Zur Zwischenbilanz des Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) für Reckendorf hatte Bürgermeister Manfred Deinlein (SPD) die Bevölkerung zu einer Sondersitzung eingeladen. Es sollten die „Hotspots“, also „heißen Punkte“, beleuchtet werden, so führte Diplomingenieur Leonhard Valier vom gleichnamigen Büro für Städtebau und Bauleitplanung (Bamberg) in die Thematik ein.
Zur Seite standen ihm Architektin Christiane Werthmann (Büro Städtebau, Bamberg) sowie Gunter Schramm M. A. (Büro Planwerk, Nürnberg), der sich für die Analyse der Haushaltsbefragung verantwortlich zeigte.
Die Wünsche, Anregungen und Bedürfnisse der Bürger wurden von den beiden Büros zunächst gesammelt und ausgewertet. Das gemeinschaftlich erarbeitete Konzept soll dann die Basis der kommenden Gemeinderatssitzungen bilden, in denen dann die weiterführenden Beschlüsse gefasst werden müssen. Dies wäre die Handlungs- und Entscheidungsgrundlage für die nächsten zehn bis 20 Jahre, so betonte Diplomingenieur Valier, wobei ein großer Rahmen mit langer Zeitperspektive nicht außergewöhnlich sei. Die Vorbereitenden Untersuchungen (VU) setzen das Sanierungsgebiet fest, welches sich in Reckendorf auf den Altbereich bezieht. Eine Satzung soll privaten Grundstücksbesitzern helfen, bei einer anstehenden Renovierung des schützenswerten Altbestands erhöhte steuerliche Vergütungen zu erhalten.
Zwei Drittel der Planungsphase seien jetzt schon erreicht, so erklärte Architektin Christiane Werthmann. Im Beteiligungsverfahren wurden fünf Workshops und die Exkursion zur „Mustergemeinde Langenfeld“ abgehalten. Nach Abschluss der Expertenrunde und Haushaltsbefragung steht jetzt die Überprüfung und Bewertung von Seiten der Kommune und Planer an. Langenfeld in Mittelfranken, ein Dorf mit 1.000 Einwohnern, habe mit Hilfe dieses Städtebauprojektes „sensationell viel erreicht“, so Leonhard Valier: „Der Planungsbeginn fand vor mehr als zehn Jahren statt. Verwirklicht wurde ein Mehrgenerationenhaus, ein ‚offenes Treffen‘ mit Mittagstisch und Frühstückstreff in einer ehemaligen leerstehenden Scheune, die Leute seien rührig, und selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel war schon dort“. Es gäbe bereits betreute Wohngemeinschaften, eine Revitalisierung des Dorfgasthauses, einen Dorfladen, Wohnen für Demenzkranke und Junge Leute, ‚betreutes Wohnen‘ in unmittelbarer Nachbarschaft; Wohnungen für Singles seien gerade im Entstehen. Das „Stolbinger Areal“ wäre für solche Ziele in Reckendorf geeignet, die Umsetzung würde allerdings zehn bis 15 Jahre dauern, so kündigte der Stadt- und Regionalplaner an.
Gunter Schramm vom zweiten beteiligten Büro, Planwerk aus Nürnberg, ging anschließend auf die Ergebnisse der Haushaltsbefragung vom Herbst 2019 ein. Man durfte sich über 30,8 Prozent Rückläufer freuen, das waren 267 Haushalte, zuzüglich 16 ausgefüllter Online-Fragebögen. Als Stärken sah man im Ort die gute Verkehrsanbindung (101 Stimmen), gute Nahversorgung (88) und lebendiges Vereinsleben (74) sowie die Naturnähe und Landschaft (50). Als Schwachpunkt wertete man die fehlende ärztliche Versorgung (133!), das starke Verkehrsaufkommen (61) sowie fehlende ausgebaute Geh- und Radwege (28) und die Parksituation im Ort (25). Fast jeder Rücklauf vermisste Ärzte und Fachärzte (176). Die Versorgungssituation für den sonstigen Einzelhandel (ohne Lebensmittel) wurde von 19 Prozent, Kultur von 20 Prozent und Gesundheit von 12 Prozent als sehr schlecht eingestuft, wogegen das Freizeitangebot mit wenigen Ausnahmen, nämlich Mangel an Spiel- (6 Prozent) und Sportplätzen (5 Prozent) verhältnismäßig gut abschnitt. Als beliebteste Aufenthaltsorte wurde der Dorfplatz mit Kirche (39 Stimmen) sowie Wald und Natur (34) zuzüglich fünf Meldungen zum Areal Judenfriedhof/Wasserhäuschen angegeben. Ein Verbesserungsbedarf an diesen Lieblingsplätzen wurde mit Aufstellen von Sitzgelegenheiten, Verschönerungs-/Gestaltungsarbeiten sowie Modernisierung gesehen. 59 Prozent der Befragten hatten eine Verlangsamung des Verkehrs am Ortsein- und -ausgang gewünscht. Eine Ortsentwicklung wünschte man sich mittels Sanierung der Straßen (120 Nennungen), Angebote für Jugendliche (119), Ausbau der Nahversorgung (119) sowie eine Ansiedlung weiterer Betriebe (117). Angebote für ältere Menschen, auch im Bereich für seniorengerechte Wohnungen und Barrierefreiheit lagen im Mittelfeld. Eine Zufriedenheit herrschte im ‚sozialen Miteinander‘, so schloss Städteplaner Schramm.
Leerstandsmanagement und Fassadenprogramm
Architektin Werthmann wies schließlich auf die themengebundenen Handlungsfeldern über, welche man fokussieren sollte. Eine Machbarkeitsstudie zum Thema „Bürgertreff“ mit möglicher Nutzung des „Stolbinger-Areals“ wäre somit in Aussicht zu stellen, nämlich mit Seniorenbetreuung, -wohnen, Medizinischer Versorgung, Café, Anlaufstelle für Schüler, Nachbarschaftshilfe, Vereine, Quartiersmanagement etc.
Weitere Schwerpunkte lägen auf dem Leerstandsmanagement, wofür der Allianzmanager zuständig ist, und die öffentliche Nachnutzung kommunaler leerstehenden Einrichtungen. Auch das Wiederauflebenlassen des vor 30 Jahren gepflegten kommunalen Fassadenprogrammes wäre zu empfehlen, um das innerörtliche Erscheinungsbild aufzuwerten. Wünschenswert wäre der Erhalt historischer Fußwegverbindungen, eine erhöhte Verkehrssicherheit durch eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h, Gehwegverbreiterungen und Barrierefreiheit. Für letzteres wäre ein Termin „in größerer Runde“ angebracht, da auch Baunach diese Probleme äußert. Die innerörtliche Radwegeführung könnte durch Anzeigen von Alternativrouten verbessert werden. Ein weitere Ziel sollte es sein, die Aufenthaltsqualität in der „Reckendorfer Mitte“ (Dorfplatz) zu stärken.
Bezüglich des Fragebogens zur Nachbarschaftshilfe wünscht man sich ein Bürgermobil, kleine technische Hilfeleistungen, einen Besuchsdienst sowie Hilfe bei der Grabpflege, im Umgang mit den Neuen Medien, in Haushalt und Garten oder bei der Kinderbetreuung, Nachhilfeunterricht und Lesepatenschaften, was unter anderem über einen Bürgertreff organisiert werden könnte.
Hinzufügend erwähnte Gunter Schramm, dass es hierfür das Zuschussprogramm „soziale Stadt“ gebe. Eine Fahrradstation am Bahnhof, alternative Wohnformen, ein Umwandeln der Pfarrjugend in einen öffentlichen Jugendtreff, so lauteten die weiteren Vorschläge. Ein Quartiersmanagement vor Ort könne eine enge Kooperation mit lokalen Akteuren voranbringen, was bis zu 60 Prozent gefördert werde, so der Planer, und eröffnete damit die Diskussionsrunde.
Bürgermeister Manfred Deinlein erinnerte, dass der örtliche Einzelhandel mittlerweile in neuen Händen sei: „Würde sich zusätzlich ein kleiner Laden rentieren? Wäre der Markt dafür da? Oder graben wir uns da nicht das Wasser ab?“ Hierauf erinnerte Gunter Schramm, dass alles in enger Abstimmung stattfinden müsse, möglich wäre ein Schwerpunkt auf regionale Bioprodukte oder neue Dienstleistungsvorschläge. Das Angebot könne aber auch im Lebensmittelmarkt untergebracht werden, ergänzte Städteplaner Leonhard Valier.
Chancen für die Verkehrsberuhigung?
Indem Gemeinderat Andreas Knab daran erinnerte, dass „viele außerhalb kaufen“ und bei dem Stolbinger-Areal Parkplätze für eine angedachte Arztpraxis fehlen würden, erinnerte Valier daran, dass mit diesem Konzept die Bandbreite dargestellt werde, „die städtebauliche Entwicklung hängt von Ihnen ab.“
Daraufhin stellte Gemeinderat Ludwig Blum die Frage in den Raum: „Für den ‚Stolbinger‘ gibt es Zuschüsse, doch wie trägt sich das bei 2000 Einwohnern im laufenden Betrieb?“, worauf der Städteplaner antwortete: „Sie müssen sich immer zuerst die Frage stellen, wieviel können Sie sich leisten? Eine Wohngemeinschaft für Demenzkranke trägt sich!“ Auch bemängelte Kommunalpolitiker Blum, dass das bestehende Jugendprogramm JAM gar nicht erwähnt wurde.
Mit Blick auf die Förderkosten erkundigte sich Bürgermeister Deinlein, inwiefern es sinnvoll sei, zwei Programme – Leerstandsmanagement/Fassadenprogramm, ‚soziale Stadt‘ nebeneinander her laufen zu lassen, worauf Valier auf das Beispiel der Gemeinde Küps mit Förderung durch drei Projekten im Hauptort verwies. Gemeinderat Markus Sippel (WBFW) erinnerte an die von den Bürgern gewünschte Verkehrsberuhigung und stellte mit Bezug auf die geplante Querungshilfe die Frage: „Sehen Sie Chancen einer Verbesserung?“ Städteplaner Schramm meinte hierzu, dass Modellversuche mit 30 km/h bei Staatsstraßen durchgeführt werden, „es bewegt sich etwas, der Druck muss aber von unten kommen, von der Kommune“, und Valier ergänzte: „Die Gehwege hier sind eine reine Katastrophe!“
Gemeinderat Knab (SPD) brachte schließlich mit seinem Kommentar alles auf einen Punkt: „In der Umfrage haben die Reckendorfer geantwortet, die Gemeinschaft und die Natur seien das wichtigste, der Erhalt der ländlichen Idylle und eine gute Erreichbarkeit, nicht das Wachstum.“
Ein Bedauern auf den Gesichtern der Zuhörer war schon zu Beginn der Veranstaltung zu erkennen gewesen, hatte sie doch Bürgermeister Deinlein daran erinnert, dass es sich um eine Gemeinderatssitzung handelt, die Besucherinnen und Besucher durften daher keinen Kommentar abgeben.
Sonstiges
Nach einer Ortseinsicht am Friedhofsparkplatz beschloss der Gemeinderat, den dort vorhandenen Grenzüberbau eines Nachbargrundstückes zu entfernen. Bei diesem Rückbau sei die Entwässerung an der nördlichen Grenze festzulegen.
Der Friedhofsparkplatz mit den Spuren der aktuellen Vermessung, im Hintergrund das renovierte Leichenhaus.
Evelina Bayerlein wies mit Stolz auf die Neugestaltung der VG-Webseite hin. Jeder könne seine Veranstaltung jetzt für den gemeinsamen VG-Kalender selbst melden. Innovativ sei die Verknüpfung mit dem BayernPortal (www.freistaat.bayern) und somit die Anbindung der Bürger an das Geo-Informations-System (GIS). Die Fotos seien zudem alle neu gemacht und so eingebunden, dass die „Retro-Seiten“ jetzt ein frisches Design bekommen hätten.