur Stelle. „Ich kann aber gewisse Dinge wie die Rentabilität einer Tagespflege aber nicht schönrechnen.“

Julia Schatkowski-Amtmann (ZfK) und Dr. Oliver Dorsch ergänzten, dass Kemmern zudem in den vergangenen Jahren seine Hausaufgaben gemacht habe. „Wir haben Voraussetzungen und Tatsachen geschaffen. In einem solchen Stadium ist der Rückzug des Partners kein Verhalten eines zuverlässigen Partners!“, so Dorsch. Schatkowski-Amtmann meinte, Kemmern habe – was schon mehrfach von ihrer Fraktion bemängelt worden sei – den ersten vor dem zweiten Schritt gemacht. Harald Dorsch (CSU) nannte die aktuelle Entwicklung einen „Schlag vor den Kopf“ und Fraktionskollegin Silvia Jung fragte, warum die AWO nicht frühzeitig mit einem Alternativangebot auf die Gemeinde zugekommen sei.

Enttäuschung und Zuversicht

Noch mehrfach fiel an diesem Abend der Name Werner Dippold. Klaus Stieringer sagte, dass Dippold in seiner Amtszeit möglicherweise Voraussagen aufgrund der positiven Geschäftsentwicklung der AWO getroffen habe. Was die genauen Grundlagen dafür gewesen seien, wisse er aber nicht. Er habe kein Problem damit, wenn Kemmern sich entschließen sollte, das Seniorenwohnen ohne die AWO auf andere Weise, etwa mit einem anderen Träger, zu realisieren – auch wenn sich die Partnersuche schwierig gestalten dürfte. Die Entscheidung der AWO habe nichts mit Gewinnmaximierung zu tun. „Ich entschuldige mich dafür, dass vom alten Vorstand, dem ich nicht angehörte und auch dem alten Geschäftsführer eine gewisse Erwartungshaltung erzeugt wurde.“

Nach einer langen Diskussion ergriff Bürgermeister Rüdiger Gerst das Wort. In der Gemeinde Kemmern gebe es Betreuungsbedarf für mehr Kinder. Die bestehende Kindertagesstätte sei nicht erweiterbar, es brauche also eine zweite Einrichtung. Kemmern wolle aber auch dem demografischen Wandel Rechnung tragen, daher habe man zusammen mit der AWO das Mehrgenerationenprojekt entwickelt. „Wir wollen ein Zusammenspiel der Generationen, kein Nebeneinander.“ Daher seien die notwendigen Schritte zur Realisierung wie die Aufstellung des Bebauungsplans unternommen worden. Auch wenn die AWO nun teilweise aussteige, habe sich an der Bewertung der Situation nichts verändert. Die Gemeinde werde sich daher nach einem anderen Partner umschauen. Die Kompetenz der AWO bei der Kinderbetreuung solle man aber nicht in Abrede stellen. „Ich bin persönlich enttäuscht, sehe aber keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.“

Erneut kamen dann Diskussionen über die Platzierung zweier getrennt arbeitender Kindertagesstätten mit verschiedenen Trägern sowie über die Trägerschaft der AWO für die Kita auf. Helmut Wild erklärte, er könne sich mit der Trennung der Kinder durch einen Zaun nicht anfreunden. Jochen Förtsch (ZfK) meinte, laut Beschluss des Gemeinderats aus dem Mai 2018 seien die Projekte aneinander gebunden – er empfehle daher, zu überlegen, ob mit der AWO weitergeplant werden soll. Und Julia Schatkowski-Amtmann wünschte sich eine neue Debatte über die Aufteilung: Warum nicht eine Einrichtung als Krippe, die andere als Kindergarten? Bei einer Gegenstimme wurde dann beschlossen, Bürgermeister Rüdiger Gerst zu bevollmächtigen, Sondierungen mit geeigneten Betreibern für die Senioreneinrichtung vorzunehmen. Kemmern erwarte außerdem von der AWO als Betreiber der Kita die Bereitschaft zur Kooperation mit dem künftigen Träger der Senioreneinrichtung im Interesse des Zusammenwirkens der Generationen.

Alle Artikel zum Thema „Mehrgenerationenzentrum Kemmern“ finden Sie in unserer umfangreichen Artikelsammlung zum Thema.

Die Außenansicht der Kita. Die Pläne wurden bereits in einer Gemeinderatssitzung im Sommer 2019 gezeigt. Plan: Architekt Rösch

Neue Kindertagesstätte genehmigt

In einem weiteren Tagesordnungspunkt war der formale Bauantrag zum Neubau einer Kindertageseinrichtung in der Gemeinde Kemmern mit zwei Kindergartengruppen sowie zwei Kinderkrippengruppen Thema. Architekt Karl-Heinz Rösch präsentierte erneut die Pläne, die sich im Vergleich zur Vorstellung vom Juli 2019 nur in Details verändert hatten. Die Fertigstellung sei für Juni 2022 beplant. Die Kosten lägen nach aktueller Berechnung bei ca. 3,1 Millionen Euro. Bei vier Gegenstimmen wurde dem Bauantrag stattgegeben. Die Gegenstimmen konnte Bürgermeister Rüdiger Gerst nicht verstehen – und verwies darauf, dass es sich um einen Bauantrag handle, vergleichbar zum Bauantrag für ein Wohnhaus. Eine Gegenstimme mache hier nur Sinn, wenn das Bauvorhaben generell abzulehnen sei.

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Ein Kommentar

  1. Da kann ich Herrn Gottwald nur zustimmen, AWO hat sich das Sahnestück herausgesucht, ich persönlich habe auch nichts anders erwartet.
    Ich würde die Beziehung sofort mit AWO beenden.
    Es sollten sich Leute damit beschäftigen die sich auch auskennen.

    Helmut Ritter

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